Algebraische Struktur
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Der Begriff Algebraische Struktur beschreibt einen mathematischen Gegenstand. Als ein Synonym wird auch Allgemeine Algebra verwendet. Jedoch bezeichnet man mit dem Wort Allgemeine Algebra auch das Teilgebiet der Mathematik, welches die Algebraischen Strukturen zum Untersuchungsgegenstand hat (eng. universal algebra). Deshalb ist es besser, das mathematische Objekt mit Algebraischer Struktur zu benennen als mit Allgemeiner Algebra. Dieser Artikel handelt von dem mathematischen Gegenstand. Eine Beschreibung des Teilgebietes mit geschichtlichem Hintergrund findet man in dem Artikel abstrakte Algebra.
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[Bearbeiten] Definition der algebraischen Struktur
[Bearbeiten] Variante 1
Eine algebraische Struktur ist eine Menge A zusammen mit einer Menge von Verknüpfungen auf A. (Operationen die mehrere Mengen einbeziehen -> Lit.: Ehrig) Eine n-stellige Verknüpfung auf A ist eine Funktion f: An -> A, die n Elemente von A nimmt und ein Element von A liefert. Eine 0-stellige Verknüpfung ist einfach ein Element von A, eine Konstante, oft durch einen Buchstaben oder eine Zahl bezeichnet (e, 0, 1). Eine einstellige Verknüpfung ist eine Funktion von A nach A, oft durch ein Symbol vor oder hinter dem Argument bezeichnet (-n, n-1, n!). Eine zweistellige Verknüpfung wird oft durch ein Symbol zwischen den beiden Argumenten bezeichnet (a+b, a*b, f o g). Verknüpfungen höherer Stelligkeit schreibt man meist als Funktion (f(x, y, z)).
Der "Typ" oder die "Signatur" einer Algebra beschreibt die Stelligkeiten der Verknüpfungen. So wird zum Beispiel eine Gruppe meist als Struktur (G, *, -1,1) aufgefasst, wobei G die Grundmenge ist, * eine Funktion von GxG nach G (also eine zweistellige Funktion), -1 eine einstellige Funktion (von G nach G), und 1 eine Konstante (auch nullstellige Funktion genannt). Abkürzend sagt man: Der Typ einer Gruppe ist (2,1,0).
Nachdem die Verknüpfungen angegeben sind, spezifiziert man die Natur der Algebra durch Axiome, die in der universellen Algebra (Teilgebiet der Mathematik) meist in Form von Gleichungen geschrieben werden. Ein Beispiel ist das Assoziativgesetz für eine zweistellige Verknüpfung, x * (y * z) = (x * y) * z. Das Axiom soll dann für alle Elemente x, y, z von A gelten.
[Bearbeiten] Variante 2
Seien m, n aus N0 (natürliche Zahlen mit 0) und eine Menge A gegeben. Falls in A innere Verknüpfungen und äußere Verknüpfungen mit einem Operatorenbereich Ω gegeben sind, so nennt man das n+m+2-Tupel
eine algebraische Struktur oder kurz Algebra.
Ist n = 0 so schreibt man kürzer
Das Tripel τ = (m,n,Ω) heißt der Typ von A. Für n = 0 schreibt man kürzer τ = (m).
Zusätzlich fordert man für eine algebraische Struktur noch oft, dass die Verknüpfungen bestimmte, Axiome genannte Bedingungen erfüllen (z.B. spricht man von "Gruppenaxiomen").
Manchmal (etwa im Kontext der Modelltheorie) erweist es sich als praktisch, die leere Menge A nicht als Trägermenge einer Algebra zuzulassen; manchmal wird die leere Menge auch explizit zugelassen (etwa damit sichergestellt ist, dass die Menge aller Unteralgebren einer Algebra einen Verband bildet). Die Menge der Verknüpfungen ist meist (wie oben beschrieben) endlich; hier ist die leere Menge jedenfalls zugelassen; gelegentlich werden auch unendliche Mengen von Verknüpfungen betrachtet.
