Kleindeutsche Lösung
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Die Kleindeutsche Lösung war ein in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 diskutiertes und schließlich verabschiedetes Modell für die Vereinigung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes unter Führung des Königs von Preußen und unter Ausschluss des Kaisertums Österreich. Sie stand im Gegensatz zur Großdeutschen Lösung, welche die überwiegend deutschsprachigen Teile des Habsburgerreichs einschloss. Verwirklicht wurde sie jedoch erst 1871 nach den deutschen Einigungskriegen.
[Bearbeiten] Die "Deutsche Frage" im 19. Jahrhundert
Diskussionen über die Ausdehnung des angestrebten deutschen Nationalstaats wurden seit der Französischen Revolution geführt. Die so genannte "Deutsche Frage", die unter anderen Ernst Moritz Arndt in seinem Gedicht "Was ist des Deutschen Vaterland?" aufwarf, war eines der drängendsten Probleme der europäischen Politik in den ersten sieben Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Nach der Märzrevolution gehörte sie zu den zentralen Fragen, denen sich die Frankfurter Nationalversammlung, das erste frei gewählte gesamtdeutsche Parlament, stellen musste. Das Scheitern der Revolution ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Versammlung keine allgemein akzeptierte Lösung für die Deutsche Frage fand.
In der Paulskirche wurde über verschiedene Modelle debattiert: Der Einschluss des Kaisertums Österreichs in einen deutschen Nationalstaat war problematisch, da es ein Vielvölkerstaat mit großen nichtdeutschen Bevölkerungsgruppen war. Daher wurde in der Nationalversammlung neben der kleindeutschen auch die großdeutsche Lösung vorgeschlagen, welche die Einbeziehung der deutschsprachigen Gebiete Österreichs vorsah. Dies hätte jedoch eine Aufspaltung der Habsburger-Monarchie bedeutet, was dort erheblichen Widerspruch hervorrief. Diskutiert wurde auch die großösterreichische Lösung, d.h. die Einbeziehung der gesamten Donaumonarchie. Damit wiederum hätte das neu zu schaffende Staatswesen seinen angestrebten Charakter als deutscher Nationalstaat verfehlt.
Die meisten österreichischen Abgeordneten der Nationalversammlung lehnten die großdeutsche Lösung ab; die großösterreichische wiederum fand keine Mehrheit bei den übrigen Parlamentariern. Nachdem die Österreicher aus der Nationalversammlung ausgezogen waren, setzten sich dort die meist protestantischen Befürworter der kleindeutschen Einigung unter preußischer Führung durch. Doch auch diese Lösung wurde zunächst nicht realisiert, da König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1849 die ihm angetragene Kaiserkrone ablehnte.
Nach dem Scheitern der Revolution gab es im Jahre 1850 einen erneuten Versuch Friedrich Wilhelms IV. im Bündnis mit den Königen von Hannover und Sachsen sowie 17 anderen deutschen Fürsten, Deutschland unter Ausschluss der Habsburger Monarchie in Form eines Fürstenbundes zu vereinen.
Dieser Plan fand Unterstützung seitens der rechts stehenden Liberalen, die die Frankfurter Nationalversammlung verlassen und im Juni 1849 die "Gothaer Partei" gegründet hatten. Die Gothaer nutzten die Deutsche Zeitung als Forum und beteiligten sich aktiv an den Wahlen zu einem "Unionsparlament", das sich am 20. März 1850 in Erfurt versammelte, um den preußischen Entwurf einer Bundesverfassung für den geplanten kleindeutschen Staat anzunehmen. Unter dem Druck der österreichischen Monarchie und des russischen Zarismus gingen mehrere deutsche Fürsten, die vorher Preußen unterstützt hatten, auf die Seite Österreichs über. Daraufhin vertagte die preußische Regierung, die es nicht wagte, gegen Zar Nikolaus I. aufzutreten, am 22. April 1850 das Erfurter Parlament, das danach nicht wieder zusammentrat.
Im Vertrag zu Olmütz (Olmützer Punktation) vom 29. November 1850 musste Preußen gegenüber Österreich auf seine Vereinigungspläne verzichten.
Erst nach dem Deutschen Krieg von 1866, in dem Preußen Österreich besiegte, ergriff der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck neue Möglichkeiten zur Realisierung der Kleindeutschen Lösung. Zunächst wurde der Deutsche Bund aufgelöst, womit Österreich aus der gesamtdeutschen Politik ausschied. Unter Preußens Führung wurde 1867 der Norddeutsche Bund gegründet, der Defensivbündnisse mit den vier süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen abschloss. Nachdem im Krieg gegen Frankreich 1870 der Bündnisfall eingetreten war, traten am 18. Januar 1871 auch die süddeutschen Staaten dem Norddeutschen Bund bei: Das damit neu gegründete Deutsche Reich war eine Monarchie unter dem Präsidium des Königs von Preußen, Wilhelms I., der den Titel Deutscher Kaiser annahm. Bismarck wurde erster Reichskanzler.
[Bearbeiten] Nach dem 1. und 2. Weltkrieg
Zwischen den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts wurde die Frage "kleindeutsche oder großdeutsche Lösung" noch einmal aufgeworfen. Nach der Auflösung Österreich-Ungarns am Ende des Ersten Weltkriegs entstand eine neue Republik Deutschösterreich, die zu Beginn den Anschluss an das nur mehr republikanische Deutsche Reich suchte. Dies hätte in etwa der großdeutschen Lösung von 1848 entsprochen. Die Siegermächte wollten aber kein neues zu mächtiges Deutschland und verboten daher den Zusammenschluss der beiden deutschsprachigen Staaten.
Unter Bruch der Bedingungen des Friedensvertrags von Versailles erfolgte 1938 der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, das sich von da an als Großdeutsches Reich bezeichnete. Nach seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg brach dieses Reich auseinander. Österreich wurde von den alliierten Besatzungsmächten wieder als eigenständiges Staatswesen behandelt, die Gebiete östlich von Oder und Neiße fielen an Polen und die Sowjetunion, das restliche Deutschland wurde in Besatzungszonen aufgeteilt, aus denen 1949 die Bundesrepublik Deutschland und die DDR hervorgingen. Deren Wiedervereinigung im Jahr 1990 entspricht mit Ausnahme der ehemaligen Ostgebiete wieder der Kleindeutschen Lösung.