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Oberflächenchemie

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Oberflächenchemie (engl. surface chemistry, surface science) ist ein wissenschaftliches Grenzgebiet aus Festkörperphysik und Chemie, bei dem die chemischen und strukturellen Vorgänge untersucht werden, die sich an Grenzflächen, meist fest-gasförmig, abspielen. Dabei werden oberflächensensitive analytische Methoden angewendet.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Definitionen

Als Oberfläche (engl.: surface) ist dabei der Bereich eines Festkörpers definiert, in dem sich die physikalischen und chemischen Eigenschaften (z.B. Struktur, elektronische Eigenschaften) vom Rest (engl.: bulk) unterscheiden, wobei die Abweichung von den Volumneneigenschaften f(x) i. a. exponentiell mit der Entfernung von der Oberfläche x abklingt. (proportional zu f(x) = exp( − x)) Das Idealbild einer Oberfläche ist analog zum idealen Festkörper

[Bearbeiten] Bravaisgitter

Eine periodische Anordnung von Atomen oder Molekülen auf einer Oberfläche kann analog zum Festkörper in zwei Dimensionen mit einem Bravais-Gitter beschrieben werden. In 2 Dimensionen gibt es jedoch nur 5 Bravais-Gitter (in drei Dimensionen gibt es 7):

Wobei hexagonale oder rechteckig innenzentrierte Strukturen als Sonderfälle der rautenförmigen Struktur mit bestimmten Winkeln angesehen werden können.

[Bearbeiten] Einheitszelle

Eine Einheitszelle spiegelt die Symmetrie des Bravais-Gitter wider, es besitzt die selben Symmetrieelemente. Auf Grund der Periodizität des Gitters können die Einheitszellen durch einen Translationsvektor \vec R aufeinander abgebildet werden. Die Einheitszellen selbst werden durch linear unabhängige Einheitsvektoren \vec a_1 und \vec a_2 aufgespannt. Dabei gilt:

\vec R = \vec a_1 + \vec a_2

Man kann das Gitter auch in einen anderen Raum mit anderen Basisvektoren \vec a_1^* und \vec a_2^* transformieren. Arbeitet man z.B. mit Beugungsmethoden, misst man die Einheitszelle im reziproken Raum, auch k-Raum genannt. Die Vektoren der Einheitszelle im Ortsraum können u.U. mittels Rastertunnelmikroskopie ermittelt werden. Die gemittelte Größe der Einheitszelle im reziproken Raum erhält man beispielsweise mit der Beugung langsamer Elektronen (LEED) an der Oberfläche.

[Bearbeiten] Punkte und Geraden im Gitter

Ein Punkt P(x,y,z) im Gitter wird durch einen Vektor \vec P(x,y,z) vom Ursprung zum Punkt beschrieben. Eine Gerade wird mit einem Vektor beschrieben, der parallel zur Gittergerade liegt.

[Bearbeiten] Gitterebenen

Wenn ein Einkristall bricht, geschieht das häufig endlang von Gitterebene. Dadurch entstehen Oberflächen, die sich je nach 3-dimensionaler Kristallstruktur und Schnittrichtung in ihrer 2-dimensionalen Oberflächenstruktur unterscheiden. Die Schnittebenen können durch die Schnittpunkten a1,a2,a3 der Ebene mit den Achsen des Koordinatensystems beschrieben werden. Die gebräuchlichere Schreibweise ist allerdings die Angabe der Miller-Indizes h,k,l, die das ganzzahlige Vielfache der reziproken Achsenabschnitte sind. z.B. (111), (110), (100)

[Bearbeiten] Überstrukturen

Überstrukturen sind zusätzliche, größere Strukturen, die sich durch Umordnung oder Adsorption an der Oberfläche bilden. Sie können mit Vektoren a2 und b2 als Vielfache der Basis-Vektoren a1 und b1, durch die Woodsche Nomenklatur oder durch Matrixdarstellung beschrieben werden.

