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Deutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre

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Die deutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre war eine vielschichtige politische Bewegung, die die "herrschenden Verhältnisse" in der Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre radikal kritisierte und bekämpfte. Sie war Teil der von den USA ausgehenden Internationalen Studentenbewegung, aber auch von der Frankfurter Schule inspiriert. Ihr Selbstverständnis war zunächst emanzipatorisch, großenteils antiautoritär gegen die "Herrschaft von Menschen über Menschen" gerichtet. Überwiegend herrschten antikapitalistische Einstellungen vor. Es gab dabei entschiedene Ablehnung kommunistischer Systeme, aber teilweise auch Sympathie.

Die deutsche Studentenbewegung ist untrennbar mit der deutschen Geschichte vor und nach dem zweiten Weltkrieg verbunden. Obwohl es Parallelen zu den Bewegungen anderer Länder gibt, bezog sie sich auf die spezifisch deutsche Situation. Dies betrifft insbesondere die Kritik an der Verarbeitung der nationalsozialistischen deutschen Vergangenheit, die einen maßgeblichen Anteil an Entstehung, Verbreitung und Zielrichtung der deutschen Studentenbewegung hatte. In den USA spielte hingegen der Antifaschismus und die Kritik am Kapitalismus keine, die antirassistische Bürgerrechtsbewegung hingegen eine sehr wichtige Rolle. Das Spezifikum in Frankreich war die große Beteiligung von Arbeitern an der Revolte des Mai 1968.

Als Beginn der deutschen Studentenbewegung gilt das Jahr 1961, in dem der Sozialistische Deutsche Studentenbund aus der SPD ausgeschlossen wurde. Als ihr Ende gilt das Jahr 1969, in dem die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg zum Anlaß für die Auflösung der Studentenbewegung in sich gegenseitig bekämpfende Splittergruppen und Richtungen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war außerdem, im Zuge eines tendenziell postmaterialistischen, als emanzipatorisch aufgefassten generellen Wertewandels in der deutschen Gesellschaft, aus einer reinen Studentenbewegung bereits eine auch andere Bevölkerungskreise umfassende Bewegung geworden, die nach der Bildung der Großen Koalition von 1966 als Außerparlamentarische Opposition hervortrat, deren Radikalität allerdings weit über den allgemeinen Wertewandel hinausging und daher nicht zur Solidarisierung einer Bevölkerungsmehrheit führen konnte.

Im Gegensatz zu späteren, politisch motivierten Legendenbildungen, die in der Fiktion einer einheitlichen revoltierenden "68er-Generation" gipfelten, war sowohl vor wie nach 1967 immer nur eine Minderheit der Studenten an der Studentenbewegung und der Außerparlamentarischen Opposition beteiligt; die Mehrheit orientierte sich dagegen an den in den Parlamenten vertretenen Parteien, den christlichen Kirchen oder den Studentenverbindungen oder war politisch bzw. weltanschaulich indifferent.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Kurzfassung

Die Studentenbewegung der USA, Frankreichs und anderer westeuropäischer Staaten mit Ausstrahlung bis zur Türkei, erreichte ihren Höhepunkt 1968.

Keimzellen der Studentenbewegung in Deutschland waren an zahlreichen Universitäten bemerkbar, auffällig war die 1963 gegründete Gruppe Subversive Aktion oder die Kommune 1. Ab 1966/1967 entstand, verursacht durch die Restauration der Nachkriegs-Fünfziger-Jahre und die Große Koalition (ohne eine einflussreiche Opposition innerhalb des Bundestages), unter der Führung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) die außerparlamentarische Opposition (APO).

Ein entscheidender mobilisierender Faktor für die außerparlamentarische Opposition war die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien (Mohammad Reza Pahlavi), der sich auf Staatsbesuch in Berlin befand. Die Boulevardpresse, vor allem die Bild-Zeitung, verschärfte die Gegensätze durch eine polarisierende Berichterstattung.

Am 11. April 1968 wurde der Studentenführer Rudi Dutschke bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt (er starb etwa elf Jahre danach an den Spätfolgen.) Bei den anschließenden Osterunruhen wurden zwei Menschen (Journalisten) in München unter ungeklärten Umständen getötet und etwa 400 verletzt. Das Attentat auf Dutschke und die Ereignisse des Pariser Mai verstärkten die beginnende Radikalisierung der Bewegung, die sich gleichzeitig immer mehr aufsplitterte.

Als eine Folge der 68er-Bewegung gründete sich um Andreas Baader und Ulrike Meinhof die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF). Große Teile der Bewegung wandten sich dagegen der SPD unter Willy Brandt zu. Auch Die Grünen und weitere Bürgerrechtsbewegungen wie die Schwulenbewegung können als späte Folge der 68er-Bewegung gedeutet werden (vgl. auch Neue soziale Bewegungen). Wobei jedoch der Umweltschutz, der Tierschutz, die Frauenbewegung und andere gesellschaftliche Tendenzen über Traditionen verfügen, die teilweise weit in das Kaiserreich hineinreichen und somit keine originären Beiträge der Sechziger Jahre sind.

[Bearbeiten] Studentenbewegung International

[Bearbeiten] Anfänge

J. D. Salinger schrieb 1951 das Buch Der Fänger im Roggen, John Lennon sang 1968 über die Revolution. Dazwischen ereignete sich ein gesellschaftliches Phänomen, dessen politische, kulturelle und soziologische Aspekte eng zusammenhängen.

Nach dem Krieg war vor allem in Westeuropa eine Periode des Wiederaufbaus und ab Anfang der 1950er Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs und Wohlstands angebrochen. Dabei wurden die Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland größtenteils verdrängt.

