Homo oeconomicus
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Das Konzept des Homo oeconomicus versteht den Menschen als Träger individueller Präferenzen, anhand derer er unter Ausnutzung aller verfügbaren Informationen seine Entscheidungen trifft. Jede Handlung des Homo oeconomicus werde allein durch die Maximierung des persönlichen Nutzens auf Basis rationaler Überlegungen determiniert.
Der Begriff ist eine humoristische Anspielung auf das biologische Taxon (Gruppe) Homo sapiens.
In den Sozialwissenschaften, insbesondere der Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften, zentral in der Neoklassischen Theorie, werden Ansätze, die in ihren Grundannahmen auf das Menschenbild des Homo oeconomicus aufbauen, als Rational-Choice-Ansätze bezeichnet. In den Wirtschaftswissenschaften werden die Akteure in der Regel als egozentrische Nutzenmaximierer modelliert, das heißt, es werden sehr spezifische Annahmen über die Präferenzen des Homo oeconomicus gemacht. Dies wird für viele Fragestellungen, in denen widerstreitende Interessen auftreten, als sachgerechte und praktikable Vereinfachung akzeptiert. Insbesondere die experimentelle Ökonomik und die Evolutions- und Verhaltensökonomik, befassen sich mit beschränkt rationalen Verhaltensmustern des Menschen, deren Gründe unter anderem in der Komplexität der Entscheidungssituationen (Informationsbewertung, Bildung von Zukunftserwartungen etc.) liegen. Ralf Dahrendorf hat analog dazu für seine Rollentheorie den Begriff Homo sociologicus geprägt und verwendet.
Der Homo oeconomicus wird oftmals als unsoziales oder amoralisches Wesen gesehen. Auch Täuschung und Betrug liegen innerhalb des Spektrums rationaler Handlungsweisen zum eigenen Vorteil. Jedoch lassen sich auch nicht-egozentrische Präferenzen modellieren; das allgemeine Konzept des Homo oeconomicus nimmt Präferenzen als gegeben hin und macht keine Annahmen über ihren konkreten Inhalt.
Obwohl Adam Smith als geistiger Vater des Homo oeconomicus gilt, findet sich der englische Ausdruck economic man erst 1888 in John Kells Ingrams „A History of Political Economy“; den lateinischen Term homo oeconomicus benutzte wohl zum ersten Mal Vilfredo Pareto in seinem „Manual of Political Economy“ (1906).
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Adam Smith
Der Ansatz des politischen Ökonomen und Philosophen Adam Smith erkennt im Homo oeconomicus (er prägte jedoch diesen Begriff aber nicht selbst!) die Basis für den Wohlstand der Nationen.
Der „Egoismus“ (self-interest) des Einzelnen und nicht etwa Nächstenliebe oder Altruismus führe dazu, dass auch der gesellschaftlich materielle Wohlstand gesteigert werde, denn:
- „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen- sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil“ (aus: Der Wohlstand der Nationen - Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. Erstes Buch, Zweites Kapitel: „Das Prinzip, das der Arbeitsteilung zugrunde liegt“).
In diesen zentralen Zuteilungsmechanismus der marktlichen Interaktion (Markt- oder Tauschprinzip) sieht Smith eine soziale Steuerungsmöglichkeit, die er wohl als äußerst effizient einschätzt. Es scheint ihm, als ob dieses Prinzip, weil es so effizient und zuverlässig zu funktionieren vermag, von einer unsichtbare Hand gelenkt wird (Smith prägte auch diesen Begriff nicht wirklich, da er im gesamten Werk nur einmal auftaucht. Die „unsichtbare Hand“ stand bei Smith weniger für das Prinzip des „freien Marktes ohne jegliche Einmischung des Staates“, sondern drückte eher seine Bewunderung für die Dezentralität eines Prinzips aus, das ohne Hierarchie auskommt und quasi wie von selbst zu funktionieren scheint. Smith war alles andere als ein radikaler Befürworter des Marktes oder gar Manchesterliberalist, denen der Begriff der unsichtbaren Hand die oftmals wertgeladene Konnotation zu verdanken hat. Gleichwohl berufen sie sich, oftmals zu Unrecht, auf Adam Smith).
[Bearbeiten] Eduard Spranger
Den Ausdruck Homo oeconomicus benutzt Eduard Spranger in seinem Buch Lebensformen (1914) für die behauptete Grundtendenz von Menschen, das Leben nach rein wirtschaftlichen Kriterien auszurichten. Spranger erweitert dies um mehrere Grundtypen, von denen der Homo oeconomicus eine ist: der theoretische Mensch, der ökonomische Mensch, der ästhetische Mensch, der soziale Mensch, der Machtmensch und der religiöse Mensch.
- „Der ökonomische Mensch im allgemeinsten Sinne ist also derjenige, der in allen Lebensbeziehungen den Nützlichkeitswert voranstellt. Alles wird für ihn zu Mitteln der Lebenserhaltung, des naturhaften Kampfes ums Dasein und der angenehmen Lebensgestaltung.“ (S. 148). [...]
