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Wohldefiniertheit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Der Begriff der Wohldefiniertheit tritt sowohl in der Physik als auch in der Mathematik auf.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Wohldefiniertheit in der Physik

In der Physik wird der das Adjektiv wohldefiniert meist synonym mit eindeutig festlegbar verwendet. So hat in der Newton'schen Mechanik jeder Körper (aufgefasst als Massepunkt) einen "wohldefinierten" Ort, d.h. er lässt sich nach Festlegung eines Koordinatensystems eindeutig durch einen Satz von Koordinaten beschreiben.

In der Quantenmechanik besagt die bekannte Heisenbergsche Unschärferelation, dass der Ort und der Impuls eines Teilchens (beschrieben durch eine Wellenfunktion) nie gleichzeitig eindeutig festlegen lassen. Es sind also meist weder der Ort, noch der Impuls des Teilchens "wohldefiniert".

[Bearbeiten] Wohldefiniertheit in der Mathematik

In der Mathematik tritt der Begriff der Wohldefiniertheit als Eigenschaft von Funktionen und Verknüpfungen auf. Die Wohldefiniertheit zu zeigen bedeutet dabei, den Nachweis zu erbringen, dass die axiomatischen Anforderungen des Funktionsbegriffs tatsächlich erfüllt sind. Einige Autoren benutzen den Begriff Wohldefiniertheit auch synonym zur Unabhängigkeit vom Repräsentanten, welche nur einen Teilaspekt des Wohldefiniertheitsbegriffs darstellt.

[Bearbeiten] Schnellkurs: Funktionen

Gegeben seien zwei Mengen A,B. Als Funktion f bezeichnet man eine Vorschrift, die jedem Element a \in A genau ein Element b \in B zuordnet. Man bezeichnet dieses b dann als f(a) um zu betonen, dass es sich um das Element der Menge B handelt, welches a durch die Funktion f zugeordnet wird.

Ist nun f eine Funktion von der Menge A in die Menge B, so schreibt man auch f : A \to B und nennt A den Definitionsbereich und B den Wertebereich von f. Näheres zur mathematischen Fundierung erfährt man im Artikel über Funktionen.

[Bearbeiten] Wohldefiniertheit - Begriffsklärung anhand typischer Beispiele

Schon in der Schule tritt das Wohldefiniertheitsproblem auf: Man hat eine mathematische Formel mit einer Variablen x. Soll diese Formel nun als Funktion reeller Zahlen (d.h. A, B \subseteq \mathbb{R}) formuliert werden, dann müssen häufig die folgenden Fälle ausgeschlossen werden:

  • Hat man zum Beispiel die Formel f(x) = 1 / x, so darf die Null nicht im Definitionsbereich enthalten sein, da für x = 0 die Formel f(0) = 1 / 0 liefert. Durch Null zu teilen ist in den reellen Zahlen allerdings nicht erklärt, sprich es gibt keine reelle Zahl "1 / 0". (In einem erweiterten Sinne könnte man zwar 1/0 := \infty setzen. Das tut dem Beispiel aber nichts, da \infty keine reelle Zahl ist!)
  • Ebenso ist es in den reellen Zahlen nicht erklärt, die Quadratwurzel aus negativen Zahlen zu ziehen. Anders gesagt wäre die "Funktion" f : \mathbb{R} \to \mathbb{R}, x \mapsto \sqrt{x} nicht wohldefiniert, die Funktion f : \mathbb{R}_{\geq 0} \to \mathbb{R}, x \mapsto \sqrt{x} hingegen schon.
  • Die Formel f(c) = \pm\sqrt{c} liefert alle Lösungen der reellen Gleichung x2 = c. Als Funktion kann diese Formel allerdings nur im Fall c = 0 geschrieben werden:
    Ist c < 0, so greift das vorangehende Beispiel.
    Ist c > 0, dann werden dem Wert c zwei Elemente zugeordnet, was dem Funktionsbegriff widerspricht.
  • Schreibt man die Formel f(x) = 2x als "Funktion" f : \mathbb{Z} \to \mathbb{N}, x \mapsto 2 \cdot x, so wird dem Wert x = − 2 zwar der Wert f( − 2) = − 4 zugeordnet. Das ist in diesem Fall aber nicht zulässig, da − 4 keine natürliche Zahl ist und somit nicht im Wertebereich liegt.
  • Innere Verknüpfungen einer algebraischen Struktur G (z.B. einer Gruppe) sind ebenfalls Funktionen (meist mit zwei Argumenten). Für sie gelten also dieselben Bedingungen: Die Verknüpfung von Elementen der Struktur G muss ein eindeutig bestimmtes Element von G ergeben. Hier wird oft fälschlicherweise der Ausdruck Abgeschlossenheit benutzt, welcher sich aber auf die Definition von Unterstrukturen bezieht.