International strebten Teile der jüngeren Generationen aber zunehmend nach Idealen, die über eine materielle Versorgung hinausgingen.

In den 1950er Jahren wurde die Philosophie des Existentialismus in Europa populär – vor allem vertreten durch Jean-Paul Sartre, dessen Vordenker bereits in den beiden Jahrzehnten davor aufgetreten waren.

Hier kündigte sich ein neues Denken an, das vormaligen Sinnstiftungen wie Religion eine Absage erteilte. Im Mittelpunkt stand der Einzelne in einer unübersichtlichen, sinnlosen Welt. Sinn war etwas, das erst vom Menschen selbst, z.B. durch Gestaltung seines Lebens und, gemeinsam mit anderen, Gestaltung der Gesellschaft, geschaffen wurde.

In den USA entwarf die Beat Generation mit Literaten wie Jack Kerouac, William S. Burroughs oder Allen Ginsberg ab Ende der 1940er Jahre ihre Sicht auf die Nachkriegsgesellschaft, die ebenfalls eine neue, individuelle Freiheit abseits gesellschaftlicher Normen propagierte.

Diese Zeit war auch sonst kulturell von Umbrüchen geprägt, so beispielsweise in der Kunst (vgl. z.B. Joseph Beuys, Fluxus, Pop-Art), aber auch in Popkultur und Jugendkultur (etwa Jeans, oder später Schlaghosen und lange Haare bei Jugendlichen). In der Musik nahmen die heutigen Genres Rock und Pop damals als Beatmusik ihren Anfang. In Deutschland stand z.B. der Beat-Club für einen neuen Musikgeschmack der Jugendlichen.

In der Filmkunst entwarfen Regisseure wie Godard oder Rainer Werner Fassbinder die Nouvelle Vague und den Autorenfilm als Reaktion auf das Kino der 1950er Jahre (z.B. Heimatfilm). Auch ihre Werke waren Ausdruck einer veränderten Weltsicht und eines Generationenbruchs.

[Bearbeiten] Höhepunkt und Endphase

Aber erst in der Zeit zwischen 1966 und 1969 kulminierte der bisher vage und vereinzelte Protest in den parallelen weltweiten Studentenbewegungen. Diese Bewegungen waren politisch gekennzeichnet durch Zweifel und Kritik an

Weltweit wurde nun gegen das sogenannte „Establishment“ protestiert, gegen Konformismus, gegen die Generation der Eltern und ihre Fortschrittsgläubigkeit, gegen das, was man als Scheinheiligkeit empfand, unter anderem etwa die Politik des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon in den USA, so wie in Deutschland die der großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU).

Der Protest wurde auch selbst zum kulturellen Phänomen, wenn Stars wie Joan Baez bei Demonstrationen des Free Speech Movement sangen, oder Regisseure wie Michelangelo Antonioni der Studentenrevolte filmisch ein Denkmal setzten (Zabriskie Point).

[Bearbeiten] Parallelität

Auch im Ostblock gab es auf den ersten Blick vergleichbare Ereignisse:

  • In Polen kam es im März 1968 zu den Märzunruhen als Reaktion auf das Verbot der Aufführung des Theaterstücks Totenfeier von Adam Mickiewicz und die antizionistische Unterstützung für die arabischen Staaten durch Regierungen des Ostblocks im Sechstage-Krieg.
  • In der damaligen Tschechoslowakei hatten Reformsozialisten, unter ihnen insbesondere Künstler (Plastic People of the Universe), Studenten und Intellektuelle schon länger einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz gefordert, bis es zum Prager Frühling kam, der jedoch sehr schnell gewaltsam niedergeschlagen wurde – vergleichbar mit dem ähnlich motivierten Aufstand in Ungarn 1956.
  • In der Sowjetunion entstand um 1968 eine ähnliche Protestbewegung, allerdings unter schwierigeren Bedingungen mit weniger Einfluss auf die Gesellschaft als in Westeuropa

In der Volksrepublik China kam es ab 1966 zur von Mao Zedong gestarteten Kulturrevolution. Sie war dort offiziell erwünscht, verfolgte andere Ziele, und ist somit nur bedingt vergleichbar, diente aber manchen westlichen Studenten als Vorbild.

[Bearbeiten] Folgen

Insgesamt war es weltweit nicht unbedingt die Mehrheit der Studenten (dafür waren auch Schüler und Arbeitnehmer beteiligt), die demonstrierte, gesellschaftlich nur eine Minderheit, die auch zunächst auf Ablehnung bei der älteren Generation traf, die aber einen sozialen und kulturellen Paradigmenwechsel anstieß, der in den 1970ern dann Mainstream-kompatibel, und somit zu einem Teil des Mainstream wurde (Wertewandel, Mode, Musik, politische Diskurse).

Ähnlich wie die RAF in Deutschland entstanden aber auch in anderen Ländern als Nachwirkung der 68er-Generation Terror-Gruppen wie die Roten Brigaden in Italien, die Japanische Rote Armee oder die Symbionese Liberation Army in den USA.

[Bearbeiten] Vorläufer der Studentenbewegung in Deutschland

Die Geschichte der außerparlamentarischen Opposition in der Bundesrepublik Deutschland beginnt nicht erst im Jahr 1968. Schon vorher, nach 1958 gab es dazu erste Ansätze („Kampf dem Atomtod“ – gegen eine Aufrüstung der Bundeswehr mit Nuklearwaffen). Die Vorläufer der Studentenbewegung waren durch eine zunehmende Politisierung der Öffentlichkeit und gesellschaftsinterne Gegensätze, insbesondere des sich verschärfenden Generationenkonflikts, geprägt. Doch sie sind personell von den Akteuren der 68er Zeit zu trennen. Die Forschung ist sich nicht einig darüber inwiefern die in der Frühzeit der BRD auftretenden Prostestformen als Vorläufer der 68er zu sehen seien. Es bestehen ebensogroße Kontinuitäten wie Diskontinuitäten. Der größte Unterschied betrifft die weitgehende Abwesenheit von Ideologien in der Zeit vor 1968 und dem Boom pseudowissenschaftlicher und radikaler Vorstellungen der 68er Zeit.

