Brutreaktor (Kalkar)
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Der Brutreaktor (oder Schnelle Brüter) in Kalkar am Niederrhein, Deutschland ist ein nie in Betrieb genommenes Kernkraftwerk und eine der größten Investitionsruinen Deutschlands.
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[Bearbeiten] Eckdaten
- Hersteller: Interatom GmbH
- Kraftwerkstyp: SNR-300 (Brutreaktor)
- Leistung: 327 Megawatt
- Baukosten: etwa 7 Milliarden DM (ca. 3,6 Milliarden Euro)
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Motive
Der erste Brutreaktor wurde 1946 in den USA als Neutronenquelle für die Forschung gebaut und trug den Namen Clementine. Es handelte sich dabei um eine Reaktortechnologie, die sich grundlegend von den bis dahin gebauten Leichtwasserreaktoren unterschied. Im Gegensatz zu diesen kann ein Brutreaktor nicht nur das vergleichsweise seltene Uran 235 verwenden, sondern auch das viel häufigere Uran 238 in spaltbares Plutonium umwandeln, was somit für weiteren Brennstoff sorgt.
Im Herbst 1972 beauftragten die Bundesrepublik Deutschland,Belgien und Niederlande die Siemens-Tochter Interatom mit dem Bau eines Brutreaktors, was zu der Zeit eine neue Technologie in Deutschland darstellte, denn der erste deutsche Brutreaktor wurde erst in den Jahren 1971 bis 1974 in Karlsruhe gebaut. Dieser Reaktorkern trug den Namen KNK-I und wurde danach zu einem schnellen Brüterkern mit der Bezeichnung KNK-II umgerüstet. Da die Uranvorräte in Deutschland begrenzt sind, erhofften sich die Befürworter der Atomenergie mit dem Bau eines Brutreaktors eine erheblich effizientere Ausnutzung dieser Vorräte, so dass Deutschland auf unabsehbare Zeit von Energieimporten unabhängig werden könnte.
Noch 1972 wurde mit dem Bau begonnen.
[Bearbeiten] Bauphase
Gegen Ende der 1970er kam zunehmend Kritik an dem Kraftwerkbau auf. 1977 gab es in Kalkar eine erste Demonstration, bei der 40.000 Menschen auf die Straße gingen. Das Polizeiaufgebot hierzu gilt als das größte in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Lichte der teilweisen Kernschmelze im Kernkraftwerk Three Mile Island in den USA im Jahre 1979 und der aufkeimenden Anti-Atomkraft-Bewegung wurden immer mehr Bedenken geäußert. So sagte der spätere Umweltminister des Saarlandes, Jo Leinen (SPD), dass man die Technologie irgendwann aus Rentabilitätsgründen auch exportieren müsse. Da man mit Plutonium auch Atombomben herstellen kann, würde man so Ländern den Zugang zu Atombomben verschaffen, die diesen bislang nicht hätten. Neben diesem Einwand gab es aber vor allem Sicherheitsbedenken. Ein Reaktor dieses Typs sei schlechter kontrollierbar und berge hierdurch mehr Gefahren. Zudem verwendete man zur Kühlung flüssiges Natrium, das chemisch sehr aggressiv ist und bei Berührung mit Wasser explodiert.
Die Gegner des Projekts reichten Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Enquête-Kommission des Bundestags erwirkte eine vierjährige Unterbrechung des Baus. Durch verschärfte Sicherheitsauflagen sollten die Bedenken ausgeräumt werden. Hierdurch wurde das Projekt allerdings auch immer teurer. Ursprünglich hatte der Reaktor 1,7 Milliarden Mark kosten sollen. Nun kostete er insgesamt 7 Milliarden Mark, also mehr als das Vierfache. 1978 schwenkte die Landesregierung Nordrhein-Westfalens, zu dieser Zeit eine Koalition aus SPD und FDP, auf einen Anti-Kernkraft-Kurs um. Man hielt die energiepolitischen Gründe für einen Einstieg in die Plutoniumwirtschaft nicht für ausreichend. In der Folge wurde die Teilerrichtungsgenehmigung durch den Wirtschaftsminister Horst-Ludwig Riemer (FDP) blockiert. Dies löste eine Krise aus.
Die Proteste radikalisierten sich zu Beginn der 1980er-Jahre zunehmend.
[Bearbeiten] Fertigstellung, Nichtinbetriebnahme und endgültiges Aus
Letztendlich wurde der Bau 1985 fertiggestellt. Das flüssige Natrium zirkulierte nun im Kühlkreislauf und musste mit elektrischen Heizelementen warm gehalten werden, um nicht zu erstarren. Der Reaktor war nun prinzipiell einsatzbereit. Ab sofort fielen pro Monat mehr als fünf Millionen Euro Betriebskosten an.
