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Auschwitzprozesse

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Bei den Auschwitzprozessen handelt es sich im engeren Sinn um die sechs Strafprozesse gegen Mitglieder der Lagermannschaft des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz vor dem Schwurgericht in Frankfurt am Main in den Jahren 1963 - 1965 (1. Auschwitzprozess) und 1965/1966 (2. Auschwitzprozess) sowie Nachfolgeprozesse in den 1970er-Jahren.

Im weiteren Sinn bezeichnet der Begriff alle im In- und Ausland geführten Prozesse gegen das an den Auschwitz-Verbrechen beteiligte Lagerpersonal.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Vorbereitungen der Prozesse

Die bundesdeutsche Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch die Justiz begann erst 1950 mit dem AHK-Gesetz Nr. 13, welches die Einschränkung in der Verfolgung von NS-Verbrechern durch die Bundesrepublik aufhob. Zunächst wurden nur Verbrechen verhandelt, die von Deutschen an Deutschen begangen worden waren. Bis zum Jahre 1952 wurden 5678 Angeklagte rechtskräftig verurteilt. Nach dieser anfänglichen Welle von Verfahren nahm die Anzahl der Verfahren von 44 im Jahre 1954 auf fast die Hälfte im Jahre 1956 stetig ab.

Eine Wende brachten die aus Russland heimkehrenden Kriegsgefangenen. Die Entschädigungsverfahren brachten neue Beweise ans Licht. Zudem erkannte man, dass eine große Anzahl von Verbrechen ungesühnt geblieben war, und die Täter sich in der deutschen Bevölkerung frei bewegten.

Aus dem Bedürfnis heraus, die Strafverfolgung der noch unbehelligten Täter zu koordinieren, wurde 1958 die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg gegründet. Ihre Aufgabe war es zu Beginn, nationalsozialistische Tötungsverbrechen an Zivilpersonen außerhalb des Bundesgebietes zu recherchieren. Es handelte sich dabei um Verbrechen, die außerhalb der eigentlichen Kriegshandlungen stattgefunden hatten, also in Konzentrationslagern oder Ghettos, außerdem die von diversen Einsatzkommandos begangenen Tötungsdelikte.

Die Zentrale Stelle setzte vor dem förmlichen Ermittlungsverfahren an. Sie sammelte und sortierte einschlägige Unterlagen und stellte den Verbleib der Täter fest, noch bevor ein Verfahren eröffnet war. Sollte es zum Verfahren kommen, so musste die Zentrale Stelle die Ermittlungen an die jeweilige Staatsanwaltschaft des Wohnortes des Täters abgeben, da sie selbst keine Anklage erheben konnte. Darüber hinaus sammelte sie alle in ihren Verfahren gewonnenen Erkenntnisse in Form von Vernehmungsprotokollen und Dokumenten, um so bei folgenden Prozessen Doppelungen auszuschließen.

Schon seit 1956 gab es gewisse Strömungen zur Einrichtung der Zentralen Stelle. Anstoß für die Gründung im Jahr 1958 war unter anderem der Ulmer Einsatzgruppen-Prozess. Ein ehemaliger SS-Oberführer, der 1941 Polizeidirektor in Memel war, hatte nach dem Krieg unter falschem Namen ein Flüchtlingslager nahe Ulm geleitet. Als seine wahre Identität aufgedeckt worden war, wurde er entlassen. Er klagte auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst. Als die Presse über diesen Prozess berichtete, erkannte ihn ein Leser, der sich daran erinnerte, dass dieser Mann maßgeblich an Massenerschießungen von Juden zu Beginn des Russlandfeldzuges mitgewirkt hatte. Das breite Medieninteresse am Ulmer Einsatzgruppen-Prozess und die Erkenntnis, dass viele NS-Verbrechen vor allem in Osteuropa bislang ungeahndet waren, gaben letztendlich den Anstoß zur Gründung eines Koordinationsorgans für NS-Prozesse.

1959 wurden durch die Ludwigsburger Zentrale Stelle 400 Vorermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem gegen Einsatzgruppen des Sicherheitsdienstes Reichsführer-SS, die Staatspolizei und das Personal der Konzentrationslager.