Die Elterngeneration, die durch die massive Werte-Entwurzelung der Nazi-Zeit zurück in ein bürgerlich-ziviles, demokratisch-liberales Leben wollte („Flakhelfer-Generation“), kümmerte sich um den materiellen Wiederaufbau, statt sich gleichzeitig intensiv mit der Nazi-Vergangenheit auseinander zu setzen. In einigen Bevölkerungsteilen entstand der Eindruck, dass dies teilweise unter Zudeckung und Hintantstellung moralischer Phänomene geschah. Karrieren im so genannten Dritten Reich, die von einigen als unmoralisch angesehen wurden, liefen nach 1945 ohne Unterbrechung weiter. Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen der Nazizeit erschien vielen Teilen als unbefriedigend, obwohl zahlreiche Prozesse gegen Kriegsverbrecher seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen stattgefunden hatten (Ulmer Prozesse, etc.) Auch in FIlm und Literatur (Die Mörder sind unter uns, Der SS-Staat) hatte die Aufarbeitung der Nazizeit schon die wesentlichen Punkte erreicht, bevor die 68er die politische Bühne betraten. Dass die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland erst mit den 68ern einsetzte, gehört zum "Mythos 1968", ist aber publikationsgeschichtlich nicht haltbar.

In den Brennpunkt der historischen Forschung rückt vielmehr die Frage nach der Natur der 68er Revolte als Generationenkonflikt einer nachwachsenden Jugend, die sich mit dem "Größenwahn" einer Elterngeneration konfrontiert sah, die nicht nur einen Weltkrieg unternommen, sondern auch noch das Wirtschaftwunder erwirkt hatte. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation gewann der an sich normale Konflikt der Generationen an Sprengkraft, wobei die nachwachsende Jugend in vielerlei Hinsicht die hysterisch-überheblichen Verhaltensmuster der Vorgängergeneration übernahm (Weltrevolution, Umwälzung der Gesellschaft, Weltvietnam, etc.)

[Bearbeiten] Geschichte der Studentenbewegung in Deutschland

[Bearbeiten] 1950er: Protest gegen Wiederbewaffnung und Ostermarschbewegung

Die Politisierung der Öffentlichkeit lässt sich schon in den 1950er Jahren beobachten, zunächst vor allem an außenpolitischen Themen wie der Frage nach der Wiederbewaffnung oder der Westintegration. Die diesbezüglichen Debatten zeichneten sich durch ein hohes Maß an Emotionalität und breite öffentliche Anteilnahme aus. An der Frage um die Ausstattung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen entzündete sich ein von Intellektuellen (Otto Hahn) geführter, aber von einer breiten gesellschaftlichen Basis getragener Widerstand gegen die Politik der restaurativen Adenauer-Regierung. Nicht nur hinsichtlich der bemerkenswert hohen Mobilisierung der Bevölkerung, sondern auch im Grad der Organisation der „Kampf dem Atomtod“-Bewegung bedeutete dies eine neue Qualität in der politischen Auseinandersetzung. Zwar zerfiel die Volksbewegung rasch nach der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes im Bundestag; immerhin ging aber aus ihrem harten, pazifistisch geprägten Kern die Ostermarschbewegung hervor, die in den 1960ern allmählich an Bedeutung – allerdings eher zahlenmäßig als politisch – gewann und schließlich eine gewisse kanalisierende Wirkung auf die entstehende, zunächst in ihren Zielen eher diffuse Studentenbewegung ausgeübt haben mag.

[Bearbeiten] Nationalsozialistische Vergangenheit

Die Prozesse gegen die Nazi-Kriegsverbrecher, insbesondere der Eichmann-Prozess in Israel ab 1961, brachten die Verbrechen der Hitlerzeit – für den Einzelnen unverdrängbar – aufs Tapet. An Schärfe gewann die Auseinandersetzung mit der 1964/65 anstehenden Verjährung von Schwerstdelikten der Nazi-Zeit, die im deutschen Bundestag kontrovers diskutiert wurde. Gleichzeitig gerieten insbesondere für die jüngere Generation die Verdrängungsbemühungen der frühen Bundesrepublik und die in den 1950er Jahren von einigen als milde empfundenen Urteile gegen Nazi-Kriegsverbrecher zunehmend in die Kritik. Das Verständnis für vergangenheitsbelastete Personen in hohen politischen Ämtern, etwa die des Bundespräsidenten Heinrich Lübke, nahm in diesen Bevölkerungsteilen ebenfalls ab.

[Bearbeiten] Spiegel-Affäre

Die Spiegel-Affäre 1962 lässt deutlich erkennen, dass sich eine funktionierende kritische Öffentlichkeit gebildet hatte: Selbst die konservative Presse kritisierte das unangemessene Vorgehen der Regierung gegen das Nachrichtenmagazin und sah darin einen verfassungswidrigen Eingriff in die zu schützende Pressefreiheit. Das Potential der kritischen Medien nahm in dieser Zeit trotz einer problematischen Konzentration im Pressewesen eher zu. Auch das zunehmend Verbreitung findende Fernsehen strahlte kritische Magazine aus.