Das Land Nordrhein-Westfalen verweigerte allerdings die Betriebsgenehmigung, gegen den Willen der damaligen Bundesregierung. Der für die Baugenehmigungen zuständige Sozial- und Arbeitsminister Friedhelm Farthmann hielt die Inbetriebnahme nicht für vertretbar, da die Risiken nicht kalkulierbar seien. Die vormaligen Errichtungsgenehmigungen seien daher auch nur unter Vorbehalt erteilt worden. Das Landeskabinett entschied vor der Landtagswahl 1985 inoffiziell, den Betrieb nie zu genehmigen. Daher durften die Brennelemente nicht in den Reaktorkern gebracht werden. Nach der Wahl schied Farthmann aus der Regierung aus und die Zuständigkeit für Genehmigungen wurde an Reimut Jochimsen (SPD) vom Wirtschaftsministerium übertragen. Unter der neuen rot-grünen Landesregierung blieb man bei dem zuvor eingeschlagenen Kurs, die Reaktorinbetriebnahme auch gegen den Willen der Bundesregierung, zu der Zeit schwarz-gelb, zu verhindern. Es wurden die dem Land zur Verfügung stehenden Mittel genutzt: Jochimsen unterzog die Anträge langwierigen Prüfungen, die zwar formal korrekt waren, in der Realität aber das ganze Verfahren einfach so lange verschleppten, bis das politische Aus des Reaktors mehr oder weniger nicht mehr abwendbar war.
Auch die Stromversorger waren nicht mehr so sehr an einer Inbetriebnahme interessiert, da der Energieverbrauch in Westdeutschland langsamer gestiegen war, als sie ursprünglich erwartet hatten. Zudem waren auch die Uranvorräte größer als erwartet. Es gab also keinen zwingenden Grund, den Atommeiler schnell ans Netz zu bringen. Ursprünglich war der Bau eines zweiten Brüterreaktors nach erfolgreicher Inbetriebnahme des SNR-300 geplant gewesen. Der SNR-2 genannte Reaktor sollte eine Leistung von 1460 Megawatt erbringen.
Infolge der Katastrophe von Tschernobyl schlug die Stimmung endgültig gegen den Reaktor um. Da es im Fall einer Inbetriebnahme zur radioaktiven Kontamination von Anlagenteilen kommen würde, die im Fall einer vorzeitigen Außerbetriebnahme wie beim Hochtemperaturreaktor in Hamm eine Weiternutzung des Gebäudes ausschließen würde, verkündet Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber am 21. März 1991 das endgültige Aus für das Kraftwerk.
Das Megaprojekt war hierdurch zu einer der größten Investitionsruinen Deutschlands geworden.
[Bearbeiten] Abbau der Anlage
Ein Abriss des Gebäudes hätte 75 Millionen Euro gekostet, was aus ökonomischen Gründen nicht in Frage kam. Man begann mit dem langsamen Verkauf der neuen und niemals genutzten Geräte und Maschinen.
Der von Nukem und Alkem gelieferte erste Reaktorkern, der nie benutzt wurde, befindet sich derzeit in staatlicher Verwahrung in Hanau. Eigentümer des Kerns ist die RWE Power AG, die jedoch keine Lizenz für den Umgang mit dem auf etwa 35 % Plutoniumanteil angereicherten Brennstoff hat. Nach der Räumung des Lagers in Hanau soll das Plutonium in der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich in sogenannte MOX-Brennelemente integriert werden, die in herkömmlichen Kernkraftwerken benutzt werden dürfen. Außerdem gibt es Überlegungen, Teile des Kerns und des Kraftwerks für Brüterprojekte in China zu verwenden.
[Bearbeiten] Nachnutzung des Gebäudes
Das Gebäude selbst wurde per Zeitungsannonce angeboten. Letztendlich kaufte der niederländische Investor Hennie van der Most das Gelände und wandelte es in den Vergnügungspark "Wunderland Kalkar" (bis Anfang 2005 Kernwasser Wunderland genannt) um. Es gibt dort ein all-inclusive-Hotel mit 1000 Betten und Tagungsräume. Der Kaufpreis des Geländes samt Gebäude soll unsicheren Angaben zufolge 2,5 Millionen Euro betragen haben - ein verschwindend geringer Anteil des verbauten Sachwerts. Derzeit werden die Eisenteile des Kraftwerks ausgebaut und verwertet. Der Freizeitpark soll weiter expandieren. Eine Besichtung des Hauptgebäudes ist seit 2003 aufgrund der Verwertung nicht mehr möglich.
[Bearbeiten] Protestlieder
Im Rahmen der Proteste gegen den Bau und die Inbetriebnahme des Reaktors entstanden auch einige Protestlieder. Zur Symbolfigur wurde dabei der Bauer Maas aus Hönnepel: "Bauer Maas. Lieder gegen Atomenergie", verschiedene Interpreten u.a. Walter Mossmann; LP (pass op Verlag) 1979
[Bearbeiten] Weblinks
- Deutschlandradio Kultur zum 15. Jahrestag der endgültigen Aufgabe
- Das WDR Fernsehen zum 15. Jahrestag der Aufgabe
- Seite über Schnelle Brüter der Welt
Koordinaten: 51° 45' 47" N, 6° 19' 37" O