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Davon haben wir nichts gewusst

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Davon haben wir nichts gewusst (auch: „Wir haben von nichts gewusst" oder „Wir haben nichts gewusst“) war nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Teilen der Bevölkerung eine stehende Redewendung. Sie bezog sich auf die Verbrechen des Nationalsozialismus, vor allem den Holocaust und die Vorgänge in den deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern des sogenannten Dritten Reichs.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Kontext

Die Aussage reagierte auf die Nachkriegsbemühungen der Alliierten zur Entnazifizierung der Deutschen und sollte die These einer deutschen Kollektivschuld zurückweisen. Sie war sowohl in der Zivilbevölkerung als auch der Wehrmacht teilweise verbreitet.

Besonders die Besatzungsvertreter der USA konfrontierten die Deutschen in der Zeit nach 1945 mit den Folgen ihrer teils aktiven, teils passiven Zustimmung zum NS-Regime. Sie zwangen zum Beispiel die Einwohner Weimars, das KZ Buchenwald zu besuchen, um Lebensmittelkarten zu erhalten.

[Bearbeiten] Wahrheitsgehalt

Die Aussage wurde bereits bei ihrem Aufkommen von manchen Deutschen wie Nichtdeutschen als Zwecklüge zurückgewiesen. Sie wiesen u. a. darauf hin:

  • Viele Konzentrations- und Arbeitslager lagen nahe bei deutschen Siedlungen, so dass die dortigen Vorgänge vielen Einwohnern vor Ort bekannt waren. So gab es im KZ Dachau einen Tag der offenen Tür für die Bevölkerung.
  • Die Häftlinge der 23 innerdeutschen KZs und ihrer zahlreichen Außenlager wurden täglich durch deutsche Dörfer und Städte zu den Arbeitsorten geführt.
  • Zudem waren viele Deutsche zeitweise in den KZs und Lagern beschäftigt oder leisteten Hilfsdienste, die sie zu Augenzeugen machten.
  • Die zunehmende Judendiskriminierung und Judenverfolgung geschah über Jahre hinweg sichtbar vor den Augen vieler, besonders die Novemberpogrome 1938.
  • Auch die Deportationen vollzogen sich zum Teil öffentlich auf Versammlungsplätzen und Bahnhöfen. Sie wurden jedoch als „Umsiedelung“ von „Volksfeinden" und Verbrechern bemäntelt und waren von einer intensiven Hetz-Propaganda begleitet, so dass viele im Unklaren über den wahren Zweck blieben.
  • Doch im Kriegsverlauf berichteten viele an Massenerschießungen beteiligte Wehrmachtsangehörge oder Polizisten ihren Verwandten in Briefen davon. Um 1943 wurde die bisherige Geheimhaltungspolitik seitens der Wehrmacht immer mehr gelockert, und es kam zu einem regelrechten „Hinrichtungstourismus" (Ernst Klee) von Angehörigen, die bei einer Massenerschießung zuschauen wollten.[1] Die Vernichtungslager waren davon jedoch ausgeschlossen.
  • Aber auch manche Todesmärsche gegen Kriegsende verliefen durch bewohnte Gegenden, so dass sich die dortige Bevölkerung ein Bild von der Behandlung der Lagerinsassen machen konnte.
  • Durch das zwar verbotene, aber dennoch weit verbreitete Abhören der deutschsprachigen Dienste ausländischer Radiosender gelangten ebenfalls zahlreiche Informationen über Verbrechen der Nazis zu den deutschen Hörern.

Ein Gesamtwissen über die tatsächlichen Ausmaße des Holocaust und alle Kriegsverbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus kann aber nicht angenommen werden.

Der Historiker Peter Longerich hat in einer neueren Buchveröffentlichung zum Thema untersucht, welche Informationen über NS-Verbrechen in den damals zugänglichen Medien veröffentlicht wurden und sich über Kanäle der Wehrmacht, der NSDAP, Feldpostbriefe von Frontsoldaten usw. in der deutschen Bevölkerung herumsprachen. Nach Umfragen des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts aus den 1950er und 1960er Jahren erklärten zwischen 25 und 40 Prozent der Deutschen, sie hätten sehr wohl von den Massenmorden an Juden in den eroberten Gebieten Osteuropas gewusst. Diese Ergebnisse wurden jedoch jahrzehntelang unter Verschluss gehalten. [2] Erst seit einigen Jahren konzentriert sich die Holocaustforschung auf konkrete lokale und regionale Abläufe bei den Deportationen von Juden aus deutschen Städten, um damalige Reaktionen und Beteiligung der Nichtjuden genauer zu ermitteln. So wurden Schulklassen teilweise zum Zuschauen des Vorgangs auf den Bahnhöfen vom Unterricht befreit.

[Bearbeiten] Zeitzeugen

[Bearbeiten] während des Krieges

Die Ansichten von Zeitzeugen zu dieser Frage sind geteilt. 1943 schrieb der Widerstandskämpfer Helmut James Graf von Moltke noch: Mindestens neun Zehntel der Bevölkerung weiß nicht, dass wir Hunderttausende von Juden umgebracht haben.