[Bearbeiten] Literatur und Wissenschaft

Ein Signum der 1960er Jahre ist, dass die Literatur und hier insbesondere die Gruppe 47 sich immer deutlicher auf die Restauration kritisierende Positionen stellte und schließlich in ihrer Mehrzahl konkret und prosaisch für den Regierungswechsel, für eine SPD-Regierung zu werben begann. Der Einfluss solcher Wahlaufrufe auf die Bevölkerung ist womöglich nicht besonders groß gewesen; mit der Gattung des Dokumentartheaters aber fanden einige Dramatiker den Schlüssel, die breite Öffentlichkeit mit der problematischen Vergangenheit zu konfrontieren, mit dem Höhepunkt des unzählige Male rezensierten und kritisierten Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth, der u.a. das Reichskonkordat des Vatikans mit der Nazi-Regierung thematisierte.

Besonders die Soziologie und angrenzende, geisteswissenschaftliche Bereiche entwickelten nun den Ruf einer „kritischen Wissenschaft“. Der Einfluss der zum Teil aus der Emigration zurückgekehrten, hoch angesehenen Wissenschaftler wie Horkheimer, Adorno mit ihrer kritischen Staats- und Gesellschaftsanalyse (Frankfurter Schule, Kritische Theorie) hatte auf die Studenten – trotz Generationsunterschieden – elektrisierende Wirkung.

[Bearbeiten] Jugendkultur

Im Zusammenhang mit neuen Musikrichtungen wie Rock- und Beatmusik hatte sich währenddessen eine Jugendkultur entwickelt, die sich in ihren Ausdrucksformen von der etablierten Gesellschaft zu unterscheiden suchte, jedoch in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung teils auch unpolitisch, unorganisiert und sicherlich in mancher Hinsicht systemkonform war.

Trotzdem wurde diese Jugendbewegung (die keineswegs alle Jugendlichen umfasste) von den Erwachsenen als ernsthafte Bedrohung ihres herkömmlichen Lebensstils – insbesondere im Hinblick auf die Aufweichung einer rigiden, religiös begründeten Sexualmoral, und den hergebrachten gesellschaftlichen Konventionen der 1950er (kulturell etwa bei Musik und Kleidung, Ablehnung von Sekundärtugenden, Konsumismuskritik statt Wirtschaftswunder-Enthusiasmus) – aufgefasst und abgelehnt. Diese grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten mögen viel zur rapide wachsenden Unversöhnlichkeit zwischen den Generationen gegen Ende der 1960er Jahre beigetragen haben. Eine radikale Strömung innerhalb dieser Subkultur war der Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen.

[Bearbeiten] Große Koalition

In der Parteipolitik machte sich in den 1960ern eine gewisse Nivellierung von Unterschieden bemerkbar. Symptomatisch sind die ähnlichen Slogans, mit der SPD und CDU 1965 in den Wahlkampf zogen. Schon ein Jahr später kam es zur großen Koalition, was die Rolle der parlamentarischen Opposition allein bei der kleinen FDP beließ. Der Plan der Regierung, ein neues Mehrheitswahlrecht einzuführen und so den politischen Markt weitgehend auf die Volksparteien zu beschränken, schien ein weiterer Faktor zu sein, der die Notwendigkeit einer außerparlamentarischen Opposition unterstrich. Ebenso wirkten die Diskussionen um die Verabschiedung der Notstandsgesetze mobilisierend auf Studenten und Schüler. Das Gefühl auch weiter Teile des Bildungsbürgertums, dass etwas faul war im Staate BRD, bestätigte das Empfinden mancher, vor einem „neuen 1933“ zu stehen. Dies führte dazu, dass 1968 der Begriff APO allgemein diskutiert wurde.

[Bearbeiten] 1967/68: Höhepunkt der Mobilisierung

[Bearbeiten] Forderung nach Reformen in der Hochschulpolitik

Die an den Universitäten entstandene politische Bewegung forderte zunächst Hochschulreformen, ehe der Kampf für gesellschaftliche Veränderungen in den Vordergrund trat, der schließlich in ein allgemeines Aufbegehren der Jugend gegen die Gesellschaftsstrukturen der westlichen Staaten mündete. Die Studentenbewegung ging von den USA aus und breitete sich schnell auch in Europa aus. Auslöser des politischen Protests war die Verwicklung der USA in den Vietnamkrieg. In Frankreich erhielten die Studenten Unterstützung von Arbeitern und Intellektuellen und lösten die so genannten Mai-Unruhen aus.

Treibende Kraft der Studentenbewegung in der Bundesrepublik war der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), der den Kern der so genannten Außerparlamentarischen Opposition bildete. Sie formierte sich nach dem Zustandekommen der Großen Koalition aus SPD und CDU/CSU 1966. Nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg 1967 und dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke 1968 eskalierten die Unruhen. In der Folgezeit zerfiel die Studentenbewegung in zahlreiche zum Teil sektiererische Gruppierungen, die unterschiedliche Vorstellungen über die Verwirklichung der politischen Ziele hatten. Damit war der Bewegung die Massenwirksamkeit entzogen. Eine Minderheit entschied sich für den bewaffneten Kampf gegen den Staat und glitt in den Terrorismus ab, die Mehrzahl hoffte auf gesellschaftliche Veränderungen.

[Bearbeiten] Springer-Kampagne

Die Wurzeln der Kampagne Enteignet Springer entwickelten sich schon Anfang 1967, als die Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Hochschulbundes im Hinblick auf die Machtstellung des Springer-Verlags ein Gesetz gegen die Konzentration im Pressewesen forderte.

