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Erziehung

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Erziehung und erziehen (lt.Duden von ahd. irziohan = herausziehen) bedeutet, jemandes Geist und Charakter zu bilden und seine Entwicklung zu fördern.
Erziehung heißt Sozialisationshilfe, Enkulturationshilfe und dient dem Aufbau der Persönlichkeit und der Ausbildung eines Individuums.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Definition

  1. Die mehr oder weniger zielgerichtete Etablierung erwünschter Verhaltensweisen, Werte und Normen bei Kindern und Jugendlichen und damit verbunden auch das Setzen von Grenzen. Ziel der Erziehung ist es, ihnen ihren Platz in Sozialen Gruppen (zum Beispiel die Familie) zuzuweisen und später, um sie an das Leben und Überleben in der Gesellschaft anzupassen („fit for life“). Entscheidend ist, dass Erziehung immer nur im sozialen Kontext - also durch andere Individuen - stattfinden kann, und anders als Bildung ausschließlich für die Orientierung im sozialen Umfeld nützlich ist. Dennoch ist eine scharfe Abgrenzung zwischen Bildung und Erziehung nicht immer möglich und sinnvoll. Oftmals werden Bildungsinhalte in einen gesellschaftlichen Kontext gerückt, so dass diese wiederum zunächst zur Erziehung werden (z. B. Hände waschen nach der Toilette). In vielen Sprachen gibt es deshalb auch nur ein Wort für beide Begriffe, z. B. das englische „education“. Bei Erwachsenen wird der Begriff Erziehung im Allgemeinen nicht mehr als Prozess verstanden, da man davon ausgehen sollte, dass die Entwicklung des Erwachsenen soweit abgeschlossen ist. Man verwendet hier den Begriff Erwachsenenbildung, wenn man von Weiter- und Fortbildung spricht.
  2. Die eigene Erziehung, also die Verhaltensweisen, Werte und Normen, die uns Eltern, Verwandte, Schule und andere pädagogische Einrichtungen als Prägung auf den Weg ins Erwachsenenleben mitgegeben haben. Manchmal besteht die Selbsterziehung auch in bewusster Abkehr vom bisherigen Weg - siehe z. B. Umkehr oder Wende.
  3. Die Ausbildung spezieller Fähigkeiten, wenn sie als Suffix auftaucht, z. B. in Musikalische Erziehung, Sportliche Erziehung, Verkehrserziehung.
  4. Das Heranziehen von Tieren zu einem erwünschten Verhalten (siehe auch Dressur) oder von Nutzpflanzen zu einem günstigen Wuchs.

[Bearbeiten] Nähere Erläuterung

Im Folgenden sind Methoden und Bedingungen von Erziehung unter modernen pädagogischen (erziehungswissenschaftlichen) Gesichtspunkten dargestellt.

In der Pädagogik versteht man unter Erziehung das absichtliche (also nicht im Affekt getätigte) Bereitstellen oder Ausnutzen von Lernmöglichkeiten. Dabei geht man bewusst, planvoll, methodisch und zielgerichtet vor und kann dieses Vorgehen auch verantworten. Das heißt, der Erziehende macht sich vorher darüber Gedanken, was er erreichen möchte. Er überlegt die Erziehungsziele, die zu ihrer Realisierung geeigneten Methoden und kann auch begründen, warum dieses Vorgehen nötig ist.

Dieser Vorgang geschieht grundsätzlich in personaler Interaktion. Das heißt, der Erzieher reagiert auf ein Verhalten des Zu-Erziehenden (früher auch: „Zögling“) und/oder umgekehrt. Die dabei entstehende Wechselwirkung (keine Manipulation) zwischen Erzieher und zu Erziehendem bzw. zu Erziehenden unterscheiden die Erziehung von der bloßen Konditionierung oder einer Abrichtung.

Voraussetzung für das Gelingen von Erziehung ist ein Vertrauensverhältnis und eine gewisse Autorität (die früher mehr als heute betont wurde) sowie das Eingebundensein in die jeweilige Peer Group. Ohne diese Voraussetzungen ist der Jugendliche auf sich allein gestellt, und kann bei ungünstigen Voraussetzungen in eine soziale Abwärtsspirale geraten, die ihn, je nach Veranlagung bis in die Kriminalität oder die psychiatrische Anstalt führen kann.

