Deutscher Freiheitssender 904
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Der Deutsche Freiheitssender 904 (DFS 904) wurde 1956 von der DDR in Reaktion auf das Verbot der KPD in der Bundesrepublik Deutschland als Hörfunksender auf Mittelwelle installiert. Der Sendebetrieb wurde genau am Tag des KPD-Verbotes, am 17. August 1956, aufgenommen. Der von der DDR finanzierte und organisierte Propagandasender nannte sich "Deutscher Freiheitssender 904". Die Stationskennung waren die Anfangstakte von Beethovens »Freude schöner Götterfunken« und der Slogan »Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904 – der einzige Sender der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht.« Sprecher dieses Textes war Wolfgang Heinz, Schauspieler und späterer Intendant des Deutschen Theaters Berlin. Kontaktadresse des Senders war Deutscher Freiheitssender 904, Postfach 248, A-1021 Wien, Österreich.
Das Programm wurde unter konspirativen Umständen anfangs in Ost-Berlin, ab Mitte der sechziger Jahre in Bestensee bei Königs Wusterhausen produziert. Der in die Bundesrepublik abstrahlende Sender stand im Ortsteil Brehm von Burg (bei Magdeburg). Den Hörern versuchte man, den Eindruck zu vermitteln, die technischen Sendeanlagen stünden in Westdeutschland im Untergrund (Betrieb von mobilen LKW aus). Da die Rundfunksender der Bundesrepublik in den 1960er-Jahren nur wenig populäre Musik spielten, gelang es dem Sender mit einem speziell an junge Bundesbürger gerichteten Programm, zahlreiche regelmäßige Hörer zu finden. Die meisten Hörer hatte er, wie auch sein Schwestersender, der Deutsche Soldatensender 935, wohl Mitte der sechziger Jahre in der DDR.
Ein weiteres „Gimmick“ des DFS 904 waren außerdem abendliche „Geheim-Mitteilungen“, die sich angeblich an Kommunisten in Westdeutschland richteten (Beispiele: „Nachricht an Kalenderblatt: »Es ist nicht alle Tage Sonntag.«“ , „Meerschweinchen: »Heute droht der Adler.«“) sowie die gelegentliche Benennung von Namen, Beruf und Adressen angeblich „enttarnter Mitarbeiter des BRD-Verfassungsschutzes“.
Erster Chefredakteur des DFS 904 war von 1956 bis 1958 der spätere Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED Rudolf Singer. Die 15 Redakteure kamen vorwiegend aus dem Westen, wegen des glaubwürdigeren Akzents. Sie galten als Angestellte beim Kraftverkehr. Zuletzt leitete Heinz Priess (Deckname Robert), von 1936 bis 1939 gewählter Bataillonskommissar bei den Internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg, 13 Jahre lang als Chefredakteur den Sender. In einem Interview hat er später die Wirksamkeit mit Null bezeichnet. Priess: „Nichts wurde in Bewegung gebracht. Nur die Musik kam gut an.“
Weitere Mitarbeiter des DFS waren Achim Becker (Redakteur), Adolf Broch (Redakteur), Christa Broch (Tontechnikerin), Hans Canjé (Redakteur), Emil Carlebach (Chefsprecher), Erich Glückauf (Deckname Rüdiger; Beauftragter des ZK der KPD), Hans Henning (Sendetechniker), Erich Jungmann (Sendeleitung), Heinz Kampe (Redakteur), Jupp Mallmann (Redaktionssekretär), Oskar Neumann (Verantwortlicher des KPD-Politbüros für den DFS 904), Friedrich Pospiech (Deckname Otto Stein; Redakteur) und Grete Thiele (Redakteurin). Aber: »Während seiner gesamten Lebensdauer umhüllte sich der Sender mit einem Schleier der Konspiration, welcher auch über 30 Jahre später noch nicht restlos gelüftet ist«.[1] 1962 waren insgesamt 22 Mitarbeiter einschl. Schreibkräften beim DFS beschäftigt.
Ab Oktober 1960 arbeitete außerdem der Deutsche Soldatensender 935 (DSS 935), der sich an die Angehörigen der Bundeswehr richtete, unter Nutzung des gleichen 250 kW-Mittelwellensenders im Funkamt Brehm. Das Studio und die Redaktion befanden sich auf dem Gelände des Funkhauses Berlin-Grünau. Kontaktadresse dieses Senders war Werner Schütz, Berlin W8, Postfach 116. Diese eindeutig Ostberliner Adresse wurde auch nach Einführung neuer Postleitzahlen in der DDR im Jahre 1965 beibehalten.
Der DFS 904 sendete morgens und abends, der DSS 935 anfangs nur morgens. Später kamen noch Sendungen um 12.30, 18.00, 20.15 und 23.30 hinzu. Wegen der notwendigen Frequenzumstimmarbeiten zwischen 904 kHz (später 908 kHz) und 935 kHz differierten Sendeende und Sendestart der beiden Sender in der Regel um 15 Minuten. Gleichzeitig konnten sie nicht senden. Am 30. September 1971 (DFS 904) bzw. 30. Juni 1972 (DSS 935) wurde der Betrieb beider Geheimsender im Zeichen der sich anbahnenden Entspannungspolitik und der begonnenen Verhandlungen zum späteren Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR eingestellt. Zu diesen Ereignissen gehörte auch der Sturz von Walter Ulbricht, einem großen Fürsprecher der KPD, durch Erich Honecker am 3. Mai 1971 und der Übertritt von Max Reimann, dem langjährigen KPD-Vorsitzenden, in die 1968 neugegründete DKP am 27. September 1971.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Online Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik. Der Deutsche Freiheitssender 904. Die Stimme der KPD von 1956 – 1971. Von: Christian Senne, In: Kulturation 1/2004, kulturation.de
[Bearbeiten] Weblinks
- Audio: Senderkennung und Stationsansage des DFS 904
- mp3-Dateien und eine umfangreiche Arbeit über den DFS 904
- Historische Seiten zur (Rund)Funkgeschichte in Deutschland
- "Die Nacht wird dunkel"
- Insiderbericht von Achim Becker und Hans Canjé "Nicht ohne Stimme"
- Interview mit Hans Canje "Wir setzten auf die Gewalt des Wortes"
- Audio: Vor 50 Jahren: Freiheitssender 904 startet Programm
- Broschüre über DFS 904 und DSS 935 aus dem Jahre 1988 "Roter Schwarzfunk"
- Was hatte es mit dem Deutschen Soldatensender auf sich?
- Eine QSL-Karte des DSS 935
- Audio: Stationsansage und Senderkennung des DSS 935