Guter Hirte
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Guter Hirte bzw. der Gute Hirte (griech. ho poimen ho kalos, lat. pastor bonus) ist im Christentum eine der ältesten und verbreitetsten Bezeichnungen für Jesus Christus.
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[Bearbeiten] Neues Testament
In einer der großen Gleichnisreden des Johannesevangeliums (Kap. 10, 1-18) sagt Jesus von sich selbst: "Ich bin der gute Hirte" (Joh 10,11.14) und führt das Bildwort unter verschiedenen Aspekten aus: Der gute Hirte unterscheidet die Schafe und kennt sie beim Namen. Die Schafe erkennen ihn an der Stimme. Bis zur Hingabe des eigenen Lebens setzt sich der gute Hirte (im Gegensatz zum Lohnhüter) für die Herde ein.
Indirekt erscheint der Hirtentitel auch in der Erzählung vom verlorenen und geretteten Schaf (Matth 18,12-14), sofern die Hauptperson mit Jesus identifiziert wird: Nicht den 99 Sicheren (Gerechten), sondern dem einen Verlorenen (Sünder) gilt seine Sorge und sein Nachgehen.
In der Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums (Kap. 2, 8-20) nehmen die Hirten eine wichtige Position ein. Den Hirten wird als Erstes von den Engeln die Geburt Jesu Christi verkündet. Sie waren in jener Nacht wach und lagerten, ebenso unbehaust wie Maria und Josef, auf freiem Feld bei ihrer Herde. Erst viel später, aber nicht zu spät kamen dann die Behausten, ähnlich uns, die anscheinend Aufgeklärten, die Weisen oder die Magier, die Vertreter einer verfeinerten Kultur, aus ihren Palästen um das Kind, den Messias, zu suchen. Der Erzähler der Weihnachtsgeschichte stellt sich auf die Seite der einfachen, wachen Hirten, die den Weg zum Messias, ohne Umwege (wie die "Weisen") finden.
[Bearbeiten] Altes Testament
Im Hintergrund der jesuanischen Hirtenworte stehen zahlreiche alttestamentliche Bildworte, in denen (verheißene) charismatische Führer des Volkes einerseits, verantwortungslose Könige und Richter andererseits als gute bzw. schlechte Hirten (Hes. 34) bezeichnet werden. Der berühmte Psalm 23, aber auch Psalm 80 beziehen das Hirtenbild unmittelbar auf Gott, dem in Psalm 23 nach der Übersetzung Bubers auch die Funktion zugesprochen ist, durchs "Todschattental" sicher in die jenseitige Welt zu führen.
[Bearbeiten] Systematische Deutung
Das Hirtengleichnis ist ein Beziehungsbild. Es konstituiert ein personales Verhältnis zwischen dem Einen und den Vielen. Diese sind zunächst nur passive Gegenstände der Sorge des Hirten bis zu dessen Selbsthingabe. Indem sie die Stimme ihres Hirten von anderen Stimmen unterscheiden und nur ihm folgen, erscheinen sie jedoch auch aktiv und "mündig".
Der Hirte hat zugleich Pflichten und Vollmachten. Er "leitet" und "regiert" die Herde, hat dies aber so zu tun, dass sie Weidegründe und Wasserquellen findet und nicht in Gefahr gerät.
[Bearbeiten] Kirchenjahr
Seit die Alte Kirche die Evangelienlesungen für die einzelnen Sonntage festgelegt hatte, stand der 2. Sonntag nach Ostern (Misericordias Domini) im Zeichen des Guten Hirten. So ist es in der lutherischen Kirche bis heute geblieben. Die katholische nachkonziliare Liturgiereform verlegte das Motiv auf den 3. Sonntag nach Ostern (=4. Sonntag der Osterzeit), um die ersten drei Ostersonntage den eigentlichen Ostergeschichten (Begegnungen des Auferstandenen) vorzubehalten.
[Bearbeiten] Hirtenbild heute
Das Hirtenbild, das vorchristlich, auch bei Griechen und Römern, auf Herrscher und Verantwortungsträger aller Art angewendet wurde, ist im christlichen Kulturkreis fast ganz auf die "Hirten der Kirche" eingeschränkt worden. In der römischen Liturgie lautet so der Oberbegriff für jene Heiligen, die Seelsorger waren. Das lateinische Wort Pastor ist v.a. in Norddeutschland zur Bezeichnung des Pfarrers geworden.
[Bearbeiten] Kunst
In der christlichen Kunst ist der Hirte mit dem verlorenen Schaf auf den Schultern die älteste Christusdarstellung überhaupt, häufig in den römischen Katakomben. Da dieses Motiv bereits in vorchristlichen Schäferszenen beliebt war und auch in den Totenkult Eingang gefunden hatte (s. Mithraismus), ist oft nicht eindeutig zu klären, ob es sich bereits um ein christliches Zeugnis handelt.
Im 19. Jahrhundert erlebte das Bild eine Renaissance und wurde in vielfältigen biedermeierlichen Variationen zum Wohn- und Schlafzimmerschmuck.
[Bearbeiten] Literatur
- Michael Fischer u.a. (Hrsg.): Das Motiv des Guten Hirten in Theologie, Literatur und Musik. Mainzer hymnologische Studien 5. Francke, Tübingen u.a. 2002 ISBN 3-7720-2915-9