- „Reichtum ist Macht. Der ökonomische Mensch entfaltet zunächst Macht über die Natur, ihre Stoffe, Kräfte, Räume und die technischen Mittel zu ihrer Bewältigung. [...] Mehr haben wollen als der andere, ist eine in der gesellschaftlichen Wirtschaft sich immer wieder von selbst bildende Willensrichtung. Wirtschaftliches Machtstreben erscheint also in der Form der Konkurrenz; sie herrscht von den einfachsten Stufen an und kann nur mit dem wirtschaftlichen Motiv selbst ausgerottet werden.“ (S. 153/154)
- „Die Macht des Geldes beruht auf seiner Motivationskraft für Menschen; sie setzt also wieder ökonomisch gerichtete Naturen voraus. Und gleich als ob man beflissen wäre, dies schon im voraus anzuerkennen, gibt Geld heute auch dann Ansehen, wenn man es nicht selbst erworben hat und weder durch seinen Fleiß noch durch seine Klugheit daran beteiligt ist.“ [...] „Der wirtschaftliche Wert ist für diese Art von Menschen selbst schon der höchste Wert.“ (S. 155).
[Bearbeiten] Heute
Mit der Etablierung der experimentellen Wirtschaftsforschung wurde das Konzept des Homo oeconomicus in den vergangen Jahren immer häufiger experimentell überprüft. Dabei zeigte sich, dass unter gewissen eng definierten Laborbedingungen dieses Konzept manchmal als eine geeignete Prognose für tatsächliches menschliches Verhalten herangezogen werden kann. In zahlreichen anderen Versuchen konnte diese Verhaltenshypothese jedoch nicht bestätigt werden.
Zur Erklärung des beobachten Laborverhaltens wird in diesen Fällen das Homo-oeconomicus-Modell häufig erweitert. Diese Erweiterungen beziehen sich dabei häufig auf die Nutzenfunktion, welche beispielsweise das Verhalten anderer Akteure mit berücksichtigt. Der Homo oeconomicus reciprocans ist eine solche Modellerweiterung.
[Bearbeiten] Kritik
Von Kultur, Philosophie und vielen Ökonomen wird das Menschenbild des rationalen Homo oeconomicus oft als eindimensional zurückgewiesen: Die Geschichte, die Psychologie, die Kunst, die Religion, Anthropologie und Ethnologie würden Gegenbeispiele genug liefern. Der Mensch sei keine (egoistische), rein rationale Maschine und erst recht nicht allwissend. Vor allem in der Soziologie wird die Bedeutung von Normen und Werten für das menschliche Handeln betont. Zusammenfassende Kritiken finden sich in fast jedem Einführungsbuch zur Soziologie.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Human-Relations-Bewegung
- Politische Rente (rent seeking)
- Neoliberalismus
- Homo sociologicus
- Homo ludens
- Homo oecologicus
- Altruismus, Reziproker Altruismus
[Bearbeiten] Literatur
- Gebhard Kirchgässner: Homo oeconomicus - Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Tübingen 1991.
- Helmut Woll: Menschenbilder in der Ökonomie, München 1994
- Reiner Manstetten: Das Menschenbild in der Ökonomie - Der homo oeconomicus und die Anthropologie von Adam Smith. Freiburg 2002.
- Dietz, Alexander: Der homo oeconomicus. Gütersloh 2005.
- Persky, J. (1995): Retrospectives: The ethology of Homo economicus, Journal of Economic Perspectives, 9(2), 221-231.
- Stefan Zabieglik (2002): The Origins of the Term Homo Oeconomicus, in: Janina Kubka, Economics and Values, Gdansk, 123-131.
- Joseph Vogl Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen. Zürich/ Berlin (2004). diaphanes.
- Verena von Nell, Klaus Kufeld (Hg.): Homo oeconomicus. Ein neues Leitbild in der globalisierten Welt? Reihe: Forum Philosophie & Wirtschaft, Bd. 1, 2006.
- Lüdemann, Jörn: Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, in: Chr. Engel u.a. (Hrsg), Recht und Verhalten, Tübingen 2006 (im Ersch.), S. 7 ff.
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.fu-berlin.de/allg.paedagogik/spranger.htm
- http://www.vlb-bayern.de/akzente/1998/ak981202.htm
- http://www.luise-berlin.de/bms/bmstxt97/9707deua.htm
- Homo Oeconomicus Versus Homo Reciprocans: Ansätze für ein Neues Wirtschaftspolitisches Leitbild? (PDF, Universität Zürich)
- Satirische Betrachtung zum Homo Oeconomicus in Wirtschaftswissenschaft und Realität
- Die Unvollkommenheit des Herrn Ö. - Kritik an der unreflektierten Ideologisierung eines Akteurskonzepts