Brennerbasistunnel
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Als Brennerbasistunnel (BBT) wird ein deutsch-österreichisch-italienisches Gemeinschaftsprojekt zum Bau eines Eisenbahntunnels unter dem Brennerpass bezeichnet. Er soll die Alpen auf der Höhe von Innsbruck in Nord-Süd-Richtung unterqueren. Der BBT ist erstgereihtes Projekt im TEN-Programm der EU und wird bei seiner für 2015 geplanten Fertigstellung Teil der insgesamt 2200 Kilometer langen Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsachse Berlin-München-Verona-Bologna-Palermo sein. Inklusive des Umgehungstunnels Innsbruck wird der Brennerbasistunnel 63 Kilometer lang. Ohne Umgehungstunnel ist er 55 km lang und somit nach dem Gotthard-Basistunnel (57 km) der zweitlängste Tunnel der Welt.
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[Bearbeiten] Technische Daten
Die Ausbruchsmenge an Gestein beim Bau des Tunnels wird auf 11,1 Millionen m³ geschätzt, wovon etwa 6,8 Millionen in Österreich anfallen werden, da rund 60 % des Tunnels in Österreich liegen. Von der gesamten Ausbruchsmenge sollen 6 Millionen m³ als Schüttmaterial verwendet werden, 2,35 Millionen m³ sollen als Betonzuschlagstoff dienen und 2,75 Millionen m³ werden für Aufschüttungen und Rekultivierungen gebraucht. Die Haupttunnelröhren weisen einen kreisrunden Querschnitt mit einem Durchmesser von 9,6 m auf.
[Bearbeiten] Ziel
Der Personen- und Güterverkehr über die Alpen hat in den letzten Jahren stark zugenommen, Prognosen rechnen bis 2010 mit einem weiteren Wachstum von bis zu 75 %. Da die 1867 fertiggestellte Eisenbahnstrecke über den Brennerpass (Brennerbahn), über die ein Viertel des gesamten alpenquerenden Schienenverkehrs abgewickelt wird, angeblich den zukünftigen Kapazitätsanforderungen nicht mehr gewachsen ist (im Jahr 2005 betrug die Kapazitätsauslastung der Brennerstrecke ca. 55 %), wird über eine Möglichkeit nachgedacht, dieses Problem zu beheben. Der Brennerbasistunnel, an dem auch der Freistaat Bayern sehr interessiert ist, scheint eine gute Lösung zu sein.
Die Politiker der drei beteiligten Staaten erhoffen sich auch eine Verlagerung des LKW-Verkehrs auf die Schiene und damit einen besseren Umweltschutz. Die EU-Kommission in Brüssel sieht den Tunnel als wichtigen Baustein im transeuropäischen Verkehrsnetz und wird sich deshalb ebenfalls an der Finanzierung beteiligen.
Am 3. Mai 2004 haben die Verkehrsminister Hubert Gorbach (Österreich) und Pietro Lunardi (Italien) in Wien einen Staatsvertrag zum Bau des Tunnels abgeschlossen, welcher am 30. Juni 2006 mit dem Spatenstich zu einem Erkundungsstollen seinen Ausgang fand.
[Bearbeiten] Geschichte
Bereits im Jahre 1910 gab es erste Planungen zum Bau eines Tunnels quer durch das Brenner-Massiv, um die zeitaufwändigen Bahnfahrten über den Brennerpass zu vermeiden. Weiterführende Trassenuntersuchungen finden sich in der Machbarkeitsstudie 1987 zum BBT wieder.
[Bearbeiten] Aktuelle Planungen
[Bearbeiten] Haupttunnel
Der etwa 55 km lange, zweiröhrige Haupttunnel soll in Innsbruck-Wilten in den Berg eindringen und von dort auf einer Höhe von etwa 480 m über N.N. die an dieser Stelle bis zu 1400 m hohen Alpen unterqueren, bis er bei Franzensfeste in Südtirol wieder ans Tageslicht tritt. Da die neue Planung von einem zweiröhrigen Tunnel ausgeht, kann die zur Vorbereitung vom Inntaltunnel gebaute Abzweigung nicht verwendet werden, anstelle der alten Abzweigung gibt es eine aufwendige Abzweigung mit mehrern Ästen. Dank des Tunnels soll sich die Reisezeit von Innsbruck nach Bozen von heute gut zwei Stunden auf weniger als die Hälfte reduzieren. Voraussetzung für diese massive Zeiteinsparung ist aber neben dem Bau des Basistunnels auch die Erstellung der Anschlusstunnels von Franzensfeste nach Waidbruck.
[Bearbeiten] Nördliche Zulaufstrecke
Der BBT weist im Norden zwei Zulaufstrecken auf, die einige Kilometer vor dem Einmünden in den Haupttunnel bereits unterirdisch verlaufen und ebenfalls im Zuge des Brennerbasistunnelbaus errichtet werden müssen. Die eine Strecke führt ab dem Hauptbahnhof Innsbruck am Bergisel unterirdisch zum BBT, und die andere ist eine Umgehungsstrecke von Innsbruck. Diese ist mit acht Tunnelkilometern etwas länger als die Verbindungsstrecke vom Hauptbahnhof. Mit dieser eingerechnet wird der BBT der längste durchgehende Eisenbahntunnel der Welt sein.
Der Nordzulauf von München bis Innsbruck beträgt -über die Route Grafing-Rosenheim-Kufstein- 165 km, von denen im Inntal etwa 37 km unterirdisch verlaufen werden. Planungen, die Bahnