Risiko
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Ein Risiko (von arabisch rizq, der von Gottes Gnade oder Geschick abhängige Lebensunterhalt) ist die kalkulierte Prognose eines möglichen Schadens bzw. Verlustes im negativen Fall (Gefahr) oder eines möglichen Nutzens bzw. Gewinns im positiven Fall (Chance). Was als Schaden oder Nutzen aufgefasst wird, hängt von Wertvorstellungen ab. Deshalb kann Risiko auch als Bedrohung eines Wertes für jemanden durch einen Sachverhalt (wie z. B. Naturereignisse) oder eine Handlung definiert werden. Da die Wertvorstellungen stark divergieren, sind auch die Risikobewertungen sehr unterschiedlich. (Was für den einen Verlust ist, bedeutet u. U. für einen anderen einen Gewinn.) Ein Risiko ist die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines negativen Ereignisses (mathematisch) oder die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines negativen Ereignisses multipliziert mit dem finanziellen Ausmaß (BWL). Man kann Risiken aber auch aus dem Weg gehen. Hierfür existieren anspruchsvolle Konzepte in der Güntherlogik. Das Antonym zu "Risiko" ist "Sicherheit".
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[Bearbeiten] Allgemeines
In der Umgangssprache erscheint "Risiko" oft gleich bedeutend mit Gefahr ('gefühlte Gefahr'). Oft gibt es mehrere Risiken gleichzeitig, und ein Problem bei der Bewertung eines Risikos ist, dass es sich nicht nur um ein mögliches Ereignis handelt. Oft auch besteht die Tendenz, wesentliche Risiken zu vernachlässigen und nur das nächstliegende zu betrachten. Ist das Risiko so klein, dass es als vernachlässigbar betrachtet wird, so wird es oft "Restrisiko" benannt. Fehleinschätzungen von Risiken können jedoch immer auch zu sehr negativen Folgen (Katastrophen) führen. Zitat: "Wer wagt, gewinnt - außer er verliert".
Fehlinterpretation: Häufig fehlinterpretiert wird die chinesische Zeichenkombination für Risiko: Das chinesische Wort für Risiko besteht aus zwei Zeichen (风险), die einzeln in Chance und Gefahr übersetzt werden können. Diese Kombination bezieht sich jedoch nicht auf Chance als günstige Gelegenheit (also nicht als positiver Gegensatz zur negativen Gefahr), sondern auf Chance als mathematischer Wahrscheinlichkeit; der Sinn der chinesischen Zeichenkombination wäre daher an Stelle <chance und gefahr> eher mit <wahrscheinlichkeit der gefahr> zu übersetzen).
[Bearbeiten] Risiko in der Statistik
In der Entscheidungstheorie bezeichnet Risikoaversion die Eigenschaft eines Entscheiders, dass dieser bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit gleichem Erwartungswert, die Alternative mit dem geringstem Risiko bezüglich des Ergebnis bevorzugt.
Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus dem Verhältnis der vermuteten Schadensfälle zu den insgesamt möglichen Fällen. So ist das Risiko mit einem Würfel eine 4 zu werfen, 1 von 6 bzw. 1 zu 5. Falls mit der 4 ein Verlust verbunden ist, entspricht dies der Gefahr, wird hingegen mit der 4 ein Gewinn erzielt, so spricht man von Chance (Chance nur im positiven Sinn). Gefahr und Chance sind hier also Komplementärbegriffe. Ersterer kalkuliert die Wahrscheinlichkeit eines Schadens bzw. Verlustes, letzterer die Wahrscheinlichkeit eines Nutzens bzw. Gewinns.
Die kartesianische Wahrscheinlichkeit setzt die vermuteten zu den möglichen Fällen ins Verhältnis und liegt somit zwischen Null und Eins. Für obiges Bsp. beträgt sie 1 / 6 = 0,1666... . Oft besteht das Risiko in einem Schaden oder einem Verlust. Das negative Ereignis des einen kann durchaus von Nutzen für den anderen sein.
[Bearbeiten] Risiko in der Entscheidungstheorie
Die Entscheidungstheorie differenziert das Verhalten eines Entscheiders im Angesicht einer Risiko-Situation.