[Bearbeiten] Homomorphismen
Nachdem wir die Verknüpfungen und Axiome unserer Algebra definiert haben, definieren wir nun Homomorphismen zwischen zwei Algebren A und B vom selben Typ (sie haben also Verknüpfungen von jeweils gleichen Stelligkeiten; einander entsprechende Verknüpfungen werden meist mit dem gleichen Symbol bezeichnet, so schreibt man etwa in jeder betrachteten Gruppe die Gruppenoperation als "*" an.). Ein Homomorphismus h: A → B ist eine Funktion, die für jede Verknüpfung f (mit der Stelligkeit n) diese Bedingung erfüllt:
- h(fA(x1, ..., xn)) = fB(h(x1), ..., h(xn))
(Hier stehen Indices an der Verknüpfung f, um zu unterscheiden, welche der beiden Versionen gemeint ist. In der Praxis ergibt sich das aus dem Kontext, so dass diese Unterscheidung weggelassen wird.) Ist zum Beispiel e eine Konstante (0-stellige Verknüpfung), dann ist h(eA) = eB. Ist ~ eine einstellige Verknüpfung, dann ist h(~x) = ~h(x). Ist * eine binäre Verknüpfung, dann ist h(x * y) = h(x) * h(y). Ein bijektiver Homomorphismus, dessen Umkehrfunktion ein Homomorphismus ist, heißt Isomorphismus.
Siehe auch: Homomorphiesatz.
[Bearbeiten] Unterstrukturen (Unteralgebren)
Ist A die Grundmenge einer algebraischen Struktur, so kann man auf einer Teilmenge von A eine neue algebraische Struktur des gleichen Typs definieren, falls die Menge B so gewählt ist, dass die Verknüpfungen der ursprünglichen Struktur nicht aus der Menge B herausführen. Das bedeutet, wenn man die Verknüpfungen der ursprünglichen algebraischen Struktur auf die Elemente von B anwendet, dürfen keine Elemente entstehen, die nicht in B sind. In der konkreten Anwendung sind z.B. Untergruppen Unterstrukturen einer Gruppe. Je nachdem, wie man die Gleichungen zur Definition der algebraischen Struktur gewählt hat, können die Unterstrukturen verschieden aussehen. So lassen sich z.B. Gruppen so definieren, dass Unterstrukturen Normalteiler sein können.
[Bearbeiten] Kongruenzrelationen
Auf algebraischen Strukturen lassen sich spezielle Typen von Äquivalenzrelationen finden, die mit den Verknüpfungen einer algebraischen Struktur gut verträglich sind. Diese werden dann Kongruenzrelationen genannt. Mit Hilfe von Kongruenzrelationen lassen sich Faktoralgebren bilden, d.h. es wird aus der ursprünglichen Algebra eine Algebra gleichen Typs erzeugt, deren Elemente allerdings dann die Äquivalenzklassen bezüglich der Kongruenzrelation sind. Die Verknüpfungen sind aufgrund der speziellen Eigenschaften der Kongruenzrelation wohldefiniert. In der konkreten Anwendung entsprechen z.B. Normalteiler (bei Gruppen) oder Ideale (bei Ringen) den Kongruenzrelationen, d.h. durch Faktorisierung nach diesen Unterstrukturen entstehen die gleichen Algebren wie bei Faktorisierung nach einer Kongruenzrelation.
[Bearbeiten] Produkte
Bildet man das direkte Produkt der Grundmengen mehrerer Algebren des gleichen Typs, so kann man wiederum eine neue Algebra auf dieser Produktmenge erhalten, indem man die neuen Verknüpfungen dieser Algebra komponentenweise definiert. Diese kann allerdings andere Eigenschaften haben, als die ursprüngliche Algebra, da z.B. das Produkt von Körpern nicht mehr ein Körper sein muss.
[Bearbeiten] Zoo der algebraischen Strukturen
[Bearbeiten] Gruppen
Um zu sehen, wie das funktioniert, betrachten wir die Definition einer Gruppe. Üblicherweise ist eine Gruppe definiert als eine Menge A mit einer zweistelligen Verknüpfung *, wobei die folgenden drei Axiome erfüllt sind:
- x * (y * z) = (x * y) * z (Assoziativität)
- es gibt ein e so dass e * x = x = x * e (neutrales Element)
- für jedes x gibt es ein i so dass x * i = e = i * x (inverses Element)
(Manchmal findet man noch die Forderung der "Abgeschlossenheit", dass x * y wieder in A liegen soll, aber aus der Sicht eines Algebraikers beinhaltet der Begriff der "zweistelligen Verknüpfung" diese Eigenschaft bereits.)