Hat man einen der genannten Fälle nicht ausgeschlossen, dann ist eine der in der Definition des Begriffes Funktion formulierten Anforderungen nicht erfüllt; man sagt "f ist nicht wohldefiniert". In diesem Sinne drückt nicht wohldefiniert also aus, dass f zwar wie eine Funktion notiert wurde, aber eigentlich keine Funktion ist.

Wir wenden uns nun einem Spezialfall zu, der vor allem bei Mathematikstudenten im ersten Semester auf Unverständnis trifft, da er im Schulunterricht ohne weiteres ausgeblendet werden kann und auch wird. Seine Bedeutung für die reine Mathematik als oft genutzte, mengentheoretische Konstruktion ist allerdings enorm.

[Bearbeiten] Spezialfall: Repräsentantenunabhängigkeit

Betrachten wir zunächst ein konkretes Beispiel: Wir wissen, dass sich jede rationale Zahl als Bruch aus zwei ganzen Zahlen, dem Zähler und dem Nenner, schreiben lässt. Sei also f : \mathbb{Q} \to \mathbb{Z} die "Funktion", die jeder rationalen Zahl ihren Zähler zuordnet.

Es gilt nun f(1 / 2) = 1 und f(2 / 4) = 2, was nicht sinnvoll erscheint, da ja bekanntlich 1 / 2 = 2 / 4 gilt. Das Problem hierfür liegt darin, dass 1 / 2 zwar einen eindeutigen Wert als Dezimalbruch hat (genauer: es ist das eindeutig bestimmte, multiplikative Inverse der 2 im Körper \mathbb{Q}), aber unendlich viele Darstellungen als Bruch zweier ganzer Zahlen besitzt.

Ein wesentlicher Aspekt der Wohldefiniertheit ist also die sogenannte Unabhängigkeit vom Repräsentanten, d.h. hat ein und dasselbe Element a \in A mehrere Darstellungen (im Beispiel: 1 / 2, 2 / 4, 3 / 6, ...), dann muss eine Funktion f : A \to B diesem Element genau einen Wert f(a) zuordnen, egal in welcher Darstellung a auftritt.

Wir wenden uns nun der abstrakt mathematischen Formulierung dieses Problems zu:

[Bearbeiten] Induzierte Abbildungen

Gegeben seien zwei Mengen A,B und die Äquivalenzrelationen \sim_1 auf A und \sim_2 auf B. Wir bezeichnen nun mit [a]1 die Äquivalenzklasse des Elements a \in A bezüglich \sim_1 und mit [b]2 die Äquivalenzklasse des Elements b \in B bezüglich \sim_2.

Hat man nun eine Funktion f : A \to B gegeben, so induziert diese eine Funktion g : A_{/\sim_1} \to B_{/\sim_2} auf den so genannten Faktormengen gemäß der Vorschrift

g([a]1): = [f(a)]2

g heißt die von f induzierte Abbildung.

Um die Wohldefiniertheit von g zu zeigen, haben wir nachzuweisen, dass der Wert g([a]1) (wie am konkreten Beispiel erklärt) unabhängig vom Repräsentanten der Äquivalenzklasse [a]1 ist. Anders gesagt muss gelten:

Falls [x]1 = [y]1, dann folgt [f(x)]2 = [f(y)]2.

Dies gilt im Allgemeinen nicht. Wir wollen konkrete Beispiele betrachten:

