Summa theologica
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Summa theologica (auch Summa theologiae) bezeichnet eine Schrift von Thomas von Aquin aus den Jahren 1265 oder 1266 bis 1273. Korrekt lautet die Bezeichnung Summa de theologia (deutsch: „Die theologische Summe“, im übertragenen Sinne: „Die katholische Wahrheit“).
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[Bearbeiten] Einführung
Thomas von Aquin erstellte ein System, in dem er Glauben und Wissen seiner Zeit aufeinander bezieht. Thomas zeigt, dass Gott das Sein selbst ist. Sein Wesen fällt - im Gegensatz zu allem Geschöpflichen - mit seinem Sein zusammen (vgl. auch die Natürliche Theologie). Von diesem Sein Gottes ist dementsprechend das endliche Sein aller Geschöpfe zu unterscheiden. Das endliche Sein ist auf das unendliche Sein Gottes bezogen, ja nur durch dieses überhaupt möglich. D.h.: Gott ist das unendliche Sein; die Geschöpfe das endliche Sein.
Thomas versammelte in dieser Summa auch einige umstrittene Gottesbeweise. Die Lehre vom Sein (Ontologie) übernahm Thomas von Aristoteles und entwickelte sie weiter.
Zu den anthropologischen, rechts- und staatsphilosophisch wichtigen Aussagen gehören u.a.:
- Der Mensch ist für ihn ein Wesen der Gesellschaft und des Staates, in dem das Wesen dem Sozialen und Politischen zugehörig ist.
- Hauptaufgabe der Politik ist die Erhaltung des Friedens.
- Thomas gibt der Monarchie von allen Verfassungen den Vorzug (König soll in seiner Herrschaft das verwirklichen, was die Seele im Leib und Gott in der ganzen Welt bewirkt).
- Um das Prinzip des Friedens auch im Inneren des Staates zu sichern, befürwortet er die konstitutionelle Monarchie (in der das Volk den Fürsten wählt und Mitverantwortung übernimmt). Aristokratie soll Funktionen der Gewaltenteilung übernehmen.
- Gegenüber einem Tyrannen hat das Volk das Recht des Widerstandes, um Gerechtigkeit durchzusetzen.
- Papst und Kaiser sind beauftragt, die Menschen zum Ziel des Gottesrechtes zu erziehen. In dieser Beziehung sind die Könige dem Papst untergeordnet.
- Dennoch hat der Staat eine Eigengesetzlichkeit, weil das Recht und die Autorität des Staates auf die Natur und nicht die Kirche zurückgeht.
[Bearbeiten] Charakter des Werks
Das Hauptwerk des Thomas wird von vielen als das überragendste philosophisch-theologische Werk überhaupt angesehen. Das Werk ist in drei Teile gegliedert; der 3. Teil blieb unvollendet und wurde von Schülern des Thomas durch ein „Supplementum“ ergänzt. Die drei Teile sind in Quaestionen, diese in Artikel unterteilt. Eingeleitet werden die Artikel durch Einwände; auf sie folgt meist ein Gegenargument (sed contra), im Artikelkern (corpus articuli) wird anschließend die Analyse bzw. Lehrentscheidung vorgenommen, auf diese folgt zuletzt die Stellungnahme zu den Einwänden. Behandelt werden unter anderem die philosophisch-theologische Gotteslehre, Moral- und Tugendlehre sowie Christologie und Sakramente. Als Quellen benutzte Thomas die Heilige Schrift, Kirchenväter und Theologen, die als Autoritäten galten, liturgische Texte sowie Philosophen, unter ihnen vornehmlich Aristoteles. Außerdem nennt Thomas bisweilen schwierig zu bestimmende „quidam“, deren Lehren im 13. Jahrhundert kursierten, weiterhin Konzilien, kirchliche Anordnungen und kirchenrechtliche Quellen. Im Prolog sagt Thomas ausdrücklich, dass er sich an Anfänger (incipientes, novicii) wendet; hierdurch erklärt sich der pädagogisch-systematische Aufbau.