Die Forderung gewann an Nachdruck infolge des 2. Juni 1967, als in West-Berlin eine Demonstration gegen den Besuch des persischen Schahs von der Polizei mit unverhältnismäßig brutalen Mitteln aufgelöst (Jubelperser), und im Laufe dieser Aktion der Student Benno Ohnesorg erschossen worden war. Der Großteil der Berliner Presse, insbesondere aber die Publikationen des Springer-Verlags, interpretierte die Ereignisse des 2. Juni zunächst als skandalöse Ausschreitungen der Studenten, die die Polizei korrekt beendet habe.

Dieses Ereignis bestätigte die Meinung der Studentenbewegung, die sich nun zunehmend von einer „systematischen Hetze“, der „gezielten Diffamierung einer Minderheit“ durch den Springerkonzern verfolgt fühlte. Unterstützt wurde die im September 1967 vom SDS schließlich beschlossene Kampagne Enteignet Springer unter anderem von der in den 1950er Jahren entstandenen „Kampagne für Abrüstung“, die ihr Engagement damit begründete, dass nur so die Meinungsfreiheit in Deutschland noch gerettet werden könne.

Eine neue publizistische Eskalationsstufe der ohnehin schon scharfen Auseinandersetzung kann auf Seiten des Springer-Konzerns und einiger Politiker im Februar 1968 diagnostiziert werden. Das Einwerfen einiger Scheiben von Berliner Filialen des Springer-Verlags wurde mit der sogenannten Reichskristallnacht 1938 verglichen. Aber auch die APO hantierte mit Vergleichen zur Nazizeit – so stellte ein Flugblatt Axel Springer in eine Reihe mit dem Herausgeber des Stürmers, Julius Streicher.

[Bearbeiten] Attentat auf Rudi Dutschke

Eine weitere Radikalisierung der Studentenbewegung, nicht nur in Bezug auf das Thema Springer, lässt sich eindeutig auf den Anschlag auf ihre Symbolfigur Rudi Dutschke, am Gründonnerstag, den 11. April 1968, festlegen. Dutschke wurde in Berlin auf offener Straße von dem Hilfsarbeiter Joseph Erwin Bachmann niedergeschossen, überlebte den Anschlag jedoch schwer verletzt. Die folgenden Ostertage sahen „Straßenschlachten, wie es sie Westdeutschland seit der Weimarer Republik nicht mehr gekannt hatte“ (Der Spiegel). Die Verhinderung der Auslieferung der Zeitungen des Springer-Verlags in nahezu allen Großstädten der Bundesrepublik stand dabei im Kern der Auseinandersetzungen.

Die APO diskutierte derweil über die „Gewaltfrage“: einerseits in Hinblick darauf, welche Mittel zur Durchsetzung der eigenen Ziele zukünftig sinnvoll und legitim seien, andererseits im Hinblick darauf, welcher Gewalt man selbst und die Bevölkerung insgesamt eigentlich ausgesetzt sei. Bei letzterem Punkt wurde festgestellt, dass es sich bei der Gewalt „von oben“ nicht nur um die Polizeiknüppel auf der Straße handele, sondern zum Beispiel auch eine parteiische Presse als Gewaltinstrument genutzt werde.

[Bearbeiten] Verabschiedung der Notstandsgesetze

Nur einen Monat nach dem Attentat auf Dutschke wurden die lange geplanten Notstandsgesetze endgültig verabschiedet. Die Anti-Notstandskampagne, die seit 1966 sukzessive größeren Einfluss nicht nur unter der Studentenschaft, aber nicht im Parlament, gewonnen hatte, gipfelte im Mai 1968 in einem Sternmarsch auf Bonn, ohne das Gesetz noch verhindern zu können. Die Furcht davor, dass man mit der Einführung der neuen Paragraphen ein neues Ermächtigungsgesetz wie im Jahr 1933 erlebe, war weit verbreitet. Hans-Jürgen Krahl vom SDS sah unmittelbar vor der Verabschiedung der Notstandsgesetze „die Bundestagsabgeordneten entschlossen, die letzten spärlichen demokratischen Rechtsansprüche in diesem Land auszulöschen“. Ein Flugblatt weiter: „Es gibt nur eine praktische Antwort auf die Faschisierung der Gesellschaft: Die Organisation des Widerstandes.“

Jürgen Habermas wies (in einer Aufarbeitung der Osterunruhen) allerdings darauf hin, dass eigentlich doch jedes Anzeichen einer revolutionären Lage in der Bundesrepublik fehle. Er warnte die Studentenbewegung vor einer folgenschweren Fehleinschätzung der Situation – und wurde dafür scharf kritisiert.

[Bearbeiten] 1968ff: Radikalisierung und Zersplitterung der Bewegung

[Bearbeiten] Allgemeine Systemkritik

Insgesamt verlagerte sich die Diskussion in der Folge zunehmend von der Kritik einzelner Probleme wie der Notstandsgesetzgebung oder der Pressekonzentration hin zu einer generellen Kritik am System der BRD. Aus der Phase der Provokation war man endgültig heraus, die antiautoritären Hedonisten, etwa der Berliner Kommune 1, wurden zurück gedrängt. Ihr Frontmann Dieter Kunzelmann: „Stadtguerilla und maoistische Parteigründungen [entstanden erst] im Herbst 1969. Ihre Geburtsstunde kündigte sich aber bereits Ostern 1968 an.“

Ironischerweise noch zur Verschärfung der Radikalisierung trug 1969 die Bildung der sozialliberalen Regierungskoalition bei. Nunmehr stellte sich die Frage „Reform oder Revolution?“ viel konkreter. Die Reformierung der Bundesrepublik wurde nun, unter dem brandtschen Diktum „Mehr Demokratie wagen“, zu einem Markenzeichen der Regierung. Wenn man weiterhin die Regierung bekämpfen wollte, musste man nun das ganze System als solches angreifen, um noch die Deutungshoheit besitzen zu können. Es blieb für die außerparlamentarische Opposition quasi nur der Begriff „Revolution“ übrig, den Begriff „Reform“ hatte ihnen Willy Brandt weggenommen. Folgerichtig wurde bald die Beschimpfung der SPD als „Sozialfaschisten“ wieder aus der Versenkung geholt.