In einer alternativen, von Wolfgang Brezinka präferierten Definition werden unter Erziehung Handlungen verstanden, mit deren Hilfe versucht wird, andere Menschen dahin gehend zu beeinflussen, dass ihr Gefüge der psychischen Dispositionen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft verbessert wird, oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten. Andererseits soll auf diese Weise die als schlecht bewertete Entstehung von Dispositionen verhütet werden.

[Bearbeiten] Erziehungsmittel

Das klassische Erziehungsmittel ist die Gewöhnung wie Einübung, Erziehen durch Vorbildfunktion, Belohnung und Bestrafung. Im modernen Sinn versteht man jede Form von positiven Rückmeldungen (Belohnung) und negative Sanktionen (im Sinne von Druckmitteln) als Erziehungsmittel. Die Wahl der Erziehungsmittel kann nicht wertfrei sein, weil die Anwendung von Erziehungsmitteln immer das Interesse des Erziehenden zu den Interessen des zu Erziehenden in eine wertende Beziehung setzt. Ungeachtet dessen versuchen soziologische Felduntersuchungen über Erziehungspraktiken gesellschaftlicher Gruppen und experimentelle Untersuchungen die Folgen von Erziehungspraktiken und den Einsatz von Erziehungsmitteln für das Individuum herauszufinden.

[Bearbeiten] Erziehungsnormen

Normen sind Sollensforderungen, die einen religiösen bzw. weltanschaulichen, gesellschaftlichen oder sachlichen Ursprung haben. In der Regel sind Normen der verschiedenen Herkunft miteinander verknüpft und verschränkt. Normen geben jedoch Handlungsrichtungen und Handlungsverpflichtungen an, ohne einzelne Handlungen festzulegen.

Die Frage der Normen ist besonders bei der Erziehung von Interesse. Die jeweils gültigen Normen sollen vom zu Erziehenden verinnerlicht und so zur Richtschnur seines Handelns werden. Gelingt dieser Prozess, verhält sich ein Individuum im Sinne dieser Normen konform.

Das Konzept des mündigen Bürgers beinhaltet allerdings, das jedes Individuum die Verantwortung dafür trägt, ob es sich blind im Sinne dieser Normen verhält oder selbst diese Normen auf ihre Legitimität überprüft und gegebenenfalls diese Normen bricht. Hintergrund dieses Konzepts sind u.a. die Erfahrungen mit gesellschaftspolitischen Normen in der Zeit des Nationalsozialismus. Es erfordert einen allgemeingültigen Maßstab. In der westlichen Welt gelten christliche Werte (Du sollst Deinen Nächsten Lieben wie Dich selbst) und vereinbarte Werte (Menschenrechte). Auch die Philosophie stellt im kategorischen Imperativ (Kant) eine solche oberste Handlungsmaxime auf. Diese obersten Handlungsmaximen können jedoch auf der Ebene des konkreten Tuns zu ganz unterschiedlichen, zum Teil gegensätzlichen Handlungen führen.Ein solches Konzept führt zu Problemen,
1. wenn einzelne Mitglieder Normen für sich nicht anerkennen oder anders interpretieren. In diesem Fall kann die Staatsform (Demokratie, Rechtsstaat) Verfahren bereitstellen. Es entstehen ebenfalls Probleme,wenn
2. unterschiedliche Normkonzepte aufeinandertreffen.

Ein praktisches Beispiel für den ersten Fall ist die Bewegung des Unschooling oder die des Homeschooling. Die unterschiedliche Auffassung von Elternrecht und staatlichem Recht stehen gegeneinander.

Ein praktisches Problem für den zweiten Fall ist die Erteilung nichtchristlichen Religionsunterrichtes an deutschen Schulen. Einerseits besteht nach dem GG Artikel 7 ein grundsätzlicher Anspruch auch nichtchristlicher Religionsgemeinschaften auf Erteilung eines Religionsunterrichts in Übereinstimmung mit ihren Glaubensgrundsätzen, andererseits der Anspruch des Staates, dass jeder Unterricht den Bedingungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung genügen muss, d.h. den Normen der BRD, die im GG festgelegt sind. Es bleibt abzuwarten, wie sich die jetzt gefundene politische Lösung: den nichtchristlichen Religionsunterricht von verbeamteten Lehrern, die auf das Grundgesetz vereidigt sind und damit normenkonformen nichtchristlichen Religionsunterricht mit ihrer Person in ihrem Unterricht garantieren sollen, in der Praxis bewährt.

