Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Rassistisches Wissen - Wikipedia

Rassistisches Wissen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Rassistisches Wissen ist ein Begriff, der Rassismus nicht als Vorurteil, sondern als Teil eines gesellschaftlichen Wertesystems beschreibt.

Mark Terkessidis bezeichnet mit diesem Begriff geltende und von einem unangezweifelten Konsens der Mehrheit aller Mitglieder der Gesellschaft gestützte Vorstellungen über „Fremde“, die vor allem durch gesellschaftliche Praxis „gelebt“ werden und eine enge Verbindung mit Institutionen – „materielle Apparate“ – wie z.B. Arbeitsmarkt, Staatsbürgerschaft und hegemoniale Kultur eingehen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Entstehungshintergrund des Begriffs

Aufgrund von Beschreibungen des Schriftstellers Richard Wright, sowie vor dem Hintergrund von Untersuchungsergebnissen Teun Adrianus van Dijk, Alphons Silbermann und Francis Hüser sowie insbesondere von Diskursanalysen von Siegfried Jäger zu rassistischen Phänomen bei Einzelpersonen, Gruppen und in Medien, lässt sich nach Terkessidis Rassismus nicht mehr als ein „Ausnahmephänomen im gesellschaftlichen Funktionieren“ erklären, nach dem Rassismus vor allem als ein Zustand individueller Irrtümer wie etwa Vorurteile und Stereotypen untersucht wird. Vor allem der Glaube vieler Rassismustheoretiker, es gebe eine vorurteilsfreie Mehrheit der Gesellschaft und mittels ihrer individualistischen Rassismusanalysen könne gleichzeitig eine Korrektur oder gar eine Therapie von „verzerrten Wahrnehmungen“ versucht werden, stehen nach Terkessidis im Widerspruch zu den Untersuchungen, da sie nicht erklären können, warum nur ganz bestimmte Gruppen der Gesellschaft von Rassismus betroffen sind und Rassismus verschiedene Konjunkturen erlebt. So zeigen die Untersuchungen, dass wesentliche Elemente des Rassismus in der Gesellschaft zum normalen – „normativen“ – Wissensbestand gehört.

[Bearbeiten] Wie Rassismus „gelebt“ wird

Terkessidis verdeutlicht die gesellschaftliche Praxis von Rassismus an einem Beispiel aus einem Aufsatz von Earl Raab und Seymour Martin Lipset „The Prejudiced Society“. Die Autoren beschreiben, wie ein Kleinkind im Süden der Vereinigten Staaten „nur mit Schwarzen in Kontakt kommt, die sich in untergeordneten Positionen befinden“. Kleidung, Bildung, Wohnungen, Arbeiten, Schulen weichen von den Lebensbedingungen des Kleinkindes völlig ab, werden aber beständig als Normalität wahrgenommen. Das Kleinkind wächst mit der Erfahrung auf, gegenüber Schwarzen in einer überlegenen Situation zu sein. Zwar gibt es in Deutschland keine Segregation, trotzdem erleben auch hier Kinder einige Punkte, die sich mit der von Earl Raab und Seymour Martin Lipset geschilderten Situation überschneiden.

[Bearbeiten] Vorurteile oder Rassismus?

Rassismus ist nach Terkessidis keine Wahnvorstellung, sondern wird in einer praktischen Einheit von Wissen und Institutionen in einem dauerhaften Prozess „gelebt“. Da Rassismus nicht nur ein Vorurteil über Menschen ist, die als „fremd“ wahrgenommen werden, sondern eine kontinuierliche und kollektive Erscheinung der modernen Gesellschaften ist, kritisiert Mark Terkessidis den Begriff des Vorurteils als psychologische Erklärung für Rassismus und stellt folgende Thesen auf:

  • Rassismus bildet sich nicht daraus, dass eine Person einem Irrtum unterliegt, die Realität verzerrt wahrnimmt oder weil sie krankhaft auf ihr fremde Erscheinungen reagiert.