- Risikoaversion oder Risikoscheu bezeichnet die Eigenschaft eines Entscheiders, dass dieser bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit gleichem Erwartungswert (= Eintrittswahrscheinlichkeit x Nutzenhöhe) die Alternative mit dem geringsten Risiko bezüglich des Ergebnisses bevorzugt. Der risikoscheue Entscheider bevorzugt also einen möglichst sicheren Gewinn, auch wenn dieser klein ausfällt.
- Risikoneutralität bedeutet, dass ein Entscheider bezüglich des Risikos indifferent ist. Das heißt, dass er seine Entscheidung allein anhand des Erwartungswertes trifft und das bloße Risiko nicht in seine Entscheidung mit einbezieht.
- Risikosympathie oder Risikofreude bezeichnet die Eigenschaft eines Entscheiders, dass dieser bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit gleichem Erwartungswert die Alternative mit dem höchsten Risiko bezüglich des Ergebnisses - und damit auch dem höchsten Gewinn - bevorzugt. Der risikofreudige Entscheider bevorzugt einen möglichst hohen Gewinn, auch wenn unsicher ist, ob er ihn bekommt.
[Bearbeiten] Risiko in der Ingenieurwissenschaft
Sicherheitsingenieure bezeichnen mit "Risiko" das Produkt von "Eintrittshäufigkeit" mal "Ereignisschwere" bzw. "Schadensausmaß"; hier treten schwierige Ermittlungs- und Quantifizierungsprobleme auf (vgl. Vulnerabilität) und erfordern ein qualitatives Verfahren zur Risikoabschätzung.
D.h.: Risiko = Eintrittshäufigkeit * Schadensausmaß
Die Eintrittshäufigkeit bezeichnet dabei die Häufigkeit, mit der ein Ereignis innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls eintritt. So bedeutet z.B. 0.01 Ereignisse pro Jahr, dass im Mittel mit einem Schadensereignis in 100 Jahren zu rechnen ist.
Die Einheit des Schadensausmaßes hängt vom jeweiligen Sachgebiet ab. Es können finanzielle Werte sein (€), aber auch Tote oder der Totalverlust eines Flugzeuges. Selbstverständlich lässt sich nicht jedes Schadensausmaß in Geld ausdrücken, letztendlich ist die Bewertung immer subjektiv und in der Regel domänenspezifisch.
[Bearbeiten] Risikomanagement
Unter Risikomanagement [-ˌmænɪdʒmənt] versteht man den planvollen Umgang mit Risiken. Hauptartikel hierzu ist Risikomanagement.
[Bearbeiten] Risiko in der Soziologie
Die Soziologie unterscheidet meist 'berechenbare' "Risiken" von nicht berechenbaren "Gefahren". Seit den 1980er Jahren ist die "Risikogesellschaft" in den Sozialwissenschaften stark diskutiert worden. Ulrich Beck, dessen gleichnamiges Buch den Begriff popularisiert hat, knüpft damit an Niklas Luhmann an, der soziologisch den Risikobegriff mit der Entscheidung über eine mögliche Handlung verbindet. Berühmt ist sein Beispiel des Regenschirms: Bevor es Regenschirme gab, gab es bloß die Gefahr, dass man nass wird, wenn man aus dem Haus geht. Mit der Erfindung des Regenschirms wurde aus der Gefahr ein Risiko, weil man nun jedesmal entscheiden muss, ob man den Regenschirm mitnimmt.
"Wenn es Regenschirme gibt, kann man nicht mehr risikofrei leben: Die Gefahr, daß man durch Regen naß wird, wird zum Risiko, das man eingeht, wenn man den Regenschirm nicht mitnimmt. Aber wenn man ihn mitnimmt, läuft man das Risiko, ihn irgendwo liegenzulassen.“
(Niklas Luhmann in: Die Moral des Risikos und das Risiko der Moral)
[Bearbeiten] Risiko in der Wirtschaftswissenschaft
In der Betriebswirtschaftslehre werden Risiken als "Wagnisse" quantifiziert (und sind dann "kalkulatorische Kosten"), Chancen als Nutzenkalkulationen.
Risiko in der Wirtschaft bezeichnet Unsicherheit im Sinne der Abweichungen, die sowohl positiv als auch negativ gegenüber der jeweiligen Bezugsgröße sein können.
- Risiken vor dem Entscheidungszeitpunkt (tE)
- Entscheidungsrisiko
- rechenökonomische Risiken
- Die Entscheidungen werden unter Unsicherheit getroffen. Man trifft in tE eine Entscheidung, wobei Abweichungen vom Erwartungswert des Ergebnisses möglich sind.
