Integrale Politik
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Mit dem Begriff Integrale Politik wird von manchen Theoretikern ein politischer Ansatz bezeichnet, der die Stärken traditioneller politischer Theorien zu einer neuen Politik integriert. Der Begriff wurde von dem amerikanischen Philosophen, Autor und Mystiker Ken Wilber geprägt. Er geht von dem ganzheitlichen Wirklichkeitsmodell der vier Quadranten aus (siehe Grafik). Nach Wilber's Überzeugung sind die in verschiedenen Ländern eingeschlagenen Wege neuer Politiken, so z. B. „Vitales Zentrum“ des früheren amerikanischen Präsidenten Bill Clinton, „Mitfühlender Konservativismus“ des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, „Neue Mitte“ des früheren deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, „Dritter Weg“ des englischen Premierministers Tony Blair und „Afrikanische Renaissance“ von Thabo Mbeki als Versuche in dieser Richtung einzuordnen.
Voraussetzung einer integralen Politik ist nach Wilber die Anerkennung der Gleichwertigkeit von inneren (Wertvorstellungen, Sinn, Moral, Entwicklung des Bewusstseins) und äußeren (wirtschaftliche Bedingungen, materielles Wohlergehen, technologischer Fortschritt, soziale Sicherheit, Umwelt) Faktoren. Diese Gegensätze finden sich in den Grundhaltungen der großen politischen Strömungen, des Liberalismus und des Konservativismus, wieder. Dem Liberalismus ist die Vorstellung innerer Verursachungen fremd, der Konservativismus dagegen ist an mythischen Zugehörigkeiten und soziozentrischen Sichtweisen orientiert, die im allgemeinen auf einer mythisch-religiösen Wertvorstellung (wie etwa der Bibel) basieren. Ist das Subjekt krank, dann ist es das für den Liberalen deshalb, weil die objektiven gesellschaftlichen Institutionen krank sind. Für ihn sind daher wissenschaftlicher Materialismus und ökonomische Gleichheit der Königsweg zur Beendigung menschlichen Leidens. Das in dieser Sichtweise unverstandene Individuum wurde den Konservativen überlassen, die den Menschen mit seinen Wertvorstellungen, Bedeutungen und psychischen Ausprägungen vereinnahmten. Dieses konnte jedoch nur bis zu der Bewusstseinsebene geschehen, die von den Konservativen selbst repräsentiert wird (mythische Zugehörigkeit, bürgerliche Tugenden, konventioneller Konformismus).
Doch der Liberalismus klammert den Menschen als äußeres Subjekt nicht aus. Er postuliert, alle Menschen sollen gleich behandelt werden, ohne Ansehen von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht oder Glaubensbekenntnis. Die liberale politische Theorie gehört somit im Modell von Wilber und anderen Theoretikern (Clare W. Graves, Don Beck) einer höheren Entwicklungsebene an als der Konservativismus. Jedoch bildet sie lediglich eine kranke Version dieser höheren Ebene ab, während der Konservativismus eine durchaus erprobte und gesunde Stufe früherer Entwicklungsstufen repräsentiert, die jedoch das Erreichen höherer Entwicklungsebenen behindert oder gar unmöglich macht.
Ziel einer integralen Politik nach Wilber ist es, die Entwicklung in allen vier Quadranten (siehe Grafik) über alle Ebenen hinauf zu gewährleisten. Sie würde die innere wie die äußere Entwicklung gleichermaßen fördern - das Wachstum und die Entwicklung des Bewusstseins und des subjektiven Wohlergehens ebenso wie das Wachstum und die Entwicklung des ökonomischen , sozialen und materiellen Wohlergehens. Das System der vier Quadranten ist auch dafür geeignet, politische Aussagen zu systematisieren und ihren Bezug zur komplexen Wirklichkeit sichtbar zu machen.