Es war nicht einfach, die Auschwitzprozesse in Frankfurt zu konzentrieren. Die damalige Justiz und Staatsanwaltschaft hätte lieber viele kleinere Einzelprozesse geführt. Erst der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer - selbst Jude und früher in Haft - sowie der Präsident des internationalen Auschwitzkomitees Hermann Langbein erreichten 1959 die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Anklagen gegen Einzelpersonen in Frankfurt zusammenzuführen. Um den Auschwitzprozess zu ermöglichen, bedurfte es keiner spektakulären Geheimdienstaktionen wie beim Eichmannprozess (1961/62). Vielmehr standen akribische Recherche und das Durchhaltevermögen derer im Vordergrund, die diesen Prozess ins Rollen bringen wollten. Denn es war nicht von vornherein selbstverständlich, dass dieser Prozess überhaupt zu Stande käme. Eine zentrale Figur war sicher Fritz Bauer. Der hessische Generalstaatsanwalt war während des Prozesses zwar nicht im Sitzungssaal aktiv beteiligt, aber als Chef der Anklagebehörde steuerte er aus dem Hintergrund maßgeblich den Verlauf des Verfahrens. Im Januar 1959 bekam Fritz Bauer vom Journalisten Thomas Gnielka Akten zugeschickt, die dieser bei einer Recherche für ein anderes Thema zufällig entdeckt hatte. Ein KZ-Häftling hatte die verkohlten Aktenblätter als „Souvenir“ aus dem brennenden Breslauer Bezirksgericht mitgenommen. Es waren Erschießungslisten aus dem Lager Auschwitz, die detailliert die Tötung von Häftlingen dokumentierten. Unterzeichnet waren sie mit der Unterschrift des Lagerkommandanten Rudolf Höß und dem Namenskürzel seines Adjutanten Robert Mulka. Bauer leitete diese Beweisstücke an den Bundesgerichtshof weiter, der Frankfurt die Zuständigkeit gab.

Dem späteren Angeklagten Wilhelm Boger kam man 1958 durch die von dem in Haft sitzenden Adolf Rögner eingereichte Beschwerde auf die Spur, die dieser an die Staatsanwaltschaft Stuttgart richtete. Der Beschwerde über die Beschlagnahmung seiner Medikamente fügte er eine Anzeige gegen Wilhelm Boger bei. Gegen den damaligen Leiter des „Fluchtreferats“ der politischen Abteilung im Lager Auschwitz wurden in Folge dessen unauffällige Ermittlungen angeordnet, die allerdings im Sande verliefen. Rögner informierte des Weiteren das Internationale Auschwitz Komitee in Wien. Dieses bot der Staatsanwaltschaft Stuttgart Beweismittel an. Nachdem das Internationale Auschwitz Komitee in Person des Generalsekretärs Hermann Langbein der Anklagebehörde mangelndes Interesse unterstellt und elf weitere Zeugen gegen Wilhelm Boger ausfindig gemacht hatte, erging am 2. Oktober 1958 durch das Landgericht Stuttgart Haftbefehl. Doch nicht nur im Fall Boger konnte das Komitee mit sachdienlichen Informationen helfen. Es war maßgeblich daran beteiligt, Zeugen ausfindig zu machen, die in Deutschland gegen andere Angeklagte aussagen sollten.

Weitere Ermittlungen stellte die Zentrale Stelle in Ludwigsburg an. Sie machte unter anderem den Lager-Adjutanten Mulka ausfindig. Der Lager-Sanitäter Josef Klehr wurde von Staatsanwalt Joachim Kügler lokalisert, der von der Zentralen Stelle mit den Ermittlungen betraut worden war. Ihm und seinem Kollegen Georg Friedrich Vogel gingen weitere Tatverdächtige ins Netz.

Die Suche ergab insgesamt 22 Personen, die mit den Verbrechen, die im Lager Auschwitz begangen worden waren, in Verbindung gebracht wurden, so dass nach fünf Jahren Ermittlungsarbeit und 1400 vernommenen Personen am 16. April 1963 die Anklageschrift eingereicht wurde. Sie umfasste 700 Seiten und war von vier Staatsanwälten verfasst worden. Zusätzlich legten diese 75 Aktenbände mit Beweismaterial vor. Dabei handelte es sich um Zeugenaussagen von Überlebenden, Dokumente aus Archiven und bei der Befreiung des Lagers beschlagnahmte Akten der Lagerkommandantur, welche Fahrbefehle und Funksprüche enthielten.