- Ergebnisrisiko: Risiko im Sinne einer Ergebnisunsicherheit als Folge einer risikoverbundenen Entscheidungssituation
- Opportunitätrisiko: Risiko, dass eine andere Entscheidung günstiger gewesen wäre.
- Entscheidungsrisiko
- Risiken nach dem Entscheidungszeitpunkt
- Handlungsrisiken
- Plan- und Abweichungsrisiko
- Bindungsrisiko
- Risiken, die zu allen Zeiten existieren
- Existenzrisiko
[Bearbeiten] Risikomanagement
Man kann sich gegen wirtschaftliche Risiken (in der Betriebswirtschaftslehre: "Wagnisse") auch versichern (Versicherung). Unter Risikomanagement versteht man den planvollen Umgang mit Risiken. Bevor jedoch ein planvoller Umgang mit Risiken stattfinden kann ist es für ein Unternehmen von existenzieller Bedeutung, den Gesamtumfang aller Risiken, also das Gesamtrisiko, zu ermitteln. Zu diesem Zweck ist eine Risikoaggregation unerlässlich.
Das Risiko lässt sich minimieren, wenn man bestimmte Bedingungen einhält, beispielsweise den Arbeitsschutz, vorgeschriebene Sicherheitsmaßnahmen, Materialeigenschaften, Höchstgeschwindigkeiten. Außerdem kann man durch geeignete Ressourcenverteilung das Risiko eines Verlustes minimieren. (Beispiel: Verteilte Aktienfonds minimieren das Risiko des Totalverlustes, reduzieren aber auch die Wahrscheinlichkeit eines Höchstgewinnes. Speicher für Nahrungsmittel reduzieren die Wahrscheinlichkeit von Nahrungsmittelengpässen, bergen aber die Gefahr eines Verlustes durch Schädlinge die sich an den Lagern gütlich tun.)
siehe auch Diversifikation#Anlagediversifikation, Moral Hazard, Adverse Selection, Risikoaversion
[Bearbeiten] Risiko in der Philosophie
[Bearbeiten] „Hasard” als Bedingung für Freiheit
Gemäß dem englischen Mathematiker und Philosophen John G. Bennett macht erst die Möglichkeit des Versagens die Dinge "wirklich". So ist echte Freiheit nach Bennett nur in nicht-determinierten Lebenssituationen denkbar, deren möglicher Ausgang also tatsächlich offen steht. Diese Fälle, deren besondere Eigenart er mit dem Vorhandensein von "Hasard" beschreibt, ermöglichen aufgrund dieses vollständig undeterminierten Moments dem Individuum eine tatsächliche freie Willensentscheidung - beinhalten also ein wirkliches Risiko.
In seinem Hauptwerk "The Dramatic Universe" behauptet Bennett, dass solche Situationen nicht auf die menschliche Wahrnehmung begrenzt seien, sondern dass Momente des Hasards ganz konkret auf physikalischer Ebene zur Grundbedingung des Universums gehören (was auch interessante Querverweise zu Erkenntnissen der modernen Quantenphysik eröffnet). Es gibt keinen perfekten Zustand, der von diesem Zusammenspiel von Unsicherheit und Wille (bzw. Naturgesetzen) frei wäre, da Hasard eine "Grundkonstante" der Wirklichkeit darstellt.
Ein weiterer, insbesondere auch religionswissenschaftlich interessanter Aspekt ergibt sich daraus, dass Bennett nicht nur Mensch und Natur als diesem Risiko unterworfen ansieht, sondern auch jede mögliche Vorstellung eines "Schöpfers". Aus seinem Postulat, auch Gott sei in seinem Wirken nicht vom "Naturgesetz" des Hasard, bzw. des Risikos befreit, löst sich der systemimmanente Widerspruch von menschlicher Freiheit und einer "Allmächtigkeit Gottes" auf. Aufgrund von der Überzeugung, dass Gott (welcher religiöser Vorstellung auch immer) nicht allmächtig sein könne, misst Bennett der Mitverantwortung des Menschen an der Schöpfung einen besonders wichtigen Stellenwert bei.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Bücher
- Bennett, John Godolphin: Risiko und Freiheit. Hasard - Das Wagnis der Verwirklichung ISBN 3-905272-70-9, Zürich, 2005
- Bernstein, Peter L.: Wider die Götter - Die Geschichte von Risiko und Risikomanagement von der Antike bis heute. München: Gerling Akademie Verlag 1997, 475 S.
