Rosenstraße-Protest
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Der Rosenstraße-Protest war die größte spontane Protestdemonstration in Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus. Ende Februar und Anfang März 1943 verlangten "arische" Ehepartner aus „Mischehen“ und andere Angehörige von verhafteten Juden deren Freilassung.
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[Bearbeiten] Verlauf
Am 27. Februar 1943 begannen SS und Gestapo in der sogenannten „Fabrikaktion“, die noch verbliebenen Berliner Juden zu verhaften und in mehrere Sammellager zu bringen. Unter den Verhafteten befanden sich zahlreiche Partner aus deutsch-jüdischen „Mischehen“ und „Geltungsjuden“. Diese (etwa 2.000 Personen) wurden aussortiert und in das Gebäude der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2 - 4 verbracht.
Bereits am Abend des 27. Februar bildete sich vor dem Gebäude eine Menschenmenge, die sich vorwiegend aus Frauen und Angehörigen der Inhaftierten zusammensetzte. Zeitweilig wurde unüberhörbar die Freilassung dieser Angehörigen gefordert.
Auch in den nächsten Tagen blieb diese Menschenansammlung aus mehreren hundert ständig wechselnden Teilnehmern bestehen. Die Polizei forderte die Frauen mehrfach auf, die Straße zu verlassen. Doch wichen diese nur in Seitenstraßen aus, um kurz danach zurückzukommen. Es gibt Zeugenaussagen, nach denen die Polizei auch mit dem Einsatz von Waffengewalt drohte oder gar einige der Demonstrantinnen verhaftete. Beides wird jedoch nicht durch weitere Zeugen oder andere Quellen bestätigt und ist daher unter Historikern umstritten.
Am 4. März kam es vor dem Sammellager in der Großen Hamburger Straße zu einer ähnlichen Demonstration.
[Bearbeiten] Ergebnis
Am 5. März wurden 25 der Inhaftierten aus der Rosenstraße zur Zwangsarbeit in das KZ Auschwitz III Monowitz deportiert. Diese wurden jedoch nach wenigen Wochen zurückgeholt und entlassen.
Schon vor dem 5. März und fortlaufend in den beiden nächsten Wochen wurden die inhaftierten Juden aus „Mischehen“ sowie „Geltungsjuden“ und einige „Ausnahmefälle“ gemäß der Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes zur „Fabrikaktion“ nacheinander freigelassen. Zuvor wurden ihre Angaben allerdings genau überprüft.
Die weitaus größte Zahl der Inhaftierten, die sich in den anderen Sammellagern aufhielten, wurde ins Auschwitz-Birkenau geschickt und dort umgebracht; einige wurden aber auch nach Theresienstadt deportiert.
Die aus dem Gewahrsam Entlassenen mussten sich beim Arbeitamt melden und waren zur Zwangsarbeit verpflichtet. Vielen wurde eine Arbeit bei der Reichsvereinigung und deren Einrichtungen zugewiesen. Dort ersetzten sie „volljüdische“ Arbeitskräfte, die deportiert worden waren.
[Bearbeiten] Deutungen
Dieses Vorgehen stimmt mit einer schriftlichen Anweisung des Reichssicherheitshauptamts vom 20. Februar 1943 überein, nach der in Mischehe lebende Juden sowie ähnliche andere, genau definierte Gruppen von der Deportation ausgenommen werden sollten. [1] Folgerichtig fand die dazu erforderliche Überprüfung im Gebäude Rosenstraße 2 - 4 statt. Der Historiker Wolf Gruner weist darauf hin, dass nur ein geringer Teil der insgesamt 8.000 in Mischehe lebenden Juden verhaftet worden war; ihre Deportation war offensichtlich nicht vorgesehen. Diese Quellen und Argumente widersprechen der Meinung, der Rosenstraße-Protest habe ursächlich zur Freilassung der inhaftierten Juden aus „Mischehen“ geführt.
