Krieg gegen den Terror
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Der Krieg gegen den Terror (engl. „War on Terror“) oder Krieg gegen den Terrorismus (engl. „War on Terrorism“) ist ein von der US-Regierung geprägtes Politisches Schlagwort.
Entstehung und Verwendung des Begriffes
Der „Krieg gegen den internationalen Terrorismus“ wurde erstmals von der US-Regierung unter Präsident Ronald Reagan verkündet[1]. Unmittelbar nach den Anschlägen des 11. September 2001 wurde der Begriff von der US-Regierung unter Präsident George W. Bush wieder aufgegriffen, der ankündigte, einen weltweiten „Krieg gegen den Terrorismus“ (engl. „War on Terrorism“) führen zu wollen. Davor war er zuletzt 1977 vom Time Magazine im Zusammenhang mit der Befreiung der Geiseln in Mogadishu verwendet worden (für ein Bild der Titelseite siehe die englische Wikipedia Seite).
Der Begriff knüpft an ähnliche, von früheren US-Regierungen geprägte Begriffe wie „Krieg gegen Armut“ („War on Poverty“) oder „Krieg gegen Drogen“ („War on Drugs“) an, und spielt geschickt mit dem Angstempfinden vieler Menschen, die die Anschläge in ihrer Dimension als Kriegserklärung an die westliche Zivilisation empfanden. Das Wiederaufgreifen des Begriffes ist der Versuch der USA, den Angriffskrieg gegen den Irak sowie mögliche zukünftige Angriffe gegen den Iran oder Syrien zu legitimieren, sowie die im Rahmen des eigenen „Terrorismusbekämpfungs-Programms“ begangenen Bürgerrechts-, Grundrechts-, Menschenrechts- und Kriegsrechtsverletzungen quasi durch die Benennung zu rechtfertigen.
Analyse des Sprachgebrauchs
In seiner Studie „Writing the War on Terrorism. Language, Politics and Counter-Terrorism“ untersuchte Richard Jackson den zu der Kriegsführung seit dem 11. September 2001 etablierten Sprachgebrauch. Er kam zu dem Schluss, dass der Öffentlichkeit vier primäre „Wahrheiten“ übermittelt werden sollten:
- die Anschläge vom 11. September 2001 seien ein kriegerischer Akt gewesen,
- die Terroristen seien inhumane Barbaren, die es verdient hätten von der zivilisierten Gesellschaft ausgerottet zu werden,
- die Bedrohung durch den Terrorismus sei katastrophal und es sei nur rational, hierauf mit allen Streitkräften zu antworten,
- der US-amerikanisch geführte „Krieg gegen den Terrorismus“ sei per Definition ein guter und gerechter Krieg.
Die Ziele dieses Diskurses bestünden darin,
- ihn als reale Wahrheit zu etablieren,
- die Grenzen des gesunden Menschenverstandes zu definieren,
- die Begriffe in der Debatte zu setzen,
- und alternative Paradigmen und Ansätze auszuschließen.
Diese Ziele seien unter anderem auch deshalb erreicht worden, weil die Regierung hierbei von der Partei der Demokraten, den Massenmedien und vielen anderen wichtigen Akteuren unterstützt worden seien. Eine Folge hiervon sei, dass die Regierung ihren Ansatz des Counter-Terrorismus mit einer großen öffentlichen Unterstützung und ohne eine nennenswerte Opposition im eigenen Land führen konnte. Jackson vergleicht den War on Terrorism mit der Periode des kalten Krieges in den 1950er Jahren, in dem ebenfalls der Raum für offene Diskussionen ausgelöscht worden ist.
Ankündigung des „Kriegs gegen den Terrorismus“ durch George W. Bush 2001 und erste Reaktionen
Die Kernsätze der Ansprache des US-Präsidenten George W. Bush am 20. September 2001 vor dem Kongress lauteten:
- »Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al-Qaida, aber er endet nicht dort. Er wird nicht enden, bis jede terroristische Gruppe von globaler Reichweite gefunden, gestoppt und geschlagen ist.«
- (...)
- »Die Amerikaner sollten nicht einen Kampf erwarten, sondern eine langwierige Kampagne, anders als alle, die wir je gesehen haben. Diese könnte dramatische Angriffe einschließen, die im Fernsehen übertragen werden, und versteckte Operationen, die auch bei Erfolg geheim bleiben. Wir werden den Terroristen ihre Geldmittel abschneiden, sie gegeneinander aufbringen, sie von Ort zu Ort treiben, bis es für sie keine Zuflucht oder Ruhe mehr gibt. Und wir werden die Staaten verfolgen, die dem Terrorismus Hilfe zur Verfügung stellen oder ihm einen sicheren Hafen bieten. Jedes Land in jeder Region muss sich jetzt entscheiden – entweder es steht an unserer Seite oder an der Seite der Terroristen.«[2]
Die US-Regierung erfuhr in der Folge weltweite Unterstützung anderer Regierungen in ihrem Bemühen um eine „Koalition gegen den Terror“.
Reaktionen der UN
Nach den Anschlägen des 11. Septembers wurde der UN-Sicherheitsrat mit den Resolutionen 1368 sowie Resolution 1373 und das Counter Terrorism Committee aktiv. Auch die Anti-Terrorismus-Konventionen, die in der UN-Generalversammlung seit den 1960er Jahren erlassen wurden, fanden nach den Terroranschlägen auf die USA neue Beachtung und wurden vermehrt ratifiziert[3]. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete einstimmig eine von den USA vorgelegte Resolution zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die durch Anwendung des Kapitel 7 der UN-Charta für alle Mitgliedstaaten der UN bindend wurde[4]. In Artikel 41 von Kapitel 7 der UN-Charta werden insbesondere Maßnahmen unter Ausschluss von Waffengewalt wie z.B. Embargos oder der Abbruch der diplomatischen Beziehungen aufgeführt.
Am 9. September 2005 bedauerte Colin Powell in einem Fernsehinterview des US-Nachrichtensenders ABC seine Rede vor den Vereinten Nationen vom 5. Februar 2003, in der er den UN-Sicherheitsrat mit später als falsch erkannten Tatsachenbehauptungen von der Notwendigkeit des Irak-Kriegs zu überzeugen suchte, und bezeichnet sie als einen Schandfleck in seiner Karriere. [5]
Reaktionen der NATO
Die NATO rief am 12. September 2001 erstmals in ihrer Geschichte in einer Kurzschlussreaktion den Bündnisfall aus. Die Nato-Charta spricht von einem „bewaffneten Angriff“ und der Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der UN anerkannten Rechts der Selbstverteidigung ohne UN-Rücksprache.
Afghanistan/Taliban
Bushs Ansprache war aber auch ein konkreter Appell an die zu dem Zeitpunkt in Afghanistan regierenden Taliban gewesen, die Unterstützung des Terrornetzwerkes Al-Qaida aufzugeben und insbesondere deren Führer Osama bin Laden auszuliefern. Da dieser Appell nach Meinung der US-Führung fruchtlos geblieben war, begannen die USA und Großbritannien am 7. Oktober 2001 mit Luftangriffen gegen Afghanistan, wobei sie gleichzeitig Lebensmittelrationen abwarfen, um deutlich zu machen, dass die Angriffe nicht der Bevölkerung Afghanistans gälten. Trotz militärischer Erfolge wie der Befreiung Afghanistans von dem Taliban-Regime gelang es während des Krieges nicht, die Führungsspitze von Al-Qaida gefangenzunehmen (siehe auch: Guantanamo Bay – Ungesetzlicher Kombattant)
Weitere Maßnahmen/Aktionen (Auswahl)
National und international gab und gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen und Aktionen der US-Regierung, die im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terrorismus stehen:
- Im Oktober 2001 präsentierte Präsident Bush eine Liste der 22 meistgesuchten Terroristen
- Am 7. Oktober 2001 begannen amerikanische und britische Streitkräfte mit der Operation Enduring Freedom (OEF) in Afghanistan und im Seegebiet am Horn von Afrika gegen den Terrorismus
- Am 26. Oktober 2001 wird der Patriot Act US-Gesetz
- Im Dezember 2001 kündigte die USA den ABM-Vertrag mit Russland über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen wegen der Bedrohung durch „Schurkenstaaten“ mit Raketen
- Am 4. September 2002 wurde die Bush-Doktrin (National Security Strategy) der Öffentlichkeit vorgestellt, nach der sich die USA Präventivschläge gegen Staaten vorbehalten, von denen die Gefahr ausgeht, dass Terroristen in Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen könnten.
- 25. November 2002 – Einführung eines „US-Ministeriums für Heimatschutz“ zum 1. Januar 2003, das mit rund 170.000 Mitarbeitern die nach dem Verteidigungsministerium zweitgrößte Behörde wurde. Es handelte sich um die größte Umstrukturierung der US-Regierung seit 1947.
- ab 20. März 2003 – Irak-Krieg
- Im Jahr 2003 – Programm zur „Terrorist Information Awareness“
- Außerdem verschärfte sich die Außenpolitik der USA gegen Länder die Kriege gegen so genannte Schurkenstaaten ablehnten
- Überwachung finanzieller Transaktionen in Zusammenarbeit mit SWIFT von 2001 bis heute.
- Völkerrechtswidrige Gefangenname mutmaßlicher Terroristen auf Guantánamo von 2002 bis heute.
Operation Enduring Freedom
Die am 7. Oktober 2001 begonnene Operation Enduring Freedom (auf deutsch: "OP um die Freiheit lange zu erhalten") hat das Ziel, Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen. Sie besteht aus zwei weitgehend unabhängigen Teiloperationen, die in Afghanistan (Krieg 2001-2002, Ziel u. a. Sturz_der_Taliban) und im Seegebiet am Horn von Afrika stattfinden. Außerdem sollen Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abgehalten werden. An diesen Operationen sind inzwischen etwa 70 Nationen beteiligt, darunter Deutschland. Die Operation wird vom amerikanischen Regionalkommando USCENTCOM mit Hauptquartier in Tampa/Florida geführt.
Rechtsgrundlage für die Operation ist die Resolution 1368 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 12. September 2001, mit der die Terroranschläge von New York und Washington als bewaffneter Angriff auf die Vereinigten Staaten und als Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit verurteilt werden.
Der deutsche Beitrag besteht im Wesentlichen aus einem Marinekontingent, das von Dschibuti aus im Roten Meer, im Golf von Aden und im westlichen Teil des Indischen Ozeans operiert. Die Bundeswehr stellte bisher außerdem Lufttransportkräfte, Sanitätskräfte, ABC-Abwehrkräfte, Spezialkräfte und die erforderlichen Unterstützungskräfte.
Auswirkungen in Deutschland
Im Zuge des „Krieges gegen den Terror“ wurden in Deutschland umfangreiche Maßnahmen zur Überwachung der Bevölkerung eingeführt, die offiziell mit dem Schutz der Inneren Sicherheit begründet werden:
- Verabschiedung verschiedener Anti-Terror-Gesetze, darunter des so genannten Terrorismusbekämpfungsgesetzes
- Verschärfung der gesetzlichen Regelungen (z. B. durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2836)) (vgl. auch Luftsicherheitsgesetz und die entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts)
- Verschärfung der Polizeigesetze der Länder
- Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen für gefährdete Objekte (z.B. Botschaften und Konsulate der USA und Großbritanniens, Synagogen)
- Verstärkte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern
Die Notwendigkeit und Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird zum Teil kontrovers diskutiert. Strittig ist dabei auch, ob Bürgerrechte und dabei insbesondere die Freiheitsrechte unzulässig beschnitten werden.
Kritik
Ein auch im Jahr 2006 aktueller Aspekt ist die offene und versteckte Unterstützung von terroristischen Organisationen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, linksorientierte Regierungen in Lateinamerika zu bekämpfen.
Bekanntester Fall ist der von Luis Posada Carriles und Orlando Bosch Avila, zweier international gesuchter Exilkubaner, Terroristen und ehemaligen CIA-Agenten, die sich trotz internationaler Haftbefehle und Auslieferungsersuchen unbehelligt in den USA bewegen können. Posada wurde nach eigenen Aussagen von dem Präsidenten der Cuban-American National Foundation (CANF), Jorge Mas Canosa, finanziert. Haupteinnahmequelle der CANF wiederum sind US-Regierungsgelder.
Eine der bekanntesten Terroranschläge unter nachgewiesener Beteiligung von Posada und Bosch ist das Bombenattentat auf eine kubanische Verkehrmaschine 1976, bei dem 73 meist jugendliche Passagiere umkamen.
1998 wurden in Miami fünf Kubaner festgenommen, deren Aufgabe es war, über die dort ansässigen Terrororganisationen nach Kuba zu berichten. Auf Wunsch der Clinton-Regierung stellte Kuba das gesammelte Material dem FBI zur Verfügung. In einem umstrittenen Gerichtsverfahren wurden nicht die beobachteten Terroristen, unter ihnen Orlando Bosch, belangt, sondern die Miami Five zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.
Des Weiteren ist es ein Widerspruch eine Kriegserklärung abzugeben, ohne einem Staat den Krieg zu erklären. Der „Krieg gegen den Terrorismus“ bewirkt damit die Schaffung eines permanenten Ausnahmezustandes, wie Carl Schmitt ihn beschreibt, und schafft einen rechtsfreien Raum, in dem sogenannten ungesetzliche Kombattanten unter Missachtung der Genfer Konventionen interniert werden wie zum Beispiel in Guantanamo Bay. Hierzu beziehen selbt hochrangige amerikanische Institutionen wie der Supreme Court eine kritische Position (→ Grundsatzentscheidungen Rasul gegen Bush und Hamdan gegen Rumsfeld). Zudem ist unklar unter welchen Bedingungen der „Krieg gegen den Terrorismus“ ein Ende finden könnte. Diese Begrifflichkeit dient also den USA, um außerhalb eines verbindlichen Rechtsrahmens agieren zu können. Vor diesem Hintergrund haben sowohl amerikanische als auch internationale Kritiker die Schaffung des Military Commissions Act scharf kritisiert. Das Gesetz trat im Oktober 2006 in Kraft und gibt dem Präsidenten sehr weitreichende Vollmachten über die Behandlung von sogenannten "illegal enemy combatants".
Quellen
- ↑ The White House – Ronald Reagan
- ↑ Deutsche Übersetzung der Ansprache von George W. Bush vor dem Kongress am 21.09.2001
- ↑ UN Conventions on Terrorism
- ↑ Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945
- ↑ Powell: „Schandfleck meiner Karriere“. FAZ.net, 9.9.2005
Literatur
- Richard Jackson: Writing the War on Terrorism. Language, Politics and Counter-Terrorism. Manchester United Press, Manchester/New York 2005, ISBN 0-7190-7121-6
- Wolf Wetzel: Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach ... Unrast-Verlag, Münster 2002, ISBN 3-89771-419-1
Siehe auch
Alliance Base - Black site – Biometrie - Chronik der Attentate – Dschihad – Exilkubaner – Gezielte Tötung – Großer Lauschangriff – Guantanamo Bay – Irak-Krieg - Krieg in Afghanistan – Patriot Act – Project for the New American Century – Rasterfahndung – Selbstmordanschlag – Sturz der Taliban – Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA - Ungesetzlicher Kombattant – US-Interventionen im Ausland – Vierter Weltkrieg/Der Vierte Weltkrieg(Dokumentarfilm) – Vorratsdatenspeicherung
Weblinks
- Iraq failing to disarm. U.S. Secretary of State Powell's presentation to the UN Security Council (PDF) (Die Präsentation, welche Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem Sicherheitsrat hielt.)
- Webseite des Pentagons
- Noam Chomsky: Der Neue Krieg gegen den Terror MIT, 18. Oktober 2001
- There Is No War On Terror (AlterNet, 14.01.2006 – Interview mit Noam Chomsky)
- Florian Rötzer: Lieber keine Zahlen vom "Erfolg" im US-Krieg gegen den globalen Terrorismus (Telepolis, 16. April 2005)
- AG Friedensforschung, Universität Kassel (Sammlung von Artikeln und Dokumenten zum Thema)
- Auszüge aus Präsident George W. Bushs Ansprache vor dem Kongress vom 21. September 2001 (Übersetzung: dpa)
- Resolution 1373 des UN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 im Wortlaut (Deutscher Übersetzungsdienst) (bezieht sich auf Art.VII UN-Charta)
- Joseph Spindelböck: Moraltheologische Implikationen des „Krieges gegen den Terrorismus“ (erschienen in „Theologisches“ Jg. 33 (2003) Nr. 8/9, S.365-380)
- Birgit Gärtner: Rasterfahndung, Taser und Lizenz zum Töten – Der Hamburger Senat hat ein neues Polizeigesetz verabschiedet (Telepolis 15.12.2004)