[Bearbeiten] Zersplitterung des SDS

Seit dem Herbst 1968 änderte sich das Gefüge der außerparlamentarischen Opposition grundlegend. Der SDS konnte nun nicht mehr wie bisher die Jugend- und Studentenbewegung als Ganzes oder auch nur in seinen wesentlichen Teilen repräsentieren. Zahllose neue Gruppierungen entstanden, die bald mehr untereinander um Anerkennung und Machtpositionen als nach außen hin für ihre eigentlichen Ziele kämpften. Die (zugebenermaßen berechtigte) Kritik der Frauen auf der Delegiertenkonferenz im September 1968 über ihre Unterdrückung im SDS zeigte bereits deutlich die Widersprüche und Machtverhältnisse im SDS zu diesem Zeitpunkt. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Zersplitterungen und Abspaltungen auch an anderen Themen.

Der SDS hatte 1967/68 eine Art Bewegungscharakter angenommen, nachdem sich Basisgruppen gebildet hatten, die aufgrund ihrer jeweils speziellen Ausrichtung bald zu Sammelorganisationen wuchsen und sich schließlich von der Mutterorganisation lösten. Es dauerte noch bis Februar 1970, bis sich der Sozialistische Deutsche Studentenbund auflöste. Der nach dem Attentat auf Rudi Dutschke zum theoretischen Vordenker des SDS avancierte Hans-Jürgen Krahl war einige Tage zuvor nach einem Unfall gestorben – quasi auf der Beerdigung Krahls wurde auch der SDS zu Grabe getragen. Damit war allerdings beileibe kein Ende der Bewegung gekommen, sondern vielmehr erst die echte „Gründungszeit“ der zahllosen Zirkelorganisationen. Ende 1968 hatte Horst Mahler mit seiner Formulierung in gewissem Sinne recht, dass die Krise des SDS nur durch dessen Wachstum entstanden sei. Dazu muss angemerkt werden, dass dieses Wachstum nicht nur quantitative (Zustrom von Sympathisanten), sondern eben vor allem qualitative (starke inhaltliche Differenzierungen) Ausmaße hatte. Jede programmatische Festlegung der einzelnen Gruppen musste fortan gleichbedeutend sein mit Fraktionierung und Abgrenzung.

[Bearbeiten] Neugründungen kommunistischer Parteien

Schon im September und Dezember 1968 wurden die DKP beziehungsweise KPD/ML gegründet – Gründungen, die keineswegs nur aus dem SDS entstanden, jedoch ohne die Situation, die die APO hervorgerufen hatte, nicht denkbar gewesen wären. Das Ziel einer echten Mobilisierung des (zunächst einmal wiederzuentdeckenden) Proletariats konnten dabei weder diese Parteien noch die anderen Organisationen erreichen. Daran änderte auch nichts, dass sich ein Teil der Bewegung nun zunehmend den klassischen „linken“ Theoretikern zuwandte, die erstmals in der Geschichte vollständig verfügbar waren. Im scharfen Kontrast zu der ja eigentlich antiautoritären Ausrichtung der Bewegung verehrte dieser Teil nun ernsthaft und nicht nur in popkultureller Spiegelung, wie es ein Jahr zuvor mehrheitlich noch der Fall gewesen war, die Großen des Kommunismus als Heroen.

[Bearbeiten] Theoretisierung und Militarisierung

Die stattfindende Zersplitterung und Radikalisierung löste sich im Laufe der Zeit immer mehr von den realen politischen und gesellschaftlichen Vorgängen. Hatten etwa die Proteste gegen die Notstandsgesetze noch einen direkten Anlass, handelte es sich bei den meisten Streitpunkten der Bewegung ab dem Herbst 1968 eigentlich um abstrakte Politkonzepte und häufig persönliche Interna. In und mit der Öffentlichkeit wurde kaum mehr diskutiert, da es theorieschwanger kaum Verständigungsmöglichkeiten über die sektiererischen, z.B. trotzkistischen Ideen gab.

Im weitgehend internen Diskurs der APO wurde währenddessen die Frage nach der Legitimität der Gewalt zunehmend offensiv beantwortet: Der Grad der geforderten und auch der praktizierten Gewaltsamkeit nahm nach dem Dutschke-Attentat deutlich zu. Ein Höhepunkt der Auseinandersetzung stellte die „Schlacht am Tegeler Weg“ in Berlin im November 1968 dar. Die sich eher spontan entwickelnde Militanz dieser Demonstration wurde von einigen als Beweis interpretiert, dass es möglich sei, Gewalt dosier- und planbar machen zu können; sie standen damit nicht mehr in der teilweise gewaltfreien und häufig akademischen Traditionen der Frankfurter Schule oder den Theorien über Macht und Gewalt von Hannah Arendt.

Die heiter-antiautoritären Strömungen im SDS bis 1968 verschwanden, die Spaßguerilla wurden von den Stadtguerillas abgelöst, die nicht mehr zu Scherzen aufgelegt waren. Schon im Winter 1968/69 wurden in der Kommune 1 Brandbomben gefunden. In anderen, neuen Kommunen wurde der radikale Spruch „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ erstmals zum ernsthaften Motto erhoben. Der Weg einiger in den Terrorismus und hin zur RAF wurde geebnet durch Ereignisse wie 1969 einem Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum am symbolischen 9. November. Der Anschlag diente als eine Art Wasserscheide: Eine radikale Minderheit machte sich bereit, alle Brücken – eben auch diejenigen zur zersplitterten außerparlamentarischen Opposition, die den Anschlag ziemlich einmütig ablehnte – abzubrechen und in die Illegalität und hin zum Terrorismus zu gehen. Andere versuchten durch Pudding-Attentate (Kommune 1) und Hausbesetzungen weiter Spaß und Politik zusammen zu bringen.