„(a) Rassismus entsteht nicht durch sich aggregierende persönliche Probleme - Irrtümer, Wahrnehmungsverzerrungen oder pathologische Reaktionen - von Einzelnen. Insofern ist es von vornherein irreführend, den Untersuchungsgegenstand als Vorurteil bzw. ethnisches Vorurteil zu bezeichnen, weil in diesem Begriff die Vorstellung eines individuellen Irrtums angelegt ist.“

  • Ein Vorurteil setzt voraus, dass ein „richtiges“ Urteil über etwas - z.B. „der Fremde“ - gebildet werden kann. Das, was als „richtig“ beurteilt werden soll, ist allerdings erst durch „eine bestimmte Praxis und einen bestimmten Diskurs“ entstanden. Das Urteil „Fremde“ sind „anders“ setzt beispielsweise bereits die Herstellung „rassistisches Wissen“ durch „gelebten Rassismus“ voraus.

„(b) Aber noch weitere Gründe sprechen gegen die Bezeichnung Vorurteil. Sie setzt voraus, dass ein richtiges Urteil über irgendein bereits existierendes ‚Objekt' möglich ist (…). Tatsächlich wird dieses ‚Objekt' jedoch durch eine bestimmte Praxis und einen bestimmten Diskurs überhaupt erst hervorgebracht.“

  • Rassismus drückt sich in den Beziehungen und Verhältnissen der Gruppen zueinander aus. Daher muss untersucht werden, wie sich diese Gruppen gebildet haben und welche Bedingungen dieser Bildung und ihrer Beziehung zueinander zugrunde lagen. Z.B. „Gastarbeiter“/ „deutsche Nachkriegsgesellschaft“ etc.

„(c) Um Rassismus begreifen zu können, muss das Augenmerk auf die Beziehungen zwischen Gruppen gelenkt werden. Die Gruppen oder auch Kategorien sind jedoch, wie gesagt, keine präformierten, natürlichen Gegebenheiten. Daher müssen sowohl die konkreten historischen Konstitutionsbedingungen der Gruppen als auch die Bedingungen der Beziehung zwischen ihnen analysiert werden.“

  • Vorurteile und Stereotypen entsprechen der tatsächlichen Wahrnehmung von Mitgliedern einer Gruppe. Sie beschreiben die vorhandene Beziehung einer Gruppe zur ihr „fremden“ oder als „anders“ wahrgenommenen Gruppe und stabilisieren die eigene Position in der Gesamtgesellschaft. Sie werden als normal und erklärend erkannt und sind Bestandteil der „sozialen Erkenntnis“. Die Benutzer von Vorurteilen erhalten aus ihrer Gruppe positive Bestätigungen, da rassistisches Wissen zum sozialverbindenden Gemeingut der Gesamtgruppe gehört.

„(d) Vorurteile oder Stereotype sind keine einfache Verzerrung der Realität, sondern sie geben für die Mitglieder der hegemonialen Gruppe auf spezifische Weise die Beziehung zwischen den Gruppen durchaus ‚angemessen' wieder. Es handelt sich um Formen ‚sozialer Erkenntnis', die für ihre Benutzer die Wirklichkeit einleuchtend erklären und die beständig eine positive Rückmeldung aus dem Konsens der Gruppe erhalten. Um die Begriffe Vorurteil und Stereotyp zu vermeiden, möchte ich den gesellschaftlichen Bestand solcher ‚Erklärungen' als rassistisches Wissen bezeichnen.“

„(e) Zwischen den in einer Gruppe hegemonialen Werten und den wertenden Gruppenkategorisierungen besteht ein Zusammenhang. Die Inhalte des rassistischen Wissens sind daher nicht beliebig, sondern sie ergeben sich aus dem in der hegemonialen Gruppe verbreiteten kulturellen Wertekanon. Mit der kollektiven Definition der Anderen gemäß der hegemonialen Werte legt die Gruppe dabei auch beständig ihr ‚Selbst' fest.“

  • Die Beschreibung des Verhältnisses der dominanten Gruppe zur ausgegrenzten Gruppe bestimmt die Inhalte des rassistischen Wissens. Sie dienen vor allem zur Legitimierung der eigenen dominanten Position. Sie sind zeitlich den geschichtlichen Erfordernissen anpassbar und veränderbar.

