Gottesbezug
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Die Bezeichnung „Gottesbezug“ meint einen religiösen Verweis auf Gott.
Ein solcher Verweis findet sich beispielsweise in der Präambel von Verfassungen. Die Präambel des deutschen Grundgesetzes beginnt mit den Worten „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen [...] hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassunggebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“
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[Bearbeiten] Diskussion über einen Gottesbezug in Verfassungen
Problematisch ist ein Gottesbezug in Verfassungen, da er auch immer das Verhältnis von Staat und Kirche beschreibt. Außerdem kann ein christlicher Bezug auch im Widerspruch zur staatlichen Neutralität im Verhältnis zu anderen Religionen aufgefasst werden.
[Bearbeiten] Die Contra-Argumente
Die Gegner bestehen auf dem Prinzip der Trennung von Kirche und Staat, das durch einen Gottesbezug in der Verfassung verletzt wäre: der Staat, zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, muss die Autonomie seiner demokratischen Rechtsordnung wahren, die ja sogar z. T. gegen den Widerstand der christlichen Kirchen durchgesetzt worden ist. Ein Gottesbezug würde vielmehr die Menschenrechte als Basis der Verfassung in das zweite Glied verschieben. Der Glaube als Bezugsfeld des Privat-Persönlichen und Gegenstand persönlicher Gewissensentscheidungen habe in der Verfassung nichts zu suchen. Viele Opponenten sehen in einem Gottesbezug eine Privilegisierung des gläubigen Anteils des Verfassungsvolkes, genauer der Christen; würde doch der Gottesbezug ipso facto dem christlichen Gottesbild entsprechen. Überheblichkeit der Glaubenden (Christen) gegenüber nichtchristlichen Gemeinschaften und Atheisten sei die Folge. Ein Gottesbezug sei gleichzusetzen mit der Diskriminierung der nichtglaubenden Minderheit durch die glaubende Mehrheit. Dieses Minderheitenargument lässt sich auch umkehren: Im deutschen Bundesland Thüringen, wo nur ca. 41 % der Bevölkerung sich als Mitglied einer Kirche bezeichneten, lehnten die Gegner des Gottesbezugs diesen als Bevorzugung der glaubenden Minderheit ab. Ein weiterer genannter Grund für die Wahrung der Religionsneutralität und gegen den Gottesbezug ist, dass die demokratische Ordnung ihre Legitimation nicht an eine oder mehrere Religionen binden kann, da sie auch für alle Anders- oder Nichtgläubigen gelten muss.
Gegen das Argument, ein fehlender Gottesbezug sei ein Zeichen von übertriebener Säkularisierung, verweisen Gegner des Gottesbezuges auf die Verfassung der USA und der amerikanischen Einzelstaaten, worin sich keine Gottesbezüge finden, was die amerikanische Religiosität offenbar nicht nennenswert behindert.
[Bearbeiten] Die Pro-Argumente
Ein Kernargument der Befürworter stellt das Postulat metaphysischer Voraussetzungen der Rechtsordnung dar: der Verfassungs- und Rechtsstaat bedürfe des Bekenntnisses zu einem vor- und überstaatlichen Normengefüge - zu Normen, die kraft ihrer selbst gelten würden, daher auch nicht zur Disposition des Gesetzgebers stünden (siehe auch Naturrecht).
Ein Gottesbezug dokumentiert diese Bindung an letzte Werte, die der Mensch nicht geschaffen hat, dabei würde Gott auch ein mögliches Symbol für Nichtglaubende als eine „letzte sittliche Kraft“ darstellen. Mit diesem Halt außerhalb des Menschlichen wäre eine Begrenzung menschlicher Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten gegeben. Der Gottesbezug und die damit verbundene Verantwortlichkeit wäre deshalb auch als Absage an staatlichen Totalitarismus zu verstehen.
Häufig trifft man in der Debatte auf den Hinweis auf die christliche Traditionen der westeuropäischen Kulturen und die Begründung der Toleranz durch den christlichen Glauben. Die andere Variante des Mehrheitsarguments pocht auf die christliche Mehrheit der Glaubenden im Verfassungsvolk. Tatsächlich aber ergibt sich daraus eine Konflikt zwischen religiöser Neutralität der Staates und exklusiv christlicher Begründung eines Gottesbezuges, aber auch eines nichtexklusiven Gottesbezuges. Den Wert eines Gottesbezuges sehen die Befürworter also vor allem in der Benennung einer dem Menschen entzogenen personalen, letzten, verbindlichen Rechenschaftsinstanz. Gegen den Vorwurf der Diskriminierung nichtchristlicher Religionsgemeinschaften argumentiert man mit der materialen Offenheit des Gottesbegriffes. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass selbst damit noch eine Diskriminierung aller Menschen stattfindet, die nicht einem zumindest ähnlichen monotheistischen Glauben angehören, also z.B. aller Atheisten, Buddhisten und Anhänger polytheistischer Religionen.
[Bearbeiten] Gottesbezug in der Europäischen Verfassung
Umstritten war ein solcher Gottesbezug in der letzten Zeit bei Erarbeitung der Europäischen Verfassung. Hier kollidierten im Wesentlichen die französische Staatsauffassung eines säkularen, laizistischen Staates (mit vollständiger Trennung zwischen Staat und Kirche) mit der vor allem katholisch geprägten Auffassung einzelner EU-Mitgliedstaaten wie Polen, Irland oder Italien bzw. der deutschen Christ-Demokratie.
Einer der Vorschläge (orientiert an der polnischen Verfassung) hatte folgenden Wortlaut: „Die Werte der Europäischen Union umfassen die Wertvorstellungen derjenigen, die an Gott als die Quelle der Wahrheit, Gerechtigkeit, des Guten und des Schönen glauben, als auch derjenigen, die diesen Glauben nicht teilen, sondern diese universellen Werte aus anderen Quellen ableiten.“
Endgültiges Ergebnis in der Verfassung ist ein Kompromiss ohne ausdrücklichen Gottesbezug. Es wird nur auf das „kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas“ Bezug genommen. Ein dezidiert christlicher Bezug fehlt.