[Bearbeiten] Aufbau
[Bearbeiten] 1. Teil
Die erste Quaestio des 1. Teils erweist die Theologie als Wissenschaft, erläutert ihre Methode und ihre Vorrangstellung gegenüber anderen Wissenschaften. Hauptthema des 1. Teils ist die philosophisch-theologische Gotteslehre, Sein und Wesenheit Gottes und die Trinität. Gott ist das in sich gründende Sein selbst. Alles andere ist nicht sein eigenes Sein, sondern hat das Sein durch Partizipation. Daher ist Gott erste Zielursache, urbildliche und wirkende Ursache aller Seienden und zwar durch seinen Willen; die „materia prima“ ist von Gott aus Nichts erschaffen. Ob Gott die Welt von Ewigkeit her erschuf oder ob zugleich mit der Zeit Himmel und Erde erschaffen wurden, ist Glaubenslehre und kann durch die Vernunft nicht entschieden werden.
Bei der Frage nach dem Ursprung des Schlechten trifft Thomas eine klassisch gewordenen Unterscheidung: Das Schlechte, das in einem Mangel der Tätigkeit besteht oder durch einen Mangel des Wirkenden verursacht wird, kann nicht auf Gott zurückgeführt werden. Das Schlechte, das in der Zerstörung mancher Dinge besteht, ist von Gott verursacht, denn die Ordnung des Weltalls erfordert, dass es Dinge gibt, die versagen können und bisweilen versagen. Zur Ordnung der Welt gehört auch die Ordnung der Gerechtigkeit, die verlangt, dass die Sünder bestraft werden. Insofern Strafe für den Bestraften etwas Schlechtes ist, ist Gott Urheber des Schlechten; er ist aber nicht Urheber des Schlechten, das Schuld bzw. Böses ist.
Nach der Engel- und Dämonenlehre wird die Erschaffung der stofflichen Seienden behandelt; die Gliederung dieses Teils schließt an den Bericht der Genesis über das Sechstagewerk an.
Mit der Quaestio 75 beginnt die Lehre von der Erschaffung des Menschen. Zuerst werden das Wesen der menschlichen Seele und ihre Kräfte untersucht. Die menschliche Geist-Seele wird im aristotelischen Sinne als Formprinzip des Leibes betrachtet.
Besonders wichtig sind die Quaestionen 84 - 88 über die geistige Erkenntnis. Die folgenden Erörterungen betreffen die Leitung der Welt, die Einwirkung der Engel und Dämonen auf die Welt, sodann die Einwirkung der Himmelskörper auf das irdische Geschehen. Da es sich hierbei um das Wirken der Zweitursachen handelt, deren Ordnung Schicksal (fatum) heißt, geht Thomas in vier Artikeln auf dieses ein. Die letzten Quaestionen des 1. Teils sind menschlicher Wirksamkeit und Fortpflanzung gewidmet.
