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Doing Gender

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Das Konzept des Doing Gender betont Geschlecht (Gender) als ein Produkt performativer Tätigkeiten und setzt sich von der Vorstellung von Geschlecht als einer starren Eigenschaft ab. Diese Richtung etablierte sich durch kulturvergleichende Studien, in denen erkannt wurde, dass die sozialen Kategorien 'Mann' und 'Frau' sehr heterogen sind und dass es sehr wenige Eigenschaften gibt, die interkulturell geteilt werden. Gender gilt nicht länger als eine interne Eigenschaft einer Person, wie das in Sozialisationstheorien der Fall ist. Vielmehr wird der Blick auf Interaktionen gelenkt, in denen Gender dargestellt und wahrgenommen wird.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ansatz

Das Konzept des 'Doing Gender' geht insbesondere auf Candace West und Don H. Zimmerman zurück, die von der Ethnomethodologie beeinflusst sind. Mit dem Hervorheben des 'Tuns' / 'Machens' von Geschlecht wird das alltägliche (und zumeist auch wissenschaftliche) Verständnis von Geschlecht als biologisch oder psychisch stets gegebener 'Tatsache' kritisiert. So erklären wir uns z.B. das Verhalten von Menschen oft, indem wir ihr Geschlecht einfach als Ursache benennen: 'Männer (bzw. Frauen) sind halt so". Dies ist höchst vereinfachend und wird der Komplexität des Handelns, indem wir nicht wie Maschinen innere Programme ausführen, nicht gerecht.

In ihrem grundlegenden Aufsatz „Doing Gender“ (1987) verstehen die Autorin und der Autor daher das Geschlecht nicht als natürliches oder erworbenes Personenmerkmal, das sich lediglich in Denken, Fühlen und Handeln einer geschlechtsspezifischen Identität niederschlägt, sondern betonen die aktive Her- und Darstellung des Geschlechts im Alltag. Demnach hat man sein 'Geschlecht' also nicht einfach von Natur aus oder nur durch die Erziehung und Sozialisation und 'muss' sich daher immer geschlechtstypisch verhalten, sondern dieses Verhalten ist vor allem orientiert am Wissen darüber, wie man sich als 'Mann' oder 'Frau' zu verhalten hat. Es ist eine aktive Leistung und Hervorbringung eines Verhaltens, das ein Beobachter als 'männliches' oder 'weibliches' Verhalten deuten kann. Die Autorin und der Autor begreifen das Geschlecht also (in Anlehnung an die Ethnomethodologie) als soziale Konstruktion und ein Merkmal sozialer Situationen anstatt von Personen.

Um die soziale Konstruktion von Geschlecht analytisch zu erfassen, unterscheiden die Autorin und der Autor (vgl. West/Zimmerman 1987: 131ff.) zwischen der Geburtsklassifikation (Sex), der sozialen Zuordnung/Zuschreibung des Geschlechts (Sex-Category) sowie der intersubjektiven Validierung der Geschlechtskategorie in Interaktionsprozessen (Gender). Besondere Bedeutung kommt jener 'intersubjektiven Validierung' zu: Gemeint sind alltägliche Prozesse, in denen wir unser Geschlecht sozial darstellen und uns des Geschlechts von anderen versichern (z.B. in den vielen Ritualen, die Männlichkeit bzw. Weiblichkeit inszenieren). Geschlecht (Gender) ist so gesehen ein stetiges ‚Tun’ von der Geschlechtskategorie (Sex-Category) adäquatem Verhalten: „virtually any activity can be assessed as to its womanly or manly nature […], to ’do’ gender […] is to engage in behavior at the risk of gender assessment” (ebd.: 136).