Wie viel Prozent der Deutschen in den Folgejahren Gerüchte und Tatsachen vom Holocaust erfuhren, ist unbekannt. So schrieb Landesbischof Theophil Wurm am 21. September 1944 an einen Pastor der Deutschen Christen:[3]

Jedermann weiß oder kann wissen, wie das Dritte Reich mit den Juden verfahren ist, besonders seit der Nacht vom 9. zum 10. 11. 1938 und im Kriege bis zur völligen Vernichtung draußen in Polen und Russland. Auch dürfte das nicht unbekannt sein, dass in den besetzten Gebieten über die Wiedereinführung des in barbarischen Zeiten üblichen Geiselsystems an völlig unschuldigen Personen schweres Unrecht verübt worden ist. Dann erinnere ich an den systematischen Mord der Geisteskranken und an das ganze System der Gestapo und der Konzentrationslager, an die Tatsache, dass es eine unabhängige Rechtsprechung nicht mehr gibt...
Ich frage nur: Kann ein Christ Segen erhoffen für ein Volk, das dies alles hat geschehen lassen...?

[Bearbeiten] nach Kriegsende

Margaret Bourke-White, Korrespondentin der Illustrierten Life im Nachkriegsdeutschland, erinnert sich: Wir alle bekamen diese Worte so häufig und monoton zu hören, daß sie uns wie eine deutsche National-Hymne vorkamen.

Kurt Scharf, Mitglied der Bekennenden Kirche und später Landesbischof von Berlin-Brandenburg, schrieb in einem Interview:[4]:

Wer behauptet, er habe damals von alledem nichts gewusst, der hat nichts wissen wollen! Der hat aus Angst weggehört oder sich Augen und Ohren zugehalten. Man sah ja doch die Juden mit dem Stern. [...]
Wer in seiner Gemeinde eine jüdische Familie hatte, der wusste, was an den Juden geschah. Und er erlebte mit, dass sie abtransportiert wurden. In Berlin erlebte man das in großem Ausmaß. Schon 1932 gab es Hakenkreuzschmierereien auf dem Kurfürstendamm, 1938 dann die brennenden Synagogen, das Zertrümmern der jüdischen Geschäfte - die sogenannte Kristallnacht: Das hat ganz Deutschland gewusst. Das haben Goebbels und Streicher im Rundfunk verkündet, und das wurde in den Wochenschauen der Filmtheater gezeigt. [...]
Wir haben die Sammellager in der Oranienburger Straße in Berlin erlebt, wo die Juden zusammengetrieben wurden. [...] Die Theorie von der Herrenrasse wurde in jeder Zeitung verbreitet. [...]
Was in unserer Gemeinde dann wirklich die letzten Zweifel an der menschenverachtenden Brutalität des Nationalsozialismus beseitigt hat, das war von 1941 an die Ankunft der Transporte mit russischen Kriegsgefangenen. [...] Nacht für Nacht kamen Transporte an auf unserem kleinen Sachsenhausener Bahnhof, Viehwagentransporte, in denen die russischen Kriegsgefangenen zusammengepfercht waren, in den Viehwagen stehend, wochenlang unterwegs, oft kaum mit Nahrung versorgt. Sie kamen nachts an, und unter grellen Scheinwerfern nahmen SS-Leute mit Peitschen und Hunden die Transporte in Empfang. Die Gefangenen stolperten heraus und fielen auf den Bahnsteig, soweit sie sich noch bewegen konnten. Ein Teil von ihnen waren Leichen: auf dem Transport Gestorbene hatten noch zwischen den anderen gestanden. Diejenigen, die sich noch bewegen konnten, wurden von den Hunden gehetzt und unter Peitschenschlägen vom Bahnhof in das KZ getrieben. Auf diesem Weg verendeten dann auch wieder soundsoviele. Dies alles hörten wir mit...
Wenn jemand behauptet, er habe von all dem nichts gewusst, ist meine Kontrollfrage immer: Hättest du dich denn damals gern in ein Konzentrationslager einliefern lassen? Da hätte jeder gesagt: Um Gottes willen!


[Bearbeiten] Quellen

  1. Ernst Klee: 'Schöne Zeiten'. Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer. Fischer, Frankfurt am Main 1988, ISBN 310039304X, S. 7f
  2. Funkhausgespräche vom 9. November 2006 um 20.05 Uhr auf WDR 5
  3. Günter Brakelmann, Evangelische Kirche und Judenverfolgung S. 74
  4. Heinrich W. Grosse, Bewährung und Versagen S. 31f

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Peter Longerich: Davon haben wir nichts gewusst! Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945. Siedler Verlag, München 2006. ISBN 3886808432, 448 Seiten.
  • Heinrich W. Grosse (hrsg. von Friedrich W. Marquardt): Bewährung und Versagen. Die Bekennende Kirche im Kirchenkampf. Verlag: Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., 1991, ISBN 3892460248

[Bearbeiten] Weblinks

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