„(f) In den Inhalten des rassistischen Wissens wird daher das konkrete Verhältnis zwischen dem Eigenen und dem Anderen mit Hilfe des Wertekanons der dominanten Gruppe definiert. Sowohl dieses Verhältnis als auch der Wertekanon sind historisch variabel. So kommt es zu beständigen kollektiven Neudefinitionen.“

  • Rassistisches Wissen wird beständig den Verhältnissen angepasst und notfalls neu definiert. Wird dieses Wissen mit dem in modernen Gesellschaften anerkannten ‚Gleichheitsethos' als nicht vereinbar erkannt, bilden sich wiederum Neudefinitionen mit dem Ziel, die eigene dominante Position zu verteidigen.

„(g) In Definition und Neudefinition des Verhältnisses kommt eine Verteidigung der Position der dominanten Gruppe zum Ausdruck. Rassistisches Wissen legitimiert also laufend die übergeordnete Position einer Gruppe. Solche Legitimation ist notwendig, da die Ungleichheit zwischen den Gruppen angesichts des ‚Gleichheitsethos' als ungerechtfertigt empfunden wird.“

(Zitate: Terkessidis 1998, S. 59f)

[Bearbeiten] Wie wird das rassistische Wissen organisiert?

Diskursanalytische Untersuchungen von Teun A. Van Dijk (1987) von der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona und Jäger (1992) haben für die USA, Niederlande und Deutschland festgestellt, dass im rassistischen Wissen zu bestimmten Zeiten ganz bestimmte Themen im Vordergrund stehen. Festgestellt wird dabei, dass im Deutschland der 90er-Jahre diese Themen vorrangig eine negativ interpretierte Andersheit, die Bedrohung – z.B. von Sicherheit und kultureller Identität – und ökonomische Konkurrenz umfassen. Untersucht werden die Themen, die den Autochthonen völlig selbstverständlich als erstes in den Sinn kommen, wenn sie über Ausländer nachdenken. Diese Themen werden nach Heinrich Popitz als Topoi bezeichnet. Rassistisches Wissen wird in diesen Topoi „organisiert“. Dabei ist die Menge von thematischen, inhaltlichen und rhetorischen Aussagen überschaubar. Diese Topoi sind nicht abhängig von der persönlichen Erfahrung oder der Weltanschauung des Einzelnen, sondern von der Erfahrung und „Praxis“ der gemeinsamen Gruppe. Der Einzelne wählt für sich die Topoi aus, die ihm am meisten „einleuchten“.

Nach Terkessidis sind Topoi „hybride Gebilde, d.h. sie sind gleichzeitig Form und Inhalt. Zum einen handelt es sich um jene Themen, die mit der Erwähnung des Feldes Ausländer augenblicklich gegeben sind, zum anderen sorgen Topoi auch für die Kohärenz und Wiedererkennbarkeit des Diskurses, der sich um sie herum ordnet.“ Terkessidis verweist auf Gehlen, der Topoi als „Institutionen des Gedankenvolkes“ bezeichnet: „Sie wirken (…) mannigfaltig als Gravitationszentren, Wegweiser, Hemmungen, Koordinatoren.“ Die Gruppe der Autochthonen kann diese Topoi, so Terkessidis, „als gültige Selbstverständlichkeit immer wieder ohne das Risiko von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten“ einsetzen.

Topoi sind nach Terkessidis nicht statisch, sondern sehr flexibel und bilden eine „diskursive Formation“: „Noch vor 50 Jahren hätte man nicht subtil die Andersheit beispielsweise von Schwarzen negativ bewertet, sondern offen von ihrer Minderwertigkeit gesprochen. Dabei hat sich zwar der Topos geändert, nicht jedoch die Grundlage der Aussage: Weiterhin gilt unangefochten, dass zwei grundsätzlich verschiedene Kollektive, also Weiße und Schwarze, mit bestimmten Eigenschaften existieren und sich als fremd gegenüberstehen.“ Jonathan Potter (Loughborough University) und Margaret Wetherell (Open University (UK)) bezeichnen die Gesamtheit einer solchen diskursiven Formation als „interpretatives Repertoire“ (Vorrat an Deutungsmöglichkeiten). Somit sind Topoi nach Terkessidis „eingelassen in ein schier unerschöpfliches Universum von Vor-Konstruktionen zum Thema „Rasse“, Kultur und Ethnien, in mannigfaltige Möglichkeiten, rassistisches Wissen aktuell legitim zu artikulieren.“ Terkessidis verweist beispielhaft auf Alain de Benoist, der ebenso wie die Interviewten aus der Untersuchung aktuell Topoi von Andersheit und Bedrohung verwendet, und vergleicht ihn mit Arthur de Gobineau. Terkessidis stellt dabei fest, dass Alain de Benoist zwar andere Topoi als Gobineau verwendet, aber ein ähnliches Repertoire verwendet. Indem Alain de Benoist sich auf Herder, Robert Ardrey und Arthur Jensen bezieht, kann er die Topoi „anders zur Sprache bringen“.

Die Topoi stehen im Zusammenhang mit „spezifischen“ Erfahrungen der Gruppe, während interpretative Repertoires sich verallgemeinern lassen. Terkessidis: „Die Topoi sind insofern spezifisch, als es etwa Weißen möglich ist, von der black race zu behaupten, sie sei happy-go-lucky und sexuell ausufernd, es für Schwarze aber nicht möglich ist, von Weißen das Gleiche zu behaupten. Die Zuweisung der Eigenschaften „faul und schmutzig“ zu Weißen besitzt keine Außenstützung in der Wirklichkeit. Schwarze allerdings können behaupten, sie seien sun people, während die Weißen unterlegene ice people seien. Oder sie können etwa wie die Nation of Islam behaupten, sie seien die „original people“ der Erde und Weiße seien blue eyed devils, ein genetischer Unfall, hervorgegangen aus den Experimenten des bösen Wissenschhaftlers Yakub. Dabei bleibt das Repertoire, das die Existenz zweier unterschiedlicher Rassen behauptet und ihnen aufgrund der sozialen Situation bestimmte Eigenschaften unterstellt, völlig intakt.“

Daraus folgert Terkessidis, dass Repertoires in der Praxis eine „weitgehende Autonomie“ besitzen. Die „Objekte“ des rassistischen Wissens sind von der institutionalisierten Praxis sichtbar gemacht worden. Zu Beginn der Kolonisation brachten die Spanier durch die Praxis ihrer Rassen-Kasten-Gesellschaft die Schwarzen als Gruppe überhaupt erst zum Vorschein.“ So gibt es keine Anhaltspunkte, dass sich Schwarze vor der Kolonisation selbst „aufgrund ihrer Hauptfarbe als Gruppe wahrgenommen haben“. Erst indem eine Gruppe als „Objekt“ sichtbar gemacht wird, ist es möglich, sich dazu ein Wissen zu bilden oder zu „erwerben“. So schickten die Spanier anschließend „etwa ihre Forscher, um mit Hilfe der gültigen diskursiven Praxis der damaligen Wissenschaft die „Inferiorität“ der „Objekte“ festzustellen; eine Realität tatsächlich, allerdings eine, die die Spanier zuvor selbst geschaffen hatten. (…) Es entwickelte sich eine Flut von „Rassentheorien“. Heute werden die Repertoires des rassistischen Wissens allgemein verwendet, oft sogar von den Gegnern des Rassismus, ohne dass noch deutlich wäre, welche Machtverhältnisse zur Entstehung der Repertoires beigetragen haben.“

Terkessidis betont dabei, dass die Topoi in einer unmittelbaren Beziehung zu der jeweiligen sozialen Situation der jeweiligen Gruppe stehen und verweist auf das Lageschema des Bonner Psychologen Prof. Hans Thomae. Daran lässt sich rassistisches Wissen charakterisieren. So hat das rassistische Wissen die Wirkung einer „sozialen Erkenntnis“ für die autochthone Gruppe. So bietet rassistisches Wissen auch für komplexe Widersprüche einfache Erkenntnisse. Ein solcher Widerspruch ist das Postulat in der modernen bürgerlichen Gesellschaft, „alle Menschen sind gleich“. Vor diesem Hintergrund sind gesellschaftliche Ungleichheiten wie Privilegien und Dominanz oder die Unterscheidung zwischen einer „1. Welt“ und einer „3. Welt“ erklärungsbedürftig. Terkessidis „Die Erklärungen sind selbstverständlich falsch, eine Täuschung jedoch sind sie nicht. Aber das Wissen dient nicht nur als Begründung für die Unterschiede, es fungiert auch als Legitimation für diese Unterschiede. Denn rassistisches Wissen „verwirklicht“ permanent die übergeordnete Position der Autochthonen.“