[Bearbeiten] Oberflächenpräparation

Bevor eine Oberfläche im mikroskopischen Maßstab reproduzierbar analysiert werden kann, muß sie von Verunreinigungen befreit werden. Um die sie weiterhin vor Kontamination zu schützen wird sie im Ultrahochvakuum (UHV) (p \approx 10^{-10} mbar) gehandhabt. Dadurch wird die Flächenstoßrate ni von auftreffenden Molekülen aus der Gasphase verringert. Diese ist

n_i \approx 2.6 \cdot 10^{22} \frac {p}{\sqrt{M \cdot T}}

mit p in mbar.

Mögliche Ursachen für Oberflächen-Kontamination sind z.B.:

  • Adsorption von Luftmolekülen
  • Wanderung von Teilchen aus dem Probeninneren an die Oberfläche

Methoden zur Reinigung einer Oberfläche sind z.B.:

Beim Heizen der Probe auf eine bestimmte Temperatur (ca. 1000 K) kann sich das thermodynamsiche Gleichgewicht einstellen, dabei wird die Oberfläche minimiert, was einer Absenkung der Oberflächenenergie entspricht. Dabei können sich von der Temperatur abhängige Rekonstruktionen oder Strukturen bilden. Diese können in Domänen unterschiedlicher Orientierung vorliegen.

[Bearbeiten] Anwendungsgebiete

Oberflächenanalytische Methoden werden in der Industrie und in der Grundlagenforschung eingesetzt.

[Bearbeiten] Beispiele für Fragestellung

[Bearbeiten] Oberflächensensitive Methoden

Um die Vorgänge an Grenzflächen untersuchen zu können, müssen Methoden verwendet werden, die nur Prozesse in dem Bereich einer Probe "sehen", der sich von in seinen Eigenschaften vom restlichen Festkörper unterscheidet. Dazu werden die Wechselwirkungen von folgenden Wellen/Teilchen mit Materie genutzt:

Strahlung/Teilchen mittlere freie Weglänge im Festkörper/Gas Beispiele
Elektronen klein (Coulomb-Wechselwirkung), abh. von kinetische Energie siehe "Universelle Kurve"
Photonen gross (keine Coulomb-Wechselwirkung) UV-Strahlung, Infrarotstrahlung, Röntgenstrahlung
neutrale Teilchen keine, Umkehrpunkt vor Oberfläche Neutronen
Ionen klein (Coulomb-Wechselwirkung)
magnetische Felder gross
Wärme gross

Die mittleren freien Weglängen von geladenen Teilchen sind auf Grund von Coulomb-Wechselwirkungen i.a. viel kleiner als die von neutralen. Ein weiterer starker Einfluss auf ist die kinetische Energie der Teilchen; in bestimmten Energiebereichen können Prozesse angeregt werden, was die mittlere freie Weglänge verringert. Entscheidend für die Oberflächensensitivität einer Methode ist, dass entweder das mit der Probe wechselwirkende oder das detektierte Teilchen oder Welle eine geringe mittlere freie Weglänge in der Materie besitzt. Deshalb ist auch für viele Methoden ist ein Ultrahochvakuum nötig. Die gewählte Methode hängt dabei von der Fragestellung ab. Die folgende Übersicht soll nur einen Überblick geben. Für mehrere Methoden existieren auch verschiedene Ortsauflösende Techniken. Für weitere Beschreibung siehe deren Artikel. Jede der Methoden hat Vor- und Nachteile, die beim Experiment berücksicht werden müssen.

[Bearbeiten] Mikroskopie

[Bearbeiten] Scanning Probe Microscopy (SPM)

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Rastertunnelmikroskop (STM) Elektronische Zustandsdichte (LDOS) und Topographie an der Oberfläche im Ortsraum, Überstrukturen Elektronen Tunnelstrom/z-Position der Spitze Tunneleffekt
Rasterkraftmikroskop (AFM) Topographie an der Oberfläche im Ortsraum Schwingende Spitze (Cantilever) Ablenkung eines Laserstrahls (Frequenz-, Phasen- und Amplitudenänderung) Van-der-Waals-Wechselwirkung mit Probe
Nahfeldmikroskopie (SNOM)
Photoemissions-Elektronenmikroskopie (PEEM)
Chemisches Kraftmikroskop (CFM)
Magnetkraftmikroskop (MFM)