[Bearbeiten] Aufnahme des Protests durch die SPD

Der quantitativ wohl größte Teil der Studentenbewegung wandte sich unter Willy Brandts Kanzlerschaft jedoch der SPD zu. Manche mögen ursprünglich mit dem Ziel eingetreten sein, die Partei zu unterwandern. Die meisten dürften zumindest manche Veränderungen in der behäbigen Volkspartei angestrebt haben. Dies führte insbesondere in der Zeit der Regierung Schmidt zu einer tiefen Kluft innerhalb der SPD, verhinderte auf lange Sicht jedoch nicht die Integration des größten Teils der Jugendlichen, von denen einige später als „Enkel“ die Führung der Partei übernehmen würden.

[Bearbeiten] Neue soziale Bewegungen

Aufgefangen wurden die Ideen der 68er-Bewegung auch von anderen Gruppierungen, die in Richtung einer Zivilgesellschaft (teilweise bis heute) arbeiteten: Künstler, Frauenbewegung, Ökologie- und Umweltschutz-Bewegung, Schwulenbewegung, Amnesty International, pazifistische Gruppen, Lehrlingsbewegung, Hausbesetzer, Graue Panther, Bürgerinitiativen (z.B. Stadtteilgruppen), JungdemokratInnen/Junge Linke, Jungsozialisten. Eine praktische Umsetzung einiger Kernideen, die weit über das studentische Milieu hinausging, realisierte sich u.a. auch in den Aktionen-Roter-Punkt zu Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre.

[Bearbeiten] Antizionismus und Antisemitismus

Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus (Wolfgang Kraushaar) wird derzeit der Antizionismus der 68er-Bewegung diskutiert. Kraushaar rekonstruierte die Geschichte eines von Dieter Kunzelmann geplanten Anschlags auf das Gemeindehaus der Berliner Juden am 9. November 1969. Diese Erkenntnisse rückten laut Kritikern antiisraelische Tendenzen der „Neuen Linken“ in ein neues Licht. Der Politikwissenschaftler Martin Kloke etwa nennt das antizionistische Selbstverständnis des SDS inkl. der Veröffentlichung von Fatah-„Militärkommuniqués“ zu „erfolgreichen“ Terroraktionen in Israel, die Kampagne gegen den israelischen Botschafter Asher Ben-Nathan, die Teilnahme von Repräsentanten der 68er-Bewegung (etwa der damalige SDS-Vorsitzende Udo Knapp, der heutige Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit oder der ehemalige Außenminister Joschka Fischer) an einer PLO-Konferenz im Dezember 1969 in Algier, bei der laut Kloke der „‚Endsieg‘ über Israel beschworen“ worden sein soll. Zahlreiche antiisraelische „Widerstandsgruppen“ und „Palästinakomitees“ begannen sich zu formieren, dutzende Initiativen agitierten gegen „US-Imperialismus und Weltzionismus“ und riefen zur Zerschlagung des „zionistischen Gebilde Israel“ auf. Vor diesem Hintergrund kritisiert Kloke Kraushaar, indem er ihm vorwirft, sich zu weigern, „die offensichtlichen Korrelationen zwischen neulinkem Antizionismus und traditionellem Antisemitismus als das zu bezeichnen, was sie waren und sind: ungeschminkte Manifestationen antisemitischer Obsessionen.“[1]. Gerd Koenen weist dagegen die Vermutung, es habe sich um einen „primären Judenhass“ gehandelt, der „die ungebrochene Wirksamkeit eines antisemitischen Latenzzusammenhanges“ bis tief in die Neue Linke hinein beweise, zurück[2].

[Bearbeiten] Rechtsradikalismus

Einige einstmalige prominente Protagonisten der deutschen Studentenbewegung wechselten später auch in das rechtsextreme Spektrum, so etwa Horst Mahler, Bernd Rabehl, Günter Maschke oder Reinhold Oberlercher und Dieter Kunzelmann. Die Frage, inwiefern auch innerhalb der APO bereits rechtsextreme Gedankenbilder vorhanden gewesen waren und inwieweit es sich bei den Revolten der Sechziger Jahre allein um ein "linkes" Phänomen gehandelt habe, ist von der Forschung noch nicht zu beantworten gewesen.

Zentrale Literatur zu diesem Desiderat Koenen, Gert (2002). Das rote Jahrzehnt. Frankfurt am Main. Kraushaar. Wolfgang (2000). 1968 als Mythos. Chiffre und Zäsur. Hamburg. Kraushaar. Wolfgang (Hg.) (1998). Frankfurter Schule und Studentenbewegung. Von der Flaschenpost bis zum Molotowcocktail. 3 Bände. Hamburg. Gilcher-Holtey. Ingrid (Hg.) (1998). 1968 - vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft. Göttingen.

[Bearbeiten] Heutige Diskussion

Während lange als Konsens anerkannt war, dass die internationale Bewegung von 1968 sowohl politisch (etwa Hochschulreformen, Die Grünen, Bürgerinitiativen, Ökologie) als auch kulturell (Rock, Pop, lockere Bekleidungs-Konventionen und sexuelle Befreiung) Neuerungen gebracht habe (Reform), ist seit den 1980er Jahren eine kritische Sicht zu vernehmen, die vor allem von Konservativen vertreten wird.