Eine Form diese Widersprüche zu umgehen, ist die Vorstellung, rassistische Einstellungen seien lediglich eine Ausnahmeerscheinung oder ein „Wahn“. Dagegen kann die Funktion von Rassismus nur verstanden werden, wenn sie als Einheit von Wissen und Institution untersucht wird. Der US-amerikanische Psychologe Joseph Renny Noel kehrte die traditionelle Perspektive auf Rassismus als individuelle Ausnahmeerscheinung 1972 um: „Da Rassismus so allgegenwärtig ist, ist er so gut wie unvermeidbar. Das wahre Problem könnte deshalb sein, nicht zu erklären, wieso Menschen Vorurteile aneignen, sondern warum manche Menschen diese voreingenommenen Haltungen ablehnen.“

Eine wesentliche Motivation, Rassismus als ein krankhaftes individuelles Problem wahrzunehmen, ist auch die Tatsache, dass eine „demokratische Gesellschaft nicht zugeben“ kann, dass „der gesellschaftliche Wissensvorrat ganz selbstverständlich auch rassistisches Wissen beinhaltet. Das rassistische Wissen besitzt einen “dilemmatischen Charakter“, d.h. es existiert unter Maßgabe seiner Illegitimität. Aus den diskursanalytichen Untersuchungen wissen wir, dass rassistische Bemerkungen oft eingeleitet werden mit Sätzen wie Ich bin kein Rassist, aber... oder Wir sind doch alle Menschen, aber...“ (Terkessidis). Diese Strategien werden von Van Dyk als „apparent denial“ bezeichnet. Terkessidis schließt aus diesem „offensichtlichen Dilemma“, dass es „eine Praxis geben muß, die diesen Konflikt innerhalb des Wissens hervorruft.“

Michel Foucault schreibt in „Die Ordnung der Dinge“: „Noch grundlegender dringt das moderne Denken vor in jene Richtung, in der das Andere des Menschen das Gleiche werden muss, das er ist.“

Sabine Forschner erläutert diesen Sachverhalt am antirassistischen Gutmenschen: „Hierauf gründet auch die Tyrannei der gutmeinenden Fremdenfreunde, die doch meist versuchen, im Fremden das Eigene zu erkennen, statt auch durch das Fremde das Fremde in sich anzuerkennen. Die Konsequenz daraus ist leider allzu häufig, dass dem anderen Subjekt, ausgehend von der allgemeinen Gleichheit, eigene Bedürfnisse, ethische oder moralische Vorstellungen und Ziele aufoktroyiert werden, was m.E. im Widerspruch steht zu der ursprünglichen Gleichheitsforderung nach gleichem Recht für alle.“ [1]


Erzeugt werden diese Konflikte durch „die institutionalisierten Gleichheitspostulate der liberalen Demokratie. Allerdings muss man wohl historisch festhalten, dass sich die Praxis der liberalen Demokratie gegenüber der Praxis, die den Rassismus impliziert, immer als schwächer erwiesen hat. Gewöhnlich wird der Konflikt durch den „Einbau“ der einander widersprechenden liberalen Prinzipien in das rassistische Wissen „gelöst“.“