[Bearbeiten] Erziehungsstile

Des Weiteren wird zwischen verschiedenen Erziehungsstilen unterschieden. Unter einem Erziehungsstil versteht man Methoden und Grundsätze, sowie den theoretischen Hintergrund, nach denen man eine Erziehung (meist die Kindererziehung) aufbaut. Die Beschreibung verschiedener Erziehungsstile besteht in der Übertragung von Führungsstilen auf das Verhalten in Erziehungsprozessen. Analog werden auch hier drei Hauptstile (kursiv geschrieben) unterschieden, wobei noch zwischen weiteren vier unterschieden wird.

  1. Autokratischer Erziehungsstil: Bei dem autokratischen Erziehungsstil wird gegenüber dem Educandus (= zu Erziehender) ein hohes Maß an Autorität ausgeübt. Eine mögliche Eigeninitiative und die Meinung des zu Erziehenden wird unterdrückt bzw. nicht berücksichtigt.
  2. Autoritärer Erziehungsstil: Der autoritäre Stil, der mit einem interventionalen Erziehungsbegriff einhergeht, setzt stark auf die Erziehungsmittel Belohnung und Bestrafung und weniger auf Überzeugung, vermittelt aber meist Sicherheit, die aber erst durch diese Erziehungsweise notwendig wird. Erziehungsmaßnahmen sind oft undurchsichtig und erwartungsgemäß kaum durch demokratische Meinungsbildungsprozesse legitimiert. Die Meinung des zu Erziehenden wird zwar akzeptiert, zum Schluss bestimmt jedoch der Educans (= Erzieher), der erst später in den Hintergrund tritt.
  3. Demokratischer Erziehungsstil: Ein demokratischer Erziehungsstil lässt sich mit dem reformpädagogischen Erziehungsbegriff verbinden. Hier spielt Konsens beim Einsatz von Erziehungsmaßnahmen eine größere Rolle. Erziehungshandeln soll für alle Beteiligten transparent sein. Der zu Erziehende wird als ernster Gesprächspartner betrachtet und soll mit steigendem Alter selbstständiger und eigenverantwortlicher handeln. Die Notwendigkeit, manchmal Grenzen zu setzen, wird im Regelfall besprochen.
  4. Egalitärer Erziehungsstil: Innerhalb des egalitären Erziehungsstils haben Erzieher und zu Erziehender die selben Rechte und Pflichten. Die Meinung des zu Erziehenden wird nicht nur eingeholt und berücksichtigt, sondern besitzt das gleiche Gewicht wie die des Erziehenden.
  5. Permissiver Erziehungsstil: Der permissive Erziehungsstil ist eine gemäßigte Form des laissez-faire-Erziehungsstils. Der Erziehende hält sich bei der Erziehung eher zurück, ein Setzen von Grenzen findet nur selten statt.
  6. Laisser-faire Erziehungsstil: Der laissez-faire Erziehungsstil korrespondiert mit dem antipädagogischen Erziehungsbegriff. Erziehung wird hier als eine nicht legitime Maßnahme gegenüber Kindern aufgefasst und dementsprechend unterbleiben zielgerichtete Erziehungsmaßnahmen.
  7. Negierender Erziehungsstil: Beim negierenden Stil kann nicht von bewusster Erziehung gesprochen werden; das Verhalten des zu Erziehenden wird vom Erzieher nicht beeinflusst. Es bestehen keine Erziehungsmaßnahmen und kein Interesse gegenüber der Entwicklung des zu Erziehenden.
Erziehungsstile von „sehr streng“ bis „sehr locker“
autokratisch autoritär demokratisch egalitär permissiv laissez-faire negierend

In der Praxis ist die Unterscheidung eines Erziehungsstils und der damit verbundenen Erziehungsmethoden nicht eindeutig, da zum einen nicht immer eine klare Trennung der Erziehungsstile möglich ist, zum anderen, weil häufig Mischformen auftreten. So kann es zum Beispiel sein, dass Erzieher mit überwiegend demokratischem Stil in einigen Bereichen autoritäre Methoden anwenden.


