Military Commissions Act
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Der Military Commissions Act (engl. Gesetz über Militärkommissionen) ist ein US-amerikanisches Gesetz, das den rechtlichen Status sogenannter "ungesetzlicher feindlicher Kombattanten" regelt. Es wurde am 28. September 2006 vom Kongress verabschiedet und am 17. Oktober 2006 von Präsident George W. Bush unterzeichnet, wodurch es in Kraft trat. Wegen seiner Einschnitte in fundamentale Grundrechte wurde das Gesetz bereits während seiner Entstehungsphase scharf kritisiert.
Im Wesentlichen regelt das Gesetz, dass von den Behörden als "ungesetzliche Kombattanten" eingestufte Personen von Militärkommissionen verurteilt werden können. Diese sind nicht den Verfahrensregeln eines ordentlichen Strafgerichts unterworfen, auch die Verfahrensordnung für Militärgerichte, das Gesetz über die einheitliche Militärgerichtsbarkeit (Uniform Code of Military Justice, UCMJ), ist nur zum Teil nachgebildet. Insbesondere steht den Angeklagten nur ein beschränktes Recht auf Vertretung durch einen Rechtsanwalt zu, und das Beweismaterial der Anklage muss nur in Auszügen offengelegt werden. Die Zulassung von "Hörensagen-Beweismaterial" (hearsay evidence) ist ausdrücklich zulässig.
Die Verwertung unter Folter erzwungener Aussagen ist zwar untersagt - da die USA jedoch eine eigene Definition sogenannter "scharfer Verhörmethoden" (harsh/coercive/military interrogation techniques) geschaffen haben, die offiziell nicht als Folter gelten, ist die Wirksamkeit dieses Verbots fraglich. Zudem gilt das Verbot nicht, wenn der Angeklagte von den Behörden selbst als Täter mit Folter in Verbindung gebracht wird.
Weiterhin ist festgelegt, dass "ungesetzliche Kombattanten" kein Recht haben, vor ordentlichen Gerichten der USA gegen ihre Behandlung zu klagen oder sich auf die Genfer Konventionen zu berufen. Sie können gegen eine Entscheidung der Militärkommission lediglich einen Rechtsbehelf und zwar ausschließlich vor dem Bundesappellationsgericht für DC[1] einlegen. Das Gesetz lässt jedoch offen, nach welcher Zeit gegen einen Gefangenen Anklage erhoben werden muss. Daher ist nach dem Gesetz eine unbegrenzte Haftdauer ohne Anklageerhebung oder Prozess möglich. Dabei hätte die inhaftierte Person keinerlei Recht, auf irgendeine Art gegen diese Behandlung vorzugehen.
Das Gesetz zielt grundsätzlich auf Personen, die nicht Staatsbürger der USA sind - es besteht jedoch Konsens unter amerikanischen Juristen, dass es zum Teil auch auf US-Bürger anwendbar ist.
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[Bearbeiten] Anwendbarkeit auf US-Bürger
Es ist unter Juristen umstritten, in welchem Umfang das Gesetz auf US-Bürger anwendbar ist. Die prinzipielle Anwendbarkeit ergibt sich aus der Definition des "illegal enemy combatant": Nach Abschnitt 948a(1) des Gesetzes ist ein "ungesetzlicher feindlicher Kombattant" (unter anderem) wie folgt definiert:
(i) a person who has engaged in hostilities or who has purposefully and materially supported hostilities against the United States or its co-belligerents [...] (eine Person, die sich an feindlichen Aktivitäten gegen die USA oder ihre Verbündeten beteiligt hat oder diese absichtlich und materiell unterstützt hat [...])
Nach vorherrschender Ansicht[2][3][4] ist diese Formulierung auch auf US-Bürger anwendbar, was der Kongress auch explizit bestätigt habe. Zudem sei der Begriff "feindliche Aktivitäten" im Gesetz selbst nicht definiert und daher von der Regierung frei auslegbar (sogenannte Generalklausel). Das Gesetz erlaube der Regierung daher, beliebige Personen (auch US-Bürger) zu inhaftieren und unter den oben angeführten Bedingungen von einem Militärgericht verurteilen zu lassen. Die Bedeutung für US-Bürger wird allerdings dadurch begrenzt, dass die Einschränkung des Rechts auf Haftprüfung (Habeas Corpus) in Abschnitt 7 des Gesetzes auf Ausländer (aliens) beschränkt ist. Daher hätte ein US-Bürger in jedem Stadium das Recht, seine Inhaftierung unter dem Gesetz durch ein Zivilgericht überprüfen zu lassen. Die Anwendbarkeit auf US-Bürger ist nach anderen Meinungen[5] auch durch Abschnitt 948(b) eingeschränkt, weil die Zuständigkeit der Militärgerichte dort ausdrücklich auf Ausländer beschränkt wird. Die Möglichkeit der Inhaftierung von Amerikanern als "illegal enemy combatant" sei dadurch allerdings nicht beeinträchtigt.