Eine weitere Ursache für solche Konflikte sind die Widerstände der vom Rassismus betroffenen Menschen gegen Institutionen, die sie rassifizieren. Dabei haben sie die Möglichkeit in zwei Richtungen Forderungen zu stellen, mit denen der Konflikt „gelöst“ wird, die jedoch neue Formen des rassistischen Wissens hervorbringen. Terkessidis: „Entweder stützen sie sich auf die Werte der abstrakten Gleichheit (was Assimilation bedeutet) oder sie fordern die Anerkennung der eigenen Differenz bzw. Identität. So sind diese Kämpfe wiederum durch die Institutionen, deren Praxis sie fortwährend als partikulare Gruppe zum Erscheinen bringt.“ Aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse wird dabei nicht die institutionelle Praxis geändert, sondern nur das rassistische Wissen. Terkessidis: „Dennoch: die Praxis der liberalen Demokratie und die Praxis der antiinstitutionellen Kämpfe bilden die einzigen Grundlagen dafür, dass jemand nicht prejudiced wird oder zumindest feststellt, dass er prejudiced ist.“

Da es sich beim Rassismus um eine „praktische Einheit von Wissen und Institutionen“ handelt, entsteht dieses „komplizierte Gesamtensemble“, das, „wenn es in „Betrieb“ ist, von allen Seiten beeinflusst werden“ kann. Terkessidis: „Auch Veränderungen des Wissens können Veränderungen in den Institutionen nach sich ziehen. Verschwinden allerdings wird der Rassismus erst mit den Institutionen, die ihn erzeugen.“

[Bearbeiten] Vergleichbare Analysekonzepte

In der Theorie der Personalen Kategorisierung geht Harvey Sacks davon aus, dass jedes Mitglied einer sozialen Gruppe in Kategorien klassifiziert wird. Sachs nennt dazu u.a. dien Kategorie Rasse, Geschlecht, Beruf. Die Kategorien bestimmen sich dabei als allgemeiner Wissenshintergrund, der Äußerungen produziert und interpretiert. Sie strukturieren sowohl das Sprechen (kommunikatives Handeln) als auch die Wahrnehmung (Interpretation).

Der Begriff der Limitischen Symbolik bezeichnet in der Kultursoziologie und Ethnologie ein Konzept, das die Funktion der Kultur als ein Archiv vielfältiger Ausdrucksformen für soziale Grenzziehungsprozesse untersucht. Als Ausdrucksformen dienen dabei Kultursymbolik oder Kollektivsymbolik, die wesentlicher Bestandteil zur Konstruktion von Kategorien wie „das Eigene“, „das Andere“ oder „das Fremde“ sind.

Ohne den Ideologiebegriff Althussers zu übernehmen, entwickelte Terkessidis den Begriff des „rassistischen Wissens“ anhand der Theorie Louis Althussers und der Diskursanalyse nach Michel Foucault. Ähnlich oder vergleichbar finden sich solch komplexe Analysekategorien in den durch die critical studies inspirierten Rassismusuntersuchungen, wie z.B. in der kritischen Weißseinsforschung, der „kritischen Diskursanalyse“ oder in verschiedenen Theorien über gesellschaftliche Normalisierungsprozesse wie z.B. bei Jürgen Link, sowie in dem von Link entwickelten diskurstheoretischen Konzept Kollektivsymbolik.

„Rassistisches Wissens“, wie es hier vor allem nach Terkessidis vorgestellt wird, sind beispielsweise Gegenstand der Theorien über biopolitische Machtdispositive bei Siegfried Jäger, der ein Machtdispositiv als ein „Netz von Diskursen, Praktiken und Institutionen (Sichtbarkeiten)“ beschreibt, „das sich ständig neu ordnet und positioniert, weil und sofern es auf einen 'Notstand' bzw. auf Notwendigkeiten (urgence = Dringlichkeit) reagiert.“ Hier spielt die Analyse von Kollektivsymboliken, moderner und politischer Mythen und Mentalitäten sowie insbesondere interkultureller Kollektivsymboliken eine zentrale Rolle, um die Funktion und Produktion von „rassistischem Wissen“ nachzuvollziehen.

Roland Barthes beschreibt in „Mythen des Alltags“ wie Mythen rassistisches, ethnizistisches und nationalistisches Gedankengut ebenso wie die damit verbundenen Institutionen legitimieren: „Was dem Leser ermöglicht, den Mythos unschuldig zu konsumieren, ist, daß er in ihm kein semiologisches, sondern ein induktives System sieht. Dort, wo nur eine Äquivalenz besteht, sieht er einen kausalen Vorgang. Das Bedeutende und das Bedeutete haben in seinen Augen Naturbeziehungen. Man kann diese Verwirrung auch anders ausdrücken: jedes semiologische System ist ein System von Werten. Der Verbraucher faßt die Bedeutung als ein System von Fakten auf.“ Hinter mythischen Äußerungen verbirgt sich nach Barthes jedoch keine Erklärung sondern die Intention, die bestehenden Verhältnisse zu konservieren.