[Bearbeiten] Der Prozess 1963/65 (1. Auschwitz-Prozess)

Am 20. Dezember 1963 wurde im Saalbau Gallus der größte Strafprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte aufgenommen. Es waren drei Richter, sechs Geschworene, vier Staatsanwälte, drei Nebenkläger, 19 Verteidiger und 22 Angeklagte beteiligt.

Die auf zwölf Verhandlungstage angesetzte Vernehmung der Angeklagten blieb praktisch ohne Ergebnis. Die Angeklagten schützten sich gegenseitig, wohl nicht zuletzt aus der Sorge heraus, sich selbst zu belasten. Im Verlaufe des Prozesses wurden Gutachter befragt, die sich unter anderem mit der organisatorischen Struktur der SS und dem Aufbau von Konzentrationslagern beschäftigt hatten. Ein wesentlicher Punkt war die Ausräumung des Vorwandes von „Befehl und Gehorsam“. Die Gutachter stellten fest, dass kein SS-Mann mit dem Tode bestraft worden wäre, hätte er die Befehle nicht ausgeführt. Auch die Verteidigung fand keinen dem entsprechenden Fall.

Für die Zeugen, die die Gefangenschaft überlebt hatten, waren die Aussagen äußerst belastend. Sie durchlebten nach zwanzig Jahren die schrecklichen Ereignisse noch einmal. Zudem wurden sie durch die Verteidigung unter Druck gesetzt, indem man am Wahrheitsgehalt ihrer Berichte zweifelte. Häufig musste eine Pause eingelegt werden, weil ein Zeuge die Grenze seiner Belastbarkeit erreicht hatte. Die Aussagen der ehemaligen Häftlinge riefen Bestürzung und Fassungslosigkeit im Publikum hervor.

Neben den Zeugen, die unter der SS gelitten hatten, wurden auch ehemalige SS-Mitglieder befragt. Es waren meist Vorgesetzte, die bereits verurteilt und teils auf freiem Fuß waren. Sie vermieden es, die Angeklagten direkt zu belasten, berichteten aber über die Verhältnisse im Lager.

Insgesamt wurden über 360 Zeugen befragt. Ein wichtiges Teil im Puzzle war das Tagebuch des Lagerkommandanten Rudolf Höß, das dieser in polnischer Haft geschrieben hatte. Um eine genaue Überprüfung der Aussagen zu ermöglichen, wurde ein Ortstermin nötig. Da zwischen Polen und Deutschland keine diplomatischen Beziehungen bestanden, war es schwer, dies auf dem offiziellen Dienstweg durchzuführen. Schließlich reiste eine Delegation drei Tage in das Lager, in dem mittlerweile ein staatliches Museum eingerichtet worden war.

Am 6. Mai 1965, nach 154 Prozesstagen, wurde die Beweisführung abgeschlossen. Das Plädoyer der Anklage nahm sechs Tage in Anspruch.

Die am 19. August 1965 begonnene Urteilsverkündung dauerte zwei Tage. Nach 183 Verhandlungstagen war die „Strafsache gegen Mulka und andere“, wie sie nach Robert Mulka, dem ranghöchsten der Angeklagten, benannt war, abgeschlossen. Von den 22 Angeklagten waren noch 20 übrig.

Die Urteile waren sechs lebenslängliche Haftstrafen, eine zehnjährige Jugendstrafe (der Angeklagte Hans Stark war erst 19 Jahre alt, als er nach Auschwitz kam) und zehn Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und vierzehn Jahren. Drei Angeklagte wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Begründung "Befehlsnotstand" ließ manche Strafe milde ausfallen.