[Bearbeiten] Elektronenmikroskopie

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Transmissions-Elektronen-Mikroskopie (TEM) Oberflächenstruktur im Ortsraum, Gleitebenen von Kristalliten auf der Oberfläche Elektronen Elektronen Transmission von Elektronen durch eine dünne Probe
Raster-Elektronen-Mikroskopie (SEM) Oberflächenstruktur im Ortsraum, Gleitebenen von Kristalliten auf der Oberfläche Elektronen Elektronen Abrastern der Probe mit Elektronenstrahl
Raster-Transmissions-Elektronen-Mikroskopie (STEM) Oberflächenstruktur im Ortsraum, Gleitebenen von Kristalliten auf der Oberfläche Elektronen Elektronen Kombination aus TEM und SEM
Röntgenmikroanalyse (XRMA)
Elektronen Energieverlust-Spektroskopie (EELS) Spektrum Elektronen Elektronen Anregung von Prozessen im Festkörper: Plasmonenanregung, Ionisation

[Bearbeiten] Feldinduzierte Mikroskopie

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Feldemissionsmikroskopie (FEM) Abbildung der Struktur von Spitzen, keine atomate Auflösung elektrisches Feld ionisiert Spitzenatome emitierte Elektronen aus der Spitze auf Fluoreszenzschirm Ionisation, Tunneleffekt
Feldionenmikroskopie (FEM) Abbildung der Struktur von Spitzen, atomate Auflösung elektrisches Feld, Bildgas Bildgas mit Fluoreszenzschirm Ionisation des Bildgases, Tunneleffekt
Felddesorption/Feldverdampfung Abbildung der Struktur von Spitzen elektrisches Feld Adatome/Spitzenatome Desorption von Adatomen der Spitze/Verdampfung von Spitzenmaterial
Feldionenmassenspektrometrie Zusammensetzung von Spitzen elektrisches Feld, Bildgas Molare Masse von Spitzenatomen durch Time-of-flight-Massenspektrometer (TOF) Desorption von Atomen der Spitze, Unterschiedliche Flugzeit bei unterschiedlichen Massen im TOF

[Bearbeiten] Spektroskopie

[Bearbeiten] Elektronenspektroskopie

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS) Oxidationszustand und Konzentration von Elementen im Oberflächenbereich Röntgen-Photonen Photo-Elektronen Photoelektrischer Effekt
Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES) Oxidationszustand und Konzentration von Elementen im Oberflächenbereich Röntgen-Photonen oder Elektronen Auger-Elektronen Auger-Effekt
Ultraviolet-Photoelektronen-Spektroskopie (UPS) Elektronische Struktur Photonen im UV-Bereich Photo-Elektronen Photoelektrischer Effekt
Rastertunnelspektroskopie (STS) Elektronische Struktur Elektronen Elektronen Tunneleffekt
Metastabilen-Einschlag-Elektronenspektroskopie (MIES)

[Bearbeiten] Schwingungs-Spektroskopie

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Infrarotspektroskopie (IR) Spektrum, Schwingungsmoden von Adsorbaten (oft Kohlenmonoxid als Sonde) Infrarot-Photonen Infrarot-Photonen Schwingungsanregung von IR-aktiven Banden
Ramanspektroskopie Spektrum, Schwingungsmoden von Adsorbaten Vis,NIR Laser Rayleigh/Raman-Streuung (Vis,NIR) Schwingungsanregung von raman-aktiven Banden


