Der Heizer
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Heizer ist eine längere Erzählung von Franz Kafka, die 1913 im Rahmen der Schriftenreihe „Der jüngste Tag“ im Kurt Wolff Verlag erschien. Gleichzeitig ist es das erste Kapitel des Romanfragmentes Amerika (Titel von Max Brod), das laut Kafka „Der Verschollene“ heißen sollte und das postum 1927 erschien.
Ein sehr junger Mann wird nach einem Skandal von seinen Eltern nach Amerika verfrachtet. Er versucht nach der Ankunft dort mit naivem Engagement seinen neuen Lebensweg zu finden.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhalt
Weil ein Dienstmädchen ihn „verführt“ und ein Kind von ihm bekommen hat, wird der sechzehnjährige Karl Roßmann von seinen Eltern nach Amerika geschickt. Als sein Schiff im Hafen ankommt und er an Land gehen will, fällt ihm auf, dass er seinen Regenschirm vergessen hat. Er überlässt seinen Koffer einem Bekannten (welchen er nie wieder sieht) und begibt sich auf die Suche nach dem Regenschirm. Bei der Suche trifft er auf den Schiffsheizer in seiner Kajüte. Es entsteht ein angeregtes Gespräch. Der Heizer gibt Ratschläge, spricht aber auch von seinen dienstlichen Problemen, insbesondere mit dem Obermaschinisten Schubal. Um in der Kontroverse mit Schubal Gerechtigkeit zu erhalten, begeben sich beide zur Kapitänskabine und bringen den Fall bei den dort anwesenden hoch gestellten Herren vor. Auch Karl Roßmann versucht eifrig, die Partei des Heizers zu verteidigen.
Unter den anwesenden Herren gibt sich plötzlich einer als Karls Onkel zu erkennen. Das vorher erwähnte Dienstmädchen hatte nämlich diesem Amerikaner, einem Verwandten der Familie Roßmann, die Ankunft Karls mitgeteilt. Karl erfreut sich aber nicht ganz seines neuen Beistandes, in dessen Wohlstand er künftig mit leben könnte. Es fällt ihm schwer, sich von seiner Anhänglichkeit und scheinbaren Verantwortung für den Heizer zu lösen. Als er sich dann doch mit dem Onkel vom Schiff entfernt, glaubt er nicht, dass der Onkel „ihm jemals den Heizer werde ersetzen können“.
[Bearbeiten] Hintergrund
Zur Geschichte des jungen Roßmann hatte Kafka Beispiele aus der eigenen Familie, da mehrere Verwandte nach Amerika auswanderten. In der Person eines Robert Kafka gab es sogar eine genaue Analogie, da dieser als Vierzehnjähriger auswandern musste, weil er ein Dienstmädchen geschwängert hatte.
Das Schicksal des von der Familie verstoßenen Sohnes korrespondiert mit den Figuren Samsa aus Die Verwandlung und Bendemann aus Das Urteil, allerdings nicht mit der dortigen tödlichen Konsequenz. Kafka plante mit diesen drei Erzählungen einen eigenen Band „Die Söhne“ herauszubringen, was sich aber zerschlug.
[Bearbeiten] Zusammenfassung
Die Ungeheuerlichkeit des 1.Satzes der Erzählung wird im Verlauf noch verstärkt, wenn man erfährt, dass es keine Verführung sondern eine Vergewaltigung war. Um so herzloser erscheinen die Eltern, die sich ihres noch sehr kindlichen Sohnes entledigen.
Aber Karl Roßmann ist nicht nur schuldloses Opfer. Im Umgang mit dem Heizer und in der Kapitänskabine zeigt er neben gutmeinender Naivität auch Schlauheit und taktisches Verhalten. Er lässt unschuldig-verlogene Züge erkennen.
Die Erzählung endet unbestimmt. Eine Aussage darüber, ob und wie Karl in der neuen Welt seinen Platz findet, kann nicht getroffen werden. Weitergehende Deutungen können im Rahmen des Romanfragmentes Amerika gesucht werden. Kafka selbst sprach von einem vorgesehene tödlichen Ende, ähnlich dem von Josef K. in Der Prozess. Andererseits gibt es in Amerika die Vision vom großen Welttheater von Oklahoma, in dem auch Karl seinen Platz finden könnte. Aber dieser Platz wird auch unsolide, brüchig und irreal dargestellt und kann nicht wirklich eine Heimat für Karl werden. So hinterlassen sowohl die Erzählung als auch der Roman wieder den bei Kafka häufig dargestellten ambivalenten Schwebezustand.
Haltung und Handlungslogik des Karl Rossmann sind zeitlos. So ähnelt ihm z.B. der Protagonist des Jarmusch-Films Dead Man von 1995, ein Western mit Johnny Depp, in dem viele kafkasche Themen berührt werden.
[Bearbeiten] Weblinks
- Der Heizer - Ein Fragment als gemeinfreier Online-Text beim Project Gutenberg
- Text der Erzählung Der Heizer
- mp3 Hörspiel bei www.teateraufcd.de
[Bearbeiten] Quelle
- Franz Kafka. Sämtliche Erzählungen. Herausgegeben von Paul Raabe. Frankfurt am Main und Hamburg: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1970. ISBN 3-596-21078-X.
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Verlag C.H. Beck München 2005 ISBN 3-406-53441-4
Zu Lebzeiten veröffentlicht: Ein Damenbrevier | Gespräch mit dem Beter | Gespräch mit dem Betrunkenen | Die Aeroplane in Brescia | Großer Lärm | Betrachtung | Das Urteil | Der Heizer | Die Verwandlung | Vor dem Gesetz | Der Mord | Ein Brudermord | In der Strafkolonie | Ein Landarzt | Der Kübelreiter | Ein Hungerkünstler
Posthum veröffentlicht (Auswahl): Beschreibung eines Kampfes | Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande | Der Dorfschullehrer | Blumfeld, ein älterer Junggeselle | Der Gruftwächter | Eine Kreuzung | Der Jäger Gracchus | Beim Bau der Chinesischen Mauer | Eine alltägliche Verwirrung | Brief an den Vater | Heimkehr | Das Stadtwappen | Kleine Fabel | Forschungen eines Hundes | Das Ehepaar | Der Bau | Der Process | Das Schloss | Amerika