Innerhalb der Psychologie wird nach Baumrind zwischen den zwei verschiedenen Dimensionen Kontrolle und Responsivität in Bezug auf die Erziehungsstile unterschieden. Daraus ergeben sich vier verschiedene Erziehungsstile:

  1. autoritärer Erziehungsstil: zeichnet sich durch hohe Kontrolle und geringe Responsivität aus. Die Erzieher sind hierbei dem zu Erziehenden gegenüber sehr zurückweisend und stark kontrolliernd. Es werden strenge Regeln aufgestellt und die Autorität darf nicht hinterfragt werden. Bei unerwünschtem Verhalten wird harte Bestrafung angewendet (auch physisch). zahlreiche Studien haben gezeigt, dass autoritär erzogene Kinder eher später selbst zu Aggressionen neigen, sich durch eine geringe soziale Kompetenz und ein geringes Selbstwertgefühl auszeichnen.
  2. autoritativer Erziehungsstil: zeichnet sich durch hohe Kontrolle und hohe Responsivität (Akzeptanz) der Erziehenden aus und kann deshalb als kinderzentrierter Erziehungsstil bezeichnet werden. Die Eltern haben hohe Erwartungen an das kindliche Verhalten, sie setzen klare Standards und Regeln, auf deren strikte Einhaltung geachtet wird. Generell herrscht eine offene Kommunikation, wobei der kindliche Standpunkt geachtet, der eigene aber auch vertreten wird. Die Kinder zeigen eher hohe Kompetenzen (sozial und intellektuell) und besitzen ein hohes Maß an Eigenkontrolle (Selbstregulation).
  3. permissiver Erziehungsstil (nachsichtig): hierbei herrscht Akzeptanz und Responsivität vor und die Kontrolldimension wird niedrig gehalten. Die Erziehenden zeichnen sich durch hohe Toleranz und Akzeptanz des kindlichen Verhaltens aus. Es wird selten Kontrolle/Bestrafung ausgeübt. Die Kinder weisen eher aggressives Verhalten auf, eine geringe Impulskontrolle und einen Mangel an Selbstverantwortungsbewusstsein.
  4. vernachlässigender Erziehungsstil: hierbei verhalten sich die Eltern zurückweisend und nicht kontrollierend. Das Ausmaß, indem sich die Eltern für das Kind verpflichtet fühlen ist sehr gering, sie investieren nur minimale Kosten an Zeit und Anstrengungen in das Kind und sind sehr stark distanziert. Insgesamt kann dieser Erziehungsstil als der für ein Kind am unangenehmsten bezeichnet werden. Dies kann unter anderem darin resultieren, dass die Kinder Störungen im Bindungsverhalten aufweisen, starke Defizite in verschiedenen Bereichen (Selbstwert, Selbstkonzept, intellektuelle Entwicklung) haben. Auffallend ist der geringe Grad der Selbstkontrolle und die mangelnde Aggressionskontrolle.

[Bearbeiten] Begriffs- und Problemgeschichte

In früherer Zeit wurde Erziehung als Einweisung in Religion, Brauchtum und Sitte der Bezugsgruppe/Gesellschaft verstanden. Mit der Industrialisierung veränderte sich die Gesellschaft und damit entsteht die Bemühung, die Entwicklung der Gesellschaft bewusst zu planen. Der Bürger wird als Subjekt gesehen, das autonom seine Geschäfte führt und frei seine Verträge schließt. Damit ist aber auch das Grundproblem der Erziehung vorgegeben: Die Definition der Beziehung von Individuum und Gesellschaft und die Bewertung seiner Handlungsfähigkeit. In der weiteren Entwicklung wurde Erziehung immer mehr auf das Verhältnis Erzieher - Zögling und die Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung eingeengt. Heute wird Erziehung häufig als Sammelbezeichnung für das ganze System methodischer und planmäßiger Maßnahmen betrachtet, die individuell oder gesamtgesellschaftlich eingesetzt werden.