[Bearbeiten] Ionen-Spektroskopie

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Ionen-Streu-Spektroskopie (ISS=LEIS) Molare Masse der Oberflächenatome auf der äußersten Lage (qualitativ) niederenergetische Ionen (oft positive Edelgas- oder Alkalimetallionen) gestreute Ionen mit einem Massenspektrometer Elastische Streuung von Ionen an der Oberfläche, Energie- und Impulserhaltung
Sekundär-Ionen-Massenspektrometrie (SIMS) Molare Masse der Atome im Tiefenprofil der Oberfläche (quantitativ) Ionen (oft positive Edelgas- oder Metallionen) Cluster und Fragmente der Oberfläche, gestreute Ionen mit einem Massenspektrometer Sputtern der Oberfläche
Rutherford Backscattering Spectrometry (RBS) Zusammensetzung der Oberfläche hochenergetische Helium-Ionen
Nukleare Reaktions-Analyse (NRA) Zusammensetzung der Oberfläche hochenergetische Ionen oder Neutronen Zerfallsprodukte von Kernreaktionen Kernreaktionen
Sekundär-Neutralteilchen-Massenspektrometrie (SNMS)

[Bearbeiten] Röntgen-Absorptions-Spektroskopie (XAS)

Methode Erhaltene Informationen engesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
(Surface) Extended X-Ray absorption Fine Structure ((S)EXAFS=XANES) Informationen über Nahordnung, Bindungslängen, Koordinationszahl durchstimmbere Röntgen-Photonen (Synchrotronstrahlung) Röntgen-Photonen Interferenz von ursprünglichen Photoelektronen und an Nachbaratomen gestreuten Photoelektronen führen zu anderer Wahrscheinlichkeit für Photoelektrischen Effekt
X-Ray Absorption near edge Structure (XANES=NEXAFS) Informationen über Nahordnung, Elektronische Struktur, Oxidationszustand durchstimmbere Röntgen-Photonen (Synchrotronstrahlung) Röntgen-Photonen wie EXAFS aber genauere Auflösung der in Absortionskantennähe
Mößbauerspektroskopie Strukturinformationen, Oxidationszustände, Partikelgröße Gammastrahlung (meist aus 57Fe) Gammastrahlung Mössbauereffekt, Dopplereffekt


[Bearbeiten] Beugung

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Beugung niederenergetischer Elektronen (LEED) Oberflächenstruktur im reziproken Raum, Überstrukturen, 2-d-Fernordnung muss vorhanden sein niederenergetische Elektronen gebeugte Elektronen Beugung
Röntgenbeugung (XRD) Gitterstruktur der gesamten Festkörpers im reziproken Raum, 3-d-Fernordnung muss vorhanden sein Röntgen-Photonen gebeugte Röntgenstrahlung Beugung
MEED Monolagen-Wachstum in Abhängigkeit der Zeit, Fernordnung bei voller Monolage muss vorhanden sein Elektronen gebeugte Elektronen Beugung
Reflection high energy electron diffraction (RHEED) in-situ Strukturanaylse während Deposition, Fernordnung muss vorhanden sein Elektronen Elektronen Beugung mit kleinem Glanzwinkel


[Bearbeiten] Kinetische Methoden

Methode Erhaltene Informationen eingesetztes Teilchen/Welle detektierte Größe/Teilchen/Welle ausgenutzter Effekt
Temperatur-programmierte Desorption (TPD) Ordnung der Desorptions-Kinetik, Anzahl Teilchen pro Monolage Wärme Desorbierte Oberflächen-Teilchen Desorption bei Temperaturerhöhung

[Bearbeiten] Die "Big Four"

Die vier am häufigsten verwendeten Verfahren, die sogenannten "Big Four" sind XPS, AES, SIMS und RBS.

[Bearbeiten] Kombinationen

Bestimmte Strahlungsarten können mehrere Prozesse anregen, die für die jeweilige Methode Vor- und Nachteile bringen kann. Beispielsweise können bei Ionisation durch Röntgenstrahlung gleichzeitig Auger-Elektronen und Photoelektronen entstehen, die sich möglicherweise im Spektrum überlagern und so die Auswertung erschweren. Andererseits werden bei der TEM durch die zusätzliche Emission von Auger- und Photoelektronen, rückgestreute Elektronen, emittierte Partikel und EELS zusätzliche Informationen über die Probe in einer Apparatur gewonnen.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

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