[Bearbeiten] Die 20 Urteile im einzelnen

  • Stefan Baretzki, Blockführer: lebenslang + 8 Jahre Zuchthaus
  • Emil Bednarek, "Funktionshäftling": lebenslang
  • Wilhelm Boger, Lager-Gestapo: lebenslang + 15 Jahre Zuchthaus
  • Pery Broad, Lager-Gestapo: 4 Jahre Zuchthaus
  • Dr. Victor Capesius, Apotheker: 9 Jahre Zuchthaus
  • Klaus Dylewski, Lager-Gestapo: 5 Jahre Zuchthaus
  • Dr. Willi Frank, Leiter der SS-Zahnstation: 7 Jahre Zuchthaus
  • Emil Hantl, Sanitätsdienstgrad: 3,5 Jahre Zuchthaus
  • Karl Höcker, Adjutant: 7 Jahre Zuchthaus
  • Franz-Johann Hofmann, Schutzhaftlagerführer: lebenslang
  • Oswald Kaduk, Rapportführer: lebenslang
  • Josef Klehr, Sanitätsdienstgrad: lebenslang + 15 Jahre Zuchthaus
  • Dr. Franz Lucas, SS-Obersturmführer: 3,25 Jahre Zuchthaus
  • Robert Mulka, Adjutant: 14 Jahre Zuchthaus
  • Dr. Willi Schatz, SS-Zahnarzt: Freispruch
  • Herbert Scherpe, SS-Oberscharführer: 4,5 Jahre Zuchthaus
  • Bruno Schlage, SS-Oberscharführer: 6 Jahre Zuchthaus
  • Johann Schoberth, Politische Abteilung: Freispruch
  • Hans Stark, Lager-Gestapo: 10 Jahre Zuchthaus
  • Kurt Uhlenbroock, SS-Standortarzt: Freispruch

Hantl hatte seine Strafe bereits durch die Untersuchungshaft verbüßt. In den anderen 16 Fällen, in denen eine Zuchthausstrafe verhängt wurde, legte die Verteidigung Revision ein. Die Stimmung beim Prozess und auch in der deutschen Öffentlichkeit 1963 beschreibt die Tatsache, dass einige Polizisten salutierten, als die angeklagten SS-Offiziere den Gerichtssaal verließen.

Der Lagerkommandant Rudolf Höß war bereits 1947 in Polen zum Tode verurteilt und hingerichtet worden, Richard Baer war in der U-Haft gestorben.

[Bearbeiten] Der Prozess 1965/1966 (2. Auschwitzprozess)

Der 2. Frankfurter Auschwitzprozess begann im Dezember 1965. Dort verhängte das Landgericht Frankfurt am Main am 16. September 1966 eine lebenslange (Josef Erber) und zwei zeitige Freiheitsstrafen.

[Bearbeiten] Spätere Prozesse

  • 1973 bis 1976 fand das Verfahren gegen Sawatzki und Frey statt.
  • Von 1977 bis 1981 fand der Prozess gegen Czerwinski und Schmidt statt. Das Verfahren gegen Czerwinski wurde wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten abgetrennt und vorläufig eingestellt, Schmidt wurde 1981 zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt.

[Bearbeiten] Literatur

  • Bernd Naumann: Auschwitz. Bericht über die Strafsache gegen Mulka u. a. vor dem Schwurgericht Frankfurt. Frankfurt/M- Hamburg 1968.
  • Devin o. Pendas,: „I didnt know what Auschwitz was. The Frankfurt Auschwitz-Trial and the German Press 1963-1965“. In: Yale Journal of Law & the Humanities, Volume 12, Number 2, Summer 2000.
  • Adalbert Rückerl: Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen 1945-1978. Eine Dokumentation. Heidelberg- Karlsruhe 1979.
  • Rolf Vogel: Ein Weg aus der Vergangenheit. Eine Dokumentation zur Verjährungsfrage und zu den NS-Prozessen. Frankfurt/M- Berlin 1969.
  • Gerhard Werle: Auschwitz vor Gericht. Völkermord und bundesdeutsche Strafjustiz. München 1995.
  • Jürgen Wilke: Holocaust und NS- Prozesse. Die Presseberichterstattung in Israel und Deutschland zwischen Aneignung und Abwehr. Köln 1995.
  • Peter Weiss: Die Ermittlung

[Bearbeiten] Weblinks

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