[Bearbeiten] bürgerlicher Erziehungsbegriff

Die bürgerliche Erziehungstheorie hat sich immer wieder Vorstellungen über die Erziehung der „niederen Stände“ gemacht, um die aus dem Gegensatz von Arbeit und Kapital resultierenden Forderungen nach Arbeitsteilung in Kopf- und Handarbeit (blue-/white-collar Jobs) Rechnung zu tragen. Gesellschaftstheoretiker (z.B. John Locke, Auguste Comte, Sextro, Rochow) hielten die auch als „preußische Sekundärtugenden“ bezeichneten Erziehungsziele (Tugenden): Disziplin (Fleiß und Gehorsam), Religion und Gesetzestreue für angemessene Erziehungsziele der unteren Klassen. Konsequent planten sie auch eigene Erziehungsinstitutionen für die Unterschicht: Industrieschulen, Volksschulen, Arbeitsschulen, Fabrikschulen. Körperliche Bestrafung war hier leider lange genug gang und gäbe, bis sie geächtet wurde. Auch mussten Kinder zu Zeiten von Hitler schwere körperliche Arbeit verrichten, damit sie sinnvoll beschäftigt waren und keine Dummheiten anstellten. Sie wurden auch in der FDJ und der Hitlerjungend aus- und weitergebildet.

[Bearbeiten] Erziehung und Emanzipation

Wie über schichtenspezifische Erziehungsformen entwickelten sich in der bürgerlichen Erziehung auch Gedanken unter dem Neuhumanismus, der Aufklärung und des deutschen Idealismus. Emanzipation sollte nicht nur die eigene Klasse fördern, sondern letztlich allen Menschen dazu verhelfen, sich selbst zu finden, sich voll zu entfalten und ihr Leben bewusst planen zu können (Fichte, Kant, Pestalozzi, Rousseau). Erziehung wurde als Motor für jede gesellschaftliche Veränderung gesehen. Diese Gedanken wurden von konservativen Vertretern der bürgerlichen Erziehung und von Vertretern der schichtenspezifischen Erziehung bekämpft. Dieser Kampf findet auch heute noch statt, wenn es um den Erhalt des gegliederten Schulsystems geht, um die Einführung der Gesamtschule als ersetzende Schulform oder die Verlängerung der Grundschulzeit. Auch ein flächendeckendes Netz von Ganztagsschulen ist in der Diskussion / im Aufbau.

[Bearbeiten] weitere Erziehungsbegriffe

Eine in der Wissenschaft als alternative, wert- und zielfreie bezeichnete Definition von Erziehung stammt von Wolfgang Brezinka: „Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten“ (Brezinka, 1981, S. 95).

Die Systemtheorie betrachtet Erziehung gemäß der Definition als Interaktion als permanente gegenseitige Beeinflussung von Individuen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Beeinflussung bewusst und planvoll, oder außerbewusst und zufällig (möglicherweise sogar gegenläufig) stattfindet. Damit gerät in den Blick, dass nicht nur die geplanten Erziehungsaktivitäten wirken, sondern ebenso der gesamte Kontext, in dem diese Aktivitäten stattfinden am Ergebnis der Erziehung beteiligt ist und dass dieser Kontext auch dann wirkt, wenn gar keine geplanten Erziehungsaktivitäten stattfinden. Aus dieser Sicht ist es a) nicht möglich nicht zu erziehen (Interaktion findet immer statt) und b) ist Erziehung ein lebenslanger Prozess (Individuen sind bis zum Tode Beeinflussungen mit Wirkung ausgesetzt). Aus einem Lehrbuch der 70er Jahre: Erziehung ist eine von Liebe getragene Einwirkung auf das sich entwickelnde Kind.

[Bearbeiten] Kritik traditioneller Erziehung / Anti-Erziehung

Die Kritik der Erziehung wendet sich insbesondere gegen nicht kindgerechte Methoden von Erziehung. Der Begriff des unbedingten Gehorsams stößt nach den Erfahrungen des Dritten Reichs auf vehemente Ablehnung und markiert ein Ende preußischer Erziehungsideale.