Vereinzelt wird die Freilassung auch auf eine Intervention von Adolf Kardinal Bertram zurückgeführt. [2]
Andere Forscher stützen sich auf Aussagen von Zeitzeugen, die jedoch widersprüchlich sind. Sie nehmen an, dass Joseph Goebbels persönlich die Freilassung erwirkte, um die fortdauernden Unruhen zu beenden und zitieren seinen Tagebucheintrag vom 6. März:
- „Gerade in diesem Augenblick (i.e. nach schweren Zerstörungen durch Bombenangriffe) hält der SD es für günstig, in der Judenevakuierung fortzufahren. Es haben sich da leider etwas unliebsame Szenen vor einem jüdischen Altersheim abgespielt, wo die Bevölkerung sich in größerer Menge ansammelte und zum Teil sogar für die Juden Partei ergriff. Ich gebe dem SD Auftrag, die Judenevakuierung nicht ausgerechnet in einer so kritischen Zeit fortzusetzen. Wir wollen uns das lieber noch einige Wochen aufsparen; dann können wir es umso gründlicher durchführen.“[3]
Auf diese Quelle stützt sich die Annahme, Goebbels habe die Aktion aufgrund des Protestes einstellen lassen. Tatsächlich wurde sie jedoch beschleunigt nach den ursprünglichen Anweisungen fortgeführt. Am 11. März 1943 beanstandete Goebbels lediglich, dass Unruhe entstanden war, weil die Juden aus privilegierten Mischehen zuerst mit verhaftet wurden:
- „Die Evakuierung der Juden aus Berlin hat doch zu manchen Misshelligkeiten geführt. Leider sind dabei auch die Juden und Jüdinnen aus privilegierten Ehen zuerst mit verhaftet worden, was zu großer Angst und Verwirrung geführt hat.“[4]
Auch Historiker, die die Freilassung der Verhafteten nicht ursächlich auf den öffentlichen Protest der Angehörigen zurückführen, heben den mutigen Widerstand als leuchtendes Vorbild und seltenes Beispiel für Zivilcourage im Terrorstaat lobend hervor. Erfolg oder Misserfolg sei kein Maßstab für die moralische Bewertung eines Widerstandes. Verworfen wird von diesen Historikern jedoch die Unterstellung, man hätte den weit fortgeschrittenen mörderischen Vernichtungsfeldzug zu diesem Zeitpunkt noch durch eine derartige Demonstration wirksam beeinflussen können.
[Bearbeiten] Film
Die Ereignisse des Rosenstraße-Protestes wurden 2003 von Margarethe von Trotta unter dem Titel Rosenstraße verfilmt. Kritiker wie Beate Meyer bemängeln eine verzerrende Darstellung der historischen Tatsachen.
[Bearbeiten] Literatur
- Wolf Gruner: Die Fabrik-Aktion und die Ereignisse in der Berliner Rosenstraße: Fakten und Fiktionen um den 27. Februar 1943. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 11 (2002), S. 137-177.
- Wolf Gruner: The Factory Action and the Events at the Rosenstrasse in Berlin. Facts and Fictions about 27 February 1943 - Sixty Years Later. In: Central European History (CEH) 36 (2003), S. 178-208.
- Wolf Gruner: Ein Historikerstreit? Die Internierung der Juden aus Mischehen in der Rosenstraße 1943. Das Ereignis, seine Diskussion und seine Geschichte. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) 52 (2004), S. 5-22.
- Wolf Gruner: Widerstand in der Rosenstraße. Die Fabrik-Aktion und die Verfolgung der „Mischehen“ 1943. Frankfurt/M 2005, ISBN 3-596-16883-X
- Antonia Leugers (Hrsg.): Berlin: Rosenstraße 2–4. Protest in der NS-Diktatur. Neue Forschungen zum Frauenprotest in der Rosenstraße 1943. Annweiler 2005.
- Beate Meyer: Geschichte im Film. Judenverfolgung, Mischehen und der Protest in der Rosenstraße 1943. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) 52 (2004), S. 23-36
- Nathan Stoltzfus: Widerstand des Herzens. Der Aufstand der Berliner Frauen in der Rosenstraße 1943. München 1999.
[Bearbeiten] Belegstellen
- ↑ Wolf Gruner: Widerstand in der Rosenstraße. Die Fabrik-Aktion und die Verfolgung der „Mischehen“ 1943. Frankfurt/M 2005, ISBN 3-596-16883-X, S.50f
- ↑ Usula Büttner: Die anderen Christen. In: B. Kosmala / C.Schoppmann (Hrsg.): Überleben im Untergrund, Berlin 2002. ISBN 3-932482-86-7 / knapp erwähnt auf Seite 134
- ↑ Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil II, Band 7 (Januar bis März 1943) Berlin u.a. 1993 ISBN 3-598-22138-X
- ↑ Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels... ISBN 3-598-22138-X