Diese Definition hat aber die Eigenschaft, dass die Axiome nicht allein durch Gleichungen ausgedrückt werden, sondern auch den Quantor "es gibt ... so dass" enthalten; in der universellen Algebra versucht man deshalb solche Axiome zu vermeiden. Die Vereinfachung der Axiome auf eine reine Gleichungsform ist hier nicht schwierig: Wir fügen eine 0-stellige Verknüpfung e und eine einstellige Verknüpfung "-1" hinzu und definieren eine Gruppe als eine Menge A mit einer zweistelligen Verknüpfung *, einem Element e und einer einstelligen Verknüpfung "-1", die den folgenden Axiomen genügt:
- x * (y * z) = (x * y) * z
- e * x = x = x * e
- x * (x-1) = e = (x-1) * x
Es ist nun wichtig zu prüfen, ob wir damit tatsächlich die Definition einer Gruppe erreicht haben. Es könnte ja sein, dass wir noch mehr Informationen brauchen, um aus einer dieser "Universal-Algebra-Gruppen" eine "gewöhnliche" Gruppe zu machen oder umgekehrt. Nichts in der Definition der Gruppe besagt zum Beispiel, dass das neutrale Element eindeutig ist, und wenn es ein zweites neutrales Element e' gäbe, welches der beiden sollte dann der Wert der 0-stelligen Verknüpfung e sein? Dies ist jedoch hier kein Problem, da das neutrale Element stets eindeutig bestimmt ist, und dasselbe gilt auch für das inverse Element jedes x. Also stimmen die beiden Definitionen einer Gruppe überein.
[Bearbeiten] Arten von Algebraischen Strukturen
In der folgenden Liste werden alle (2-stelligen) Verknüpfungen, neutrale Elemente (= 0-stellige Verknüpfungen), Inversenabbildungen (= 1-stellige Verknüpfungen) und Operatorbereiche angegeben.
Im normalen Gebrauch gibt man dagegen für algebraische Strukturen nur die zweistelligen Verknüpfungen und die Operatorbereiche an (manchmal noch die neutralen Elemente), für alle anderen gibt es meist Standardnotationen.
Eine nicht vollständige Liste verschiedener algebraischer Strukturen:
- Magma (G,*): eine Menge mit einer zweistelligen Verknüpfung *
- Quasigruppe (G,*): ein Gruppoid in dem die Division stets (eindeutig) möglich ist
- Loop (G,*,1): eine Quasigruppe mit einem neutralen Element
- Halbgruppe (G,*): ein assoziatives Gruppoid
- Monoid (G,*,1): eine Halbgruppe mit einem neutralen Element 1
- Gruppe (G,*,1,-1): ein Monoid mit einem inversen Element a-1 für jedes a, oder äquivalent dazu, eine assoziative Loop
- Abelsche Gruppe (G,+,0,-): eine kommutative Gruppe (wird meist additiv geschrieben, das "Inverse" von a ist das Negative -a)
- Ring (R,+,0,-,·): eine Menge R mit zwei Verknüpfungen + (Addition) und · (Multiplikation), so dass (R,+,0,-) eine abelsche Gruppe, (R,·) eine Halbgruppe ist und die Distributivgesetze erfüllt sind
- Unitärer Ring (R,+,0,-,·,1): ein Ring mit neutralem Element 1 für die Multiplikation
- Körper (R,+,0,-,·,1,-1): ein Ring, so dass (R\{0},·,1,-1) eine abelsche Gruppe ist
- Modul (M,+,0,-,·,R) über einem Ring R: Eine Menge M mit einer inneren Verknüpfung + und einer äußeren Verknüpfung ·: R×M -> M (Skalarmultiplikation), so dass (M,+,0,-) eine abelsche Gruppe ist, die Skalarmultiplikation assoziativ ist und die Distributivgesetze erfüllt sind
- Vektorraum (V,+,0,-,·,K): ein Modul über einem Körper K
- Algebra (V,+,0,-,·,*,K): Ein Vektorraum (oder Modul) mit einer bilinearen Verknüpfung * ("Vektormultiplikation"), die die Distributivgesetze erfüllt und assoziativ mit der Skalarmultiplikation ist (sie muss nicht selbst assoziativ sein!)