  • Es sei A = \mathbb{Z} und B = {0,1}. Als Äquivalenzrelation \sim_1 wählen wir die "Äquivalenz modulo 3", d.h. es gelte
x\sim_1 y,\quad\mathrm{falls}\quad \frac{x-y}{3}\in\mathbb{Z}
Die Äquivalenzrelation \sim_2 sei die gewöhnliche Gleichheit, d.h. es gilt B = B_{/\sim_2}, da alle Äquivalenzklassen einelementig sind. Als Funktion wählen wir
f : \mathbb{Z} \to \{0, 1\}, x \mapsto \left\{\begin{matrix}  0 & \mbox{falls x gerade} \\  1 & \mbox{falls x ungerade} \end{matrix}\right.
Die induzierte Abbildung ist dann
g : \mathbb{Z}_{/\sim_1} \to \{0, 1\}, [x]_1 \mapsto \left\{\begin{matrix}  0 & \mbox{falls x gerade} \\  1 & \mbox{falls x ungerade} \end{matrix}\right.
Es gilt nun [5]1 = [8]1, aber g([5]_1) = 1 \neq 0 = g([8]_1). In diesem Fall ist also die induzierte Abbildung g nicht wohldefiniert.
  • Es sei A = B = \mathbb{R}. Die Äquivalenzrelation \sim_1 sei erklärt durch
x\sim_1 y,\quad\mathrm{falls}\quad \frac{x-y}{2\pi}\in\mathbb{Z}
und \sim_2 sei wieder die gewöhnliche Gleichheit. Der reelle Cosinus induziert nun die Abbildung
g: \mathbb{R}_{/\sim_1} \to \mathbb{R}, [x]_1 = \cos(x).
Diese Abbildung ist wohldefiniert, wie man folgendermaßen zeigt:
Seien x, y \in \mathbb{R} beliebig mit der Eigenschaft [x]1 = [y]1. Gemäß der Definition von \sim_1 existiert nun ein k \in \mathbb{Z} mit x = y + k \cdot 2\pi und deshalb folgt g([x]_1) = \cos(x) = \cos(y + k \cdot 2\pi) = \cos(y) = g([y]_1), wobei wir die Tatsache verwendet haben, dass der Cosinus eine Periode von besitzt.

[Bearbeiten] Induzierte Verknüpfung

Analoge Forderungen erhält man, wenn man eine Verknüpfung " * " auf einer algebraischen Struktur A nimmt und versucht, eine induzierte Verknüpfung auf der Faktorstruktur A_{/\sim} (\sim sei eine Äquivalenzrelation auf A) zu definieren:

* : A_{/\sim} \times A_{/\sim} \to A_{/\sim}, [x]*[y] := [x * y]

Auch hier muss gelten, dass verschiedene Repräsentanten derselben Klassen stets dasselbe Ergebnis liefern, um von einer wohldefinierten Verknüpfung auf der Faktorstruktur sprechen zu können.

Faktorstrukturen haben sich als wichtige Hilfsmittel zur Untersuchung der Ausgangsstruktur erwiesen. So interessiert man sich zum Beispiel in der Gruppentheorie für die Menge der sogenannten Linksnebenklassen einer Untergruppe H in einer Gruppe G. Sie ist als G/H = \{gH|g\in G\} definiert.

Wir wollen uns nun Beispiele ansehen, die weniger abstrakt sind:

  • Die Addition und Multiplikation in einem Restklassenring \mathbb{Z} / n\mathbb{Z} (n \in \mathbb{N}) sind wohldefiniert. Die Restklassen-Addition ist gerade die von der Addition in \mathbb{Z} und dem Normalteiler n\mathbb{Z} induzierte Verknüpfung.
  • Ist N ein Normalteiler der Gruppe G, dann ist die auf G / N induzierte Verknüpfung wohldefiniert, und G / N heißt Faktorgruppe. Die Eigenschaft, Normalteiler zu sein, ist sogar äquivalent dazu, dass die induzierte Verknüpfung auf der Faktormenge G / H wohldefiniert ist.
  • Wir betrachten die symmetrische Gruppe S3 = {id,(1,2),(1,3),(2,3),(1,2,3),(1,3,2)} und darin die Untergruppe U: = {id,(1,2)}n. Die auf der Faktormenge S3 / U induzierte Verknüpfung ist nicht wohldefiniert. Wir untersuchen das Produkt [id][(1,3,2)].
Es ist [id] = {id,(1,2)} = [(1,2)]. Das Produkt hängt jedoch von der Wahl des "linken" Repräsentanten ab:
(1,2)(1,3,2) = (1,3) \neq (1,3,2) = id (1,3,2)
  • Die Verknüpfung p: \mathbb{Z}/3\mathbb{Z} \times \mathbb{Z}/3\mathbb{Z} \to \mathbb{Z}/3\mathbb{Z} gegeben durch p([a],[b]): = [ | a | | b | ] ist nicht wohldefiniert:
Es gilt [2] = [5] und [6] = [3], aber man findet
p([2],[6]) = [26] = [64] = [63 + 1] = [3 * 21 + 1] = [1]
p([5],[3]) = [ 5 ^ 3 ] = [125] = [123 + 2] = [ 3 * 41 + 2] = [2] \neq [1]
und es folgt, dass die Verknüpfung p nicht wohldefiniert ist.
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