Die aus der Auseinandersetzung mit der Nazizeit und dem Protest gegen den Vietnamkrieg entstandene Protestbewegung der 68er-Generation führte in ihrem Verlauf auch zur antiautoritären Erziehung, einer Strömung, die radikal jegliche autoritären Methoden in der Erziehung ablehnte, da sie zur „autoritären Persönlichkeit“ führen könne.

Die neuere Kritik stellt die Notwendigkeit von Grenzen dagegen nicht in Frage, verurteilt aber umso schärfer Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche - ein Trend, der sich seit 1970 durch die Enttabuisierung der Kindesmisshandlung zeigt und in Deutschland 2000 darin gipfelte, dass Schlagen von Kindern gesetzlich verboten wurde (Kindesrecht auf eine Erziehung ohne Gewalt).

Als tieferer Hintergrund wird angenommen, dass am Verhalten der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft eine bislang unbeachtete Frontlinie verläuft, an der sich persönlicher und gesellschaftlicher Druck entlädt. Demzufolge seien alle Verhaltensweisen zu verurteilen, die auf subtilem Wege das systematische Auslöschen des kindlichen Willens verfolgen. Dieses im 18. bis 19. Jh. vielfach noch offen verfolgte Ziel wird heute als schwarze Pädagogik gebrandmarkt.

[Bearbeiten] Kritik der Erziehung

Jedem Erziehungsbegriff liegt ein Manipulationsideal zugrunde, das heißt die Erzieher und die Erziehungswissenschaftler unterstellen, es gäbe bestimmte Methoden, getrennt von Wissen und Einsichten im Denken der Zöglinge, die zur Ausbildung verschiedener gewünschter Persönlichkeitseigenschaften führen würden. Das Menschenbild, von dem dabei ausgegangen wird, enthält die Voraussetzung, dass dem Individuum (quasi genetisch) ein Bedürfnis nach Orientierung und Moral innewohne, welches durch Erziehung befriedigt werden müsse. Der Begriff der Erziehung bezieht aus diesem Menschenbild - insofern quasi „automatisch“ - die Legitimation seiner Anwendung. Jenseits einer solchen interessegeleiteten Begriffskonstruktion erweist sich aber, dass bei Erziehung sehr alltagspraktische Gegensätze zwischen Erziehern und den zu Erziehenden ausgetragen werden - in der Regel ohne vernunftgeleitete Debatten über Gründe und Erklärungen - um bestimmte bei den Zöglingen erwünschte Verhaltensweisen durchzusetzen bzw. ihnen die Übernahme der jeweils gewünschten Moral nahezulegen. Insofern spielen die Theorien der Erziehung am Ende bei der Erziehungspraxis eine rein ideologische Rolle, je nach dem unter welchen „höheren moralischen Gesichtspunkten“ und für welche aktuellen gesellschaftlichen Zwecke und Ideale die Erziehung jeweils gerechtfertigt werden soll.

[Bearbeiten] Zitate

„Denn wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen:/ So wie Gott sie uns gab, so muss man sie haben und lieben, / Sie erziehen aufs beste und jeglichen lassen gewähren.“

Johann Wolfgang von Goethe

„Das Schleifen tut weh. Hat einer aber seinen Schliff weg, ist er meist stolz auf seine Qualitätsverbesserung.“

Fritz Wöss: Hunde, wollt ihr ewig leben

„Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.“

Mark Twain

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Rudolf Dreikurs, Vicki Soltz: Kinder fordern uns heraus, Klett-Cotta : Stuttgart 13. Aufl. 2004, ISBN 3608942777
  • Annette Kast-Zahn: Jedes Kind kann Regeln lernen, Oberstebrink : Ratingen 2003, ISBN 393433315X
  • Remo H. Largo: Babyjahre, Piper : München 11. Auflage 2001, ISBN 3492233198
  • Ingo Nickel: Keine Erziehung. Nirgends, Schibri: Berlin 2000, ISBN 3-933978-22-X
  • Anne Pulkkinen: PEKiP: Babys spielerisch fördern, Gräfe & Unzer : München 2005, ISBN 3774274185
  • Andreas Dutschmann: Das Konfliktlösungstraining für Eltern und Pädagogen (KLT), verlag modernes lernen: Dortmund 2005, ISBN 3938187069

[Bearbeiten] Weblinks

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