[Bearbeiten] 2. Teil
Im 2. Teil wird die Morallehre vorgelegt. Hauptthema ist das letzte Ziel menschlichen Lebens und das, wodurch der Mensch zu diesem Ziel gelangen oder es verfehlen kann. Jedes Handeln und Geschehen erfolgt um eines Zieles willen. Vernunftbegabte Wesen wie der Mensch leiten sich gleichsam selbst zum Ziel, weil sie vermittelst ihrer Entscheidungsfreiheit die Herrschaft über ihre Handlungen haben; vernunftlose Geschöpfe haben eine natürliche Hinordnung zum Ziel. Letztes Ziel aller Menschen ist die Glückseligkeit (beatitudo), über deren Inhalt freilich oft Unklarheit herrscht. Die vollkommene Glückseligkeit besteht in der Schau der göttlichen Wesenheit und ist in diesem Leben nicht zu erlangen. Weil der Mensch dieses Ziel aufgrund von Handlungen erreicht, werden diese untersucht. Diese Untersuchung wird zuerst im allgemeinen, dann im besonderen vorgenommen, womit Thomas sich der Tugendlehre zuwendet. Tugend (virtus) ist „eine gute Beschaffenheil - im Sinne von Habitus - des Geistes, aufgrund der richtig gelebt wird, die niemand schlecht gebraucht, die Gott in uns ohne unsere Mithilfe bewirkt“. Zum letzteren wird ausgeführt, dass es sich hierbei um eine eingegossene Tugend (virtus infusa) handelt, die von Gott zwar ohne unsere Aktivität, nicht aber ohne unsere Zustimmung verursacht wird. Alle Bereiche der Tugendlehre werden von Thomas berücksichtigt: Die dianoetischen (virtutes intellectuales), die theologischen (Glaube, Hoffnung, Liebe), die moralischen Tugenden und die Sünden; Gesetz im allgemeinen und im besonderen, göttliche Gnade und Rechtfertigung.
Während die Untersuchungen in der ersten Hälfte des zweiten Teils meist allgemeiner Natur sind, haben sie in der zweiten Hälfte speziellen Charakter. Zur viel diskutierten Frage nach dem Vorrang der vita activa oder der vita contemplativa nimmt Thomas in folgender Weise Stellung: Die „vita contemplativa" ist generell besser als die „vita activa“; aufgrund besonderer Umstände ist aber nicht selten der „vita activa“ der Vorzug zu geben.
[Bearbeiten] 3. Teil
Der unvollendete 3. Teil behandelt die Christologie und die Sakramente (Taufe. Firmung, Eucharistie, Buße). Das Supplementum ergänzt die Ausführungen über die Buße und fügt die Abhandlungen über letzte Ölung (extrema unctio), Priesterweihe und Ehe hinzu. Den Abschluss bilden Erörterungen über das Geschick der Seelen nach dem Tod, über Weltende, Auferstehung, Gericht, ewige Seligkeit und Verdammnis.
[Bearbeiten] Bewertung
Die Summa theologica ist ein theologisches Werk und beruht in Struktur und Inhalt auf der Offenbarung Gottes, die analysiert, dargelegt und auf ihre Konsequenzen hin untersucht wird. Jedoch werden zur Erklärung und Verteidigung theologischer Lehren sehr häufig philosophische Einsichten herangezogen. Wenn man diese Abschnitte aus ihrem theologischen Kontext herauslöst, hat man komplette philosophische Kurzabhandlungen, vor allem im Bereich der Metaphysik, Anthropologie und Moralphilosophie. Insofern kommt dem Werk auch eine sehr große philosophische Bedeutung zu. Die Sprache des Werkes ist kunstlos, aber von großer Klarheit. Die Theologie wird konsequent mit der von Aristoteles überkommenen Begrifflichkeit durchdrungen. So ist Thomas beispielsweise der erste Scholastiker, der die menschliche Seele als Formprinzip (forma) des Leibes betrachtet.
[Bearbeiten] Literatur
- Artikel „Thomas von Aquin: Summa theologica“ in: Franco Volpi (Hrsg.): Großes Werklexikon der Philosophie, Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83901-6
- Martin Grabmann: Einführung in die „Summa theologiae.“ 2. Aufl. Freiburg i.Br. 1928.
- David Berger: Thomas von Aquins "Summa theologiae", Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 2004.
- Horst Seidl (Hrsg. und Übersetzer): Die Gottesbeweise in der „Summe gegen die Heiden" und der „Summe der Theologie", zweite Auflage, Hamburg 1986. ISBN 3-7873-1192-0
[Bearbeiten] Siehe auch
Summa contra gentiles, Scholastische Methode
[Bearbeiten] Weblinks
- Summa Theologica deutsch - lateinisch