Die Autorin und der Autor kennen kein ‚Jenseits’ dieser Geschlechtskonstruktion, das heißt 'Mann' oder 'Frau' stellen ihr Verhalten immer als das in unserer Kultur ädaquate Verhalten eines Mannes oder einer Frau dar: „Doing Gender is unavoidable“ (ebd.: 137). Abgesichert werden die Prozesse des Doing Gender durch eine Vielzahl institutioneller Arrangements, die durch relativ vage Handlungserwartungen (Vorstellungen über typisches 'Mann-/Frau-Sein') bis konkrete Interaktionsskripte (Alltagsrituale wie z.B. die Regeln der 'Höflichkeit') die soziale Kategorie ‚Geschlecht’ im Alltag präsent halten (vgl. auch Gildemeister 2004, Gildemeister/Wetterer 1992). Es gibt also ein Hintergrundwissen zur Geschlechterdifferenz und zu bedeutenden Unterschieden, das stets aktualisiert und reproduziert wird durch das Handeln. Das Geschlecht begreifen wir aber in unserer Alltagslogik (und zumeist auch in der wissenschaftlichen) nicht als Produkt dieser Beziehung zwischen Handeln und Wissen, sondern als 'stets natürlich gegeben' oder 'einst in der Erziehung erworben'.

[Bearbeiten] Kritik

Die Unvermeidbarkeit einer stetigen Geschlechtskonstruktion, also die Annahme einer andauernden Her- und Darstellung des Geschlechts in jeglichen Interaktionen, wurde einerseits von der Autorin und dem Autor später selbst relativiert (vgl. West/Zimmerman 1995). Das Doing Gender kann demnach hinter das 'Tun' anderer Zugehörigkeiten zurücktreten (bsp. hinter ein Doing Race bzw. Ethnicity). Andererseits wurde das Konzept des Doing Gender grundsätzlicher kritisiert, indem man auch von einem Vergessen und Neutralisieren der Geschlechterdifferenz ausgeht (Undoing Gender).

[Bearbeiten] Forschungsumfeld

Die Aspekte einer performativen Etablierung von Geschlecht sind schwer zu erkennen, weil wir aufgrund der Alltäglichkeit unserer Erfahrungen dafür blind geworden sind. Zusätzlich ist Geschlecht in unserer Alltagswahrnehmung eine stark essentialisierte Eigenschaft. Einmal erstellte Differenzen werden also naturalisiert und institutionalisiert. Beobachtet werden kann ein Prozess der Herstellung von Geschlecht deshalb insbesondere in Extremsituationen. So stütz sich die Erforschung des 'Doing Gender' auf Studien über Transsexuelle, also Personen, die im Laufe ihres Lebens das Geschlecht wechseln und in diesem Wandel erlernen, wie Gender in Interaktionen hergestellt und wahrgenommen wird.

[Bearbeiten] Literatur

  • Regine Gildemeister, Angelika Wetterer: Wie Geschlechter gemacht werden. Die soziale Konstruktion der Zwei-Geschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung. In: G-A Knapp (Hrsg.): Traditionen Brüche: Entwicklungen feministischer Theorie. Forum Frauenforschung, Kore Verlag, Freiburg / Breisgau 1992, S. 201-254
  • Regine Gildemeister: Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden 2004, S. 132-141, ISBN 3810039268
  • Erving Goffman: Das Arrangement der Geschlechter. In: H. Knoblauch (Hrsg.): Interaktion und Geschlecht. Campus, Frankfurt a.M. 2001, S. 105-158.
  • Suzanne J. Kessler, Wendy McKenna: Gender. An ethnomethodological approach. Wiley, New York 1978, ISBN 0226432068
  • Candace West, Don H. Zimmerman: Doing Gender In: Gender & Society. 1987 / 1, S. 125-151.
  • Candace West, Don H. Zimmerman: Doing Difference In: Gender & Society. 1995 / 9, S. 8-37.
  • Hirschauer, Stefan: Die interaktive Konstruktion von Geschlechtszugehörigkeit. Zeitschrift für Soziologie 1989, 8, S. 100-118
  • ders. Die soziale Fortpflanzung der Zweigeschlechtlichkeit. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1994, 46: 668 - 692
  • ders.: Die soziale Konstruktion der Transsexualität. Über die Medizin und den Geschlechtswechsel. Frankfurt: Suhrkamp 1993 (2. Auflage 1999)
  • ders.: Das Vergessen des Geschlechts. Zur Praxeologie einer Kategorie sozialer Ordnung. S. 208-235 in B. Heintz (Hg.in) Geschlechtersoziologie. Sonderheft 41 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 2001.

[Bearbeiten] Weblinks

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