Dieser Aspekt ist auch insofern relevant, als die US-Regierung in der Vergangenheit bereits mehrere US-Bürger als "ungesetzliche Kombattanten" inhaftiert hat (z.B. Jose Padilla, John Walker Lindh).
Unter den vollen Anwendungsbereich des Gesetzes fallen - neben allen Ausländern - sowohl die etwa fünf Millionen illegal in den USA lebenden Emigranten als auch Green Card-Inhaber, da sie nicht die US-Staatsbürgerschaft besitzen.
[Bearbeiten] Kritik
Nach Ansicht einer Vielzahl von Kritikern steht das Gesetz im Widerspruch zur amerikanischen Verfassung, da es unter anderem das verfassungsmäßige Grundrecht des Einzelnen auf Schutz vor ungerechtfertigter Beschuldigung durch den Staat (Habeas Corpus) außer Kraft setzt. Die Verabschiedung des Gesetzes wurde in weiten Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit mit Empörung aufgenommen und vielfach als Verfassungsbruch bezeichnet: So hieß es in einem Kommentar des Fernsehsenders MSNBC, das Gesetz bilde den "Anfang vom Ende Amerikas" (Beginning of the end of America)[6]. Die New York Times schrieb: "Und es [das Gesetz] fegt die Grundpfeiler des Justizsystems auf eine Weise beiseite, die jeder Amerikaner bedrohlich finden sollte" (And it chips away at the foundations of the judicial system in ways that all Americans should find threatening)[7].
Nach weitverbreiteter Ansicht[8], unter anderem von diversen Menschenrechtsorganisationen[9], sind die nach dem Military Commissions Act erlaubten "speziellen Verhörmethoden" als Folter zu bewerten. Das Gesetz wird auch vor diesem Hintergrund scharf kritisiert.
[Bearbeiten] Entstehung des Gesetzes
Nachdem das amerikanische oberste Gericht (Supreme Court) die Behandlung von im Krieg gegen den Terror gefangenen Personen durch die US-Regierung in mehreren Präzedenzfällen (u.a. Hamdan gegen Rumsfeld) für ungesetzlich befunden hatte, befand sich die Bush-Regierung in einem Dilemma. Das Gesetz wurde daher mit dem Zweck geschaffen, die bis dahin weithin betriebene Praxis des unbegrenzten und ungesetzlichen Festhaltens als "feindlich" eingestufter Ausländer auf eine legale Basis zu stellen. Damit machte die Regierung faktisch Praktiken zum Gesetz, die das oberste Gericht zuvor als grundsätzlich illegal bewertet hatte.
[Bearbeiten] Zitate
Der Wortlaut des Gesetzes ist so vage, dass die Definition von "terroristischen Aktivitäten", und ob sie gegen US-Bürger verwendet werden kann, in der königlichen Entscheidungsbefugnis von George W. Bush bleibt. (So vague are the law's words that what constitutes "terrorist activity" and whether it can be used against U.S. citizens remain with the monarchical power of George W. Bush to decide.) Ralph Nader, Rechtsanwalt und ehemaliger US-Präsidentschaftskandidat[10]
Es ist zu erwarten, dass Bush den 11. September auch weiterhin dazu missbrauchen wird, uns noch weitere Freiheiten zu nehmen. Unser verfassungsmäßiges Recht auf eine abweichende Meinung ist ernsthaft gefährdet. (We can expect Bush to continue to exploit 9/11 to strip us of more of our liberties. Our constitutional right to dissent is in serious jeopardy.) Marjorie Cohn, Vorsitzende der amerikanischen Rechtanwaltsvereinigung "National Lawyers Guild"[11]
- ↑ United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit
- ↑ Marjorie Cohn: Military Commissions Act: Unintended Consequences? www.legalnews.tv, 30. September 2006
- ↑ Jack M. Balkin: Does the Military Commissions Act apply to citizens? Persönliche Blog-Seite des Jura-Professors Jack M. Balkin, 29. September 2006
- ↑ Robert A. Levy: Does the Military Commission Act Apply to U.S. Citizens? Cato-Institut, 2. Oktober 2006
- ↑ Robert A. Levy: Does the Military Commission Act Apply to U.S. Citizens? Cato-Institut, 2. Oktober 2006
- ↑ Keith Olbermann: Beginning of the end of America., MSNBC, 19. Oktober 2006
- ↑ A Dangerous New Order. New York Times, 19. Oktober 2006
- ↑ Reymer Klüver: USA lockern Folterverbot. Süddeutsche Zeitung, 29. September 2006
- ↑ Pressemitteilung von Amnesty International: Congress rubber stamps torture and other abuses
- ↑ Ralph Nader:The End of Habeas Corpus and the Belligerent Despot-in-Chief. www.counterpunch.com, 23. Oktober 2006
- ↑ Marjorie Cohn: Military Commissions Act: Unintended Consequences? www.legalnews.tv, 30. September 2006