Zachäus
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Zachäus war ein jüdischer Zollbeamter aus Jericho. Das Neue Testament der Bibel erzählt von seiner Begegnung mit Jesus von Nazaret (Lk. 19, 1-10).
Zachäus wird als "Oberster der Zöllner" und "Reicher" vorgestellt. Im Kontrast dazu war er "klein von Gestalt" und kletterte auf einen Maulbeerbaum, um den von einer Volksmenge erwarteten Einzug Jesu in die Stadt beobachten zu können. Völlig überraschend begrüßt Jesus ihn im Vorbeigehen mit seinem Vornamen und kehrt dann in seinem Haus ein. Die Zeugen aus der Menge murren darüber: "Bei einem Sünder ist er eingekehrt." Aufgrund dieser Erfahrung ändert Zachäus sein ganzes bisheriges Leben und gelobt vor Gott, die Hälfte seines Besitzes an die Armen zu geben sowie geraubtes Gut vierfach zu erstatten. Jesus beantwortet dies mit der Heilszusage für seine Familie und bekräftigt: "Denn auch er ist Abrahams Sohn. Denn des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist."
Diese Episode veranschaulicht einen Grundzug der Verkündigung Jesu, der sich gerade den damals in Israel verachteten Gruppen zuwandte. "Zöllner" wurden von den Römern eingesetzt, um Tribute und Abgaben von der jüdischen Bevölkerung einzutreiben. Sie waren als Kollaborateure mit der Besatzungsmacht verhasst und wurden gesellschaftlich isoliert. Sie bestritten ihren eigenen Lebensunterhalt oft durch überhöhte Forderungen und Unterschlagung, um so einen bescheidenen Wohlstand - der damals jedoch weit über dem Durchschnittseinkommen lag und insofern als "Reichtum" galt - zu erlangen. Dies wiederum verstärkte die Ablehnung im Volk, die sie erfuhren. Auch in religiöser Hinsicht galten sie als "Sünder", die mit Raub und Beihilfe zum Raub die überlieferte Tora übertraten und sich am Volk Gottes vergingen.
Jesu unerwartete Hinwendung zu diesem Personenkreis kann als Zeichen für seine gesamte Heilsbotschaft und das Ziel seiner Sendung gelten. Manche Pharisäer lehnten seine Gastmähler mit "Zöllnern und Sündern" strikt ab. Ihnen gegenüber soll er nach dem älteren Markusevangelium gesagt haben: "Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten." Damit erklärte er einerseits die Pharisäer für ohnehin "gerecht", andererseits die Reichen für "schwach".
Dabei gehörte er als mittelloser Galiläer selbst zu den Ärmsten der Armen. Bei seiner Ankunft in Jericho, das auf dem Weg nach Jerusalem lag, hatte er wohl schon einen Ruf als Prophet des Reiches Gottes und Wunderheiler gewonnen, der ihm auch im Südreich Juda vorauseilte. Die Einkehr bei Zachäus zeigt, wie Jesus die "Sünder" berief: indem er ihre Isolation durchbrach und ihnen als ihr Gast Gottes Gegenwart schenkte. Der Konflikt zwischen Arm und Reich, den gerade der Evangelist Lukas hervorhebt, wird durch die unerwartete Begegnung zwischen dem Messias der Armen und dem Vertreter der reichen jüdischen Oberschicht, die von der Ausbeutung der armen Mitjuden lebte, überwunden: Der Reiche gibt freiwillig sein geraubtes Gut zurück. Daraufhin nimmt Jesu Heilszusage ihn wieder in das Volk Gottes auf. Damit erfüllte er seine Sendung zu den "verlorenen Schafen des Hauses Israel" (Mt. 10, 5).
Der Text gehört zu den Stoffen, die nur das Lukasevangelium überliefert (das sogenannte Sondergut) und stellt - ähnlich wie die Geschichte vom "verlorenen Sohn" (Lk. 15, 11-32) - ein Grundmotiv der lukanischen Theologie dar. Damit wollte der Verfasser unüberhörbar zugleich die Reichen seiner Gemeinde ermahnen, ebenfalls "die Hälfte" ihres Besitzes abzugeben.
Das Thema Arm und Reich spielt auch sonst bei Lukas eine große Rolle. So stellt er im Lobgesang der Maria, in der Antrittspredigt Jesu, in seiner Feldrede, in der Lazarusgeschichte u.a. die soziale Gerechtigkeit und Revolution, die der Messias Israels bringen wird, ganz in den Vordergrund. Die Jerusalemer Urgemeinde stellt er als kommunistisches Ideal vor, wo alles allen gehörte (Apg. 2, 44f): "Sie... besaßen alles gemeinsam." Damit folgten die Urchristen Jesu Ruf an seine Nachfolger, alles aufzugeben.
Doch in der Zachäusgeschichte wird das Gemeineigentum bereits abgeschwächt zum "innergemeindlichen Besitzausgleich" (Wolfgang Stegemann): Der Reiche sollte nicht mehr alles, sondern nur noch die Hälfte seines Besitzes aufgeben, wenn er Christ wurde. Doch so bewahrten die Christen der 2. Generation das Ziel einer Überwindung der ungerechten Verhältnisse, die Gottes ganzes Volk spalteten, auch in der Völkermission im Römischen Reich.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Luise Schottroff, Wolfgang Stegemann: Jesus von Nazareth, Hoffnung der Armen, Kohlhammer Verlag, Urban TB Nr. 639, 3. Aufl. 1990, ISBN 3170111965