Demnach hätten „Die 68er“ mit ihren Utopien und Experimenten eine heile Gesellschaft (z.B. Familie) der 1950er zerstört, Sekundärtugenden seien dadurch in Vergessenheit geraten, weshalb Helmut Kohl bei seinem Amtsantritt auch eine „geistig-moralische Wende“ hin zu konservativen Werten und Moralvorstellungen ausrief.

Gegenkritik von Seiten der 68er ist, die „moralische Wende“ habe keine Wirkung gezeigt, weil sie letztendlich durch das Verhalten der Verantwortlichen selbst ad absurdum geführt worden sei. Als Beispiele seien die Rolle des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl und des als Vertreter einer harten Linie bekannten Ex-Innenministers Kanther in der Parteispendenaffäre um CDU-Schwarzgeldkonten in der Schweiz genannt. Eine weitere These ist, dass die sogenannten Volksparteien die damaligen Vorgänge bis heute nicht begriffen, geschweige denn aufgearbeitet hätten. Daher erfolgten aus den Reihen der Politik lediglich Schuldzuweisungen.

Innerhalb der katholischen Moraltheologie bzw. Soziallehre wird der 68er-Bewegung eine deutliche Mitschuld an der heutigen gesellschaftlichen Situation („Zerrüttung von Familien, Ehescheidungen, Verwahrlosung“) gegeben. Dies liege vor allem daran, dass es in der 68er-Bewegung zu einer Umdefinierung der bisher daher gültigen Werte gekommen sei, dass also z.B. die „heile“ Familie von den 68ern zur „kaputten“ erklärt worden sei.

Von links wird den regierungsbeteiligten Grünen ihr Pragmatismus vorgeworfen, der alte Ideale verraten habe, von eher konservativer Seite werden soziale Verwerfungen etwa bei Jugendlichen gerne als Spätfolgen von 1968 dargestellt und ein Gesellschaftsmodell und Menschenbild propagiert, das wieder an der Zeit davor orientiert ist. Auch wenden sich Teile der Frauenbewegung gegen die von den 68ern propagierte sexuelle Befreiung.

Das egalitäre Streben nach Gleichheit der 68er und ihrer Vorgänger (Französische Revolution) und Nachfolger trifft auf aktuelle neokonservative Tendenzen, die verstärkt wieder auf Elite-Konzepte und "Neue Bürgerlichkeit" setzen.


[Bearbeiten] Literatur

  • René Vienet: Paris Mai'68. Wütende und Situationisten in den Bewegungen und Besetzungen. Paris 1968, dt. Hamburg 1977 ISBN 3-921523-25-7.
  • J. J. Lebel, J. L. Brau, P. Merlhés: La Chienlit. Dokumente zur französischen Mai-Revolte. Melzer Verlag, Darmstadt 1969.
  • Frank Böckelmann und Herbert Nagel: Subversive Aktion. Der Sinn der Organisation ist ihr Scheitern. Neue Kritik, Frankfurt a.M. 1976, Neuauflage 2002. ISBN 3801503526.
  • Michael Ruetz: „Ihr müsst diesen Typen nur ins Gesicht sehen“ – APO Berlin 1966—1969. Zweitausendeins Verlag, Frankfurt 1980.
  • Rudi Dutschke: Die Revolte. Wurzeln und Spuren eines Aufbruchs. (Hg. von G. Dutschke-Klotz, J.Miermeister, J.Treulieb) Reinbek b. Hamburg 1983.
  • Peter Mosler: Was wir wollten, was wir wurden. Zeugnisse der Studentenrevolte. Reinbek/Hamburg 1988, ISBN 3499124882.
  • Michael Ruetz: 1968 – Ein Zeitalter wird besichtigt. Zweitausendeins Verlag, Frankfurt 1997. Steidl Verlag, Göttingen 1998.
  • Wolfgang Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung. Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail 1946-1995. 3 Bände. Bd.1: Chronik; Bd.2: Dokumente, Bd.3: Aufsätze und Kommentare, Register. Roger&Bernhard bei Zweitausendeins, Frankfurt 1998.
  • Lutz Schulenburg (Hg.): „Das Leben ändern, die Welt verändern!“ 1968 – Dokumente und Berichte. Edition Nautilus, Hamburg 1998, ISBN 3-89401-289-7.
  • Thomas P. Becker und Ute Schröder: Die Studentenproteste der 60er Jahre. Böhlau, Köln 2000, ISBN 3412077003.
  • Bernd Rabehl: Feindblick. Der SDS im Fadenkreuz des „Kalten Krieges“. Berlin 2000.
  • Gerd Koenen: Das Rote Jahrzehnt. Unsere Kleine Deutsche Kulturrevolution 1967-1977. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3462029851.
  • Ingrid Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung - Deutschland, Westeuropa, USA. C.H.Beck, München 2001, ISBN 3406479839.
  • Gerd Langguth: Mythos '68. Die Gewaltphilosophie von Rudi Dutschke - Ursachen und Folgen der Studentenbewegung. Olzog, München 2001. ISBN 3789280658
  • Bernd Rabehl: Rudi Dutschke. Edition Antaios, Dresden 2002. ISBN 3935063067
  • Rudolf Sievers (Hg.): 1968. Eine Enzyklopädie. Suhrkamp, Frankfurt 2004, ISBN 3-518-12241-X.
  • Timm, Uwe (1974): Heißer Sommer. München: dtv, 340 S. (Neuauflage) ISBN 3-423-12547-0

[Bearbeiten] Quellen

  1. http://www.taz.de/pt/2005/07/18/a0173.nf/text
  2. http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/feuilleton/?sid=0710511d13378e62ed5bee5850aa7bc0&cnt=701068


[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] International

[Bearbeiten] Deutschland

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