Allgemein verfolgt die Wissenssoziologie in theoretischer und methodischer Hinsicht die Frage nach dem Zusammenhang von Diskursen, der gesellschaftlichen (Re-) Produktion von Wissen und der Bedeutung von Kultur.

[Bearbeiten] Literatur

  • Mark Terkessidis: Psychologie des Rassismus. 1998. ISBN 3531130404
  • Mark Terkessidis: Woven into the texture of things. Rassismus als praktische Einheit von Wissen und Institution. In: Andreas Disselnkötter, u.a. (Hg.) : Evidenzen im Fluss. Demokratieverluste in Deutschland. Duisburg 1997. ISBN 3-927388-60-2
  • Maureen Maisha Eggers (2005): Das Ticket in den Mainstream – Rassistisches Wissen als ein weißer Konsens, in: dieselbe: Rassifizierte Machtdifferenz als Deutungsperspektive in der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland. Zur Aktualität und Normativität diskursiver Vermittlungen von hierarchisch aufeinander bezogenen rassifizierten Konstruktionen. In: Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hg.) (2005): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster. ISBN 3-89771-440-X
  • Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1988, 3. Auflage.
  • Siegfried Jäger: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS.). Duisburg. 2004. ISBN 3-89771-732-8
  • Roland Barthes: Mythen des Alltags. Frankfurt Mai 2003, Suhrkamp 152 S. ISBN 3-518-12425-0 (erstmals 1964, Suhrkamp) [Mythologies, 1957]
  • Harvey Sacks: Deutsche Übersetzung („Über formale Eigenschaften praktischer Handlungen“). In E. Weingarten u.a. (Hg.), „Ethnomethodologie. Beiträge zu einer Soziologie des Alltagshandelns“, (1976) S.130-176

[Bearbeiten] Literatur, auf die sich hier vor allem Terkessidis bezieht

  • L. Althusser (1976): Ideologie und ideologische Staatsapparate. Hamburg 1977
  • P. Berger, Th. Luckmann (1966): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a.M. 1994.
  • R. Brubaker (1992): Staats-Bürger – Deutschland und Frankreich im historischen Vergleich, Hamburg.
  • Arnold Gehlen (1956): Urmenschen und Spätkultur. Wiesbaden.
  • F. Heckmann (1992): Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Stuttgart.
  • Frantz Fanon (1952): Schwarze Haut, weiße Masken. Suhrkamp. Frankfurt a.M. 1985.
  • Siegfried Jäger (1992): BrandSätze – Rassismus im Alltag. Duisburg.
  • Marget Jäger (1992): Fatale Effekte – Die Kritik am Patriarchat im Einwanderungsdiskurs. Duisburg.
  • R. Miles (1989): Rassismus. Hamburg.
  • J.R. Noel: the Norm of White. Antiblack Prejudice in the United States. In: International Journal of Group Tensions, Nr. 2, 1972, S. 51-62.
  • M. Pécheux (1983): Über die Rolle des Gedächtnisses als interdiskursives Material. In. *Geier, M. & H. Woetzel. Das Subjekt des Diskurses. Berlin.
  • H. Thomae (1958). Lage und Lageschema, in: Ders.: Dynamik des menschlichen Handelns. Ausgewählte Schriften zur Psychologie 1944-1984, Bonn 1985.
  • T.a. Van Dijk (1987): Communicating Racism. Ethnic Prejudice in Thought and Talk. Newbury Park.
  • Alphons Silbermann, Francis Hüser (1995): Der „normale“ Haß auf die Fremden. München.
  • P. Essed (1991): Understanding Everyday Racism. London.
  • E. Raab, S. M. Lipset (1962): Mapping the Language of Racism. Wheatsheaf.

[Bearbeiten] Weblinks

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