- Assoziative Algebra: eine K-Algebra, deren Multiplikation assoziativ ist
- Kommutative Algebra: eine assoziative K-Algebra, deren Multiplikation kommutativ ist
- (algebraischer) Verband (V, , ): eine Menge mit zwei kommutativen, assoziativen, idempotenten Verknüpfungen (Durchschnitt und Vereinigung), die Absorptionsgesetze erfüllen
- Boolescher Verband (V, , ,0,1,¬): ein Verband mit neutralen Elementen 0 und 1 für und , der zwei Distributivgesetze erfüllt und Komplemente ¬a hat
- Menge: eine algebraische Struktur ohne Verknüpfungen
[Bearbeiten] Beispiele algebraischer Strukturen
Für eine ausführlichere Übersicht siehe Hierarchie mathematischer Strukturen.
[Bearbeiten] Mit einer zweistelligen Verknüpfung
[Bearbeiten] Mit mehreren Verknüpfungen
[Bearbeiten] Eigenschaften
Algebraische Strukturen können gleichzeitig auch nicht-algebraische Strukturen sein, wie z.B. topologische Räume. Eine topologische Gruppe ist ein topologischer Raum mit einer Gruppenstruktur, so dass die Operationen Multiplikation und Inversenbildung stetig sind. Eine topologische Gruppe hat sowohl eine topologische, als auch eine algebraische Struktur. Andere häufige Beispiele sind topologische Vektorräume und Lie-Gruppen.
Jede algebraische Struktur hat ihren eigenen Homomorphismus-Begriff. Ein Homomorphismus ist dabei stets eine Funktion zwischen gleichartigen Strukturen, die mit allen Verknüpfungen vertauschbar ist. In diesem Sinne definiert jede algebraische Struktur eine Kategorie.
[Bearbeiten] Ausblick
Dieser Artikel reicht nicht aus, die Vielfalt der Ergebnisse der universellen Algebra zu zeigen. Die Motivation der universellen Algebra ist die große Anzahl verschiedener Algebren (im Sinne der universellen Algebra), wie z.B. Gruppen, Monoide, Verbände, die aber alle ähnliche Theoreme zulassen. Vor der Entwicklung der universellen Algebra wurden viele Theoreme (vor allen die Isomorphiesätze) für jede Struktur einzeln bewiesen, aber nun kann man sie ein einziges Mal für alle Arten algebraischer Strukturen beweisen.
Eine noch allgemeinere Idee liegt der Kategorientheorie zugrunde. Sie ist auf viele Situationen anwendbar, die in universeller Algebra nicht darstellbar sind, und liefert so weiter reichende Aussagen. Umgekehrt lassen sich manche Aussagen der universellen Algebra nicht auf alle Kategorien übertragen. So sind also beide Teilgebiete nützlich. Die Verbindung zwischen ihnen ist diese: Für vorgebenene Verknüpfungen und Axiome bilden die zugehörigen Algebren und Homomorphismen eine Kategorie.
[Bearbeiten] Literatur
- P. M. Cohn, Universal Algebra. Harper & Row, New York 1965
- H. Ehrig, B. Mahr, F. Cornelius, M. Grosse-Rhode, & P. Zeitz. Mathematisch-strukturelle Grundlagen der Informatik. Springer 2001. ISBN 3-540-41923-3
- Nathan Jacobson, Basic Algebra I & II. W.H.Freeman and Company, San Francisco 1980. ISBN 0-7167-1480-9, ISBN 0-7167-1933-9
- K. Meyberg, Algebra Teil 1 & 2. Carl Hanser Verlag, München 1975/76
- van der Waerden, Algebra 1. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1971. ISBN 3-540-03561-3