- DeMarco, Lister: Bärentango ISBN 3-446-22333-9
- Igmade (Stephan Trüby u.a., Hrsg.): "5 Codes: Architektur, Paranoia und Risiko in Zeiten des Terrors". Basel. Boston, Berlin 2006, ISBN 3-7643-7597-3
- Obermeier, Otto-Peter: Die Kunst der Risikokommunikation. München 1999, 211 S.
- Proske, Dirk: Katalog der Risiken - Risiken und ihre Darstellung. ISBN 3-00-014396-3, Dresden, 2004
- Romeike/Finke (Hrsg.): Erfolgsfaktor Risiko-Management ISBN 3-409-12200-1
- Schüz, Mathias (Hrsg.): Risiko und Wagnis. Die Herausforderung der industriellen Welt. Bd. 1 und 2, Pfullingen 1990, 753 S.
- Schüz, Mathias: Werte - Risiko - Verantwortung. Dimensionen des Value Managements. München 1999, 213 S.
- Keitsch, Detlef: "Risikomanagement" , ISBN 3-7910-2295-4 , Stuttgart 2004, Schäffer-Poeschel Verlag
- Gleißner, Werner: Identifikation, Messung und Aggregation von Risiken, in: Wertorientiertes Risiko-Management für Industrie und Handel, Meier Günther(Hrsg.), Gabler Verlag, Wiesbaden 2001, S. 111 - 137, ISBN: 3 409 11699 0
[Bearbeiten] Aufsätze
- Niels Gottschalk-Mazouz (2002): Risiko, in: M. Düwell, C. Hübenthal, M. Werner (Hg.): Handbuch Ethik. Stuttgart: Metzler Verlag, S. 485-491 PDF
- Otto-Peter Obermeier: Das Wagnis neuen Denkens - ein Risiko?, in: Risiko und Wagnis (hrsg. v. M. Schüz), Pfullingen 1990, Bd. 2, S. 243-263.
- Otto-Peter Obermeier: Eine Synopse zu "Risiko und Wagnis", in: Risiko und Wagnis (hrsg. M. Schüz), Pfullingen 1990, Bd. 1: S. 296-333, Bd. 2: S. 306-349.
- Ortwin Renn: Grundsätzliche Möglichkeiten zur Risikoabschätzung und Risikobewertung. Gefahrstoffe - Reinhaltung Luft 65(9), S. 383 - 386 (2005), ISSN 0949-8036
- Mathias Schüz: Werte und Wertwandel in der Risikobeurteilung, in: Risiko und Wagnis (hrsg. v. M. Schüz), Pfullingen 1990, S. 217-242.
- Krämer, Walter, Prof. Dr.: Hysterie als Standortnachteil, oder: Deutschland, eine Republik der Panikmacher? Vortrag über Risikowahrnehmung auf der Jahrestagung Kerntechnik 2005, atw - Internationale Zeitschrift für Kernenergie, L/3 - Oktober 2005, S. 570 - 575, ISSN 1431-5254
[Bearbeiten] Downloads
- Sitt: Dynamisches Risiko Management ISBN 3-8244-0734-5,Download
- Locher, Mehlau, Hackenberg, Wild: Risikomanagement in Finanzwirtschaft und Industrie, Download
- Koller: Wissensrisiken - Risiken aus Sicht des Wissensmanagements, [1]
- Krämer, Walter, Prof. Dr.: Hysterie als Standortnachteil, oder: Deutschland, eine Republik der Panikmacher? (Real Player Video, DSL, ca. 134 MB / Modem/ISDN, ca. 10MB), Vortrag über Risikowahrnehmung auf der Jahrestagung Kerntechnik 2005
- Schüz, Mathias: Ganzheitliche Betrachtung und Bewältigung unternehmerischer Risiken [2]
[Bearbeiten] Siehe auch
- Chance, Gefahr, Katastrophe, SWOT-Analyse, Katastrophensoziologie, Risikogesellschaft, Risikoforschung, Risikotypen, Rückversicherung, Versicherung, Kosten, Irgc, Entscheidung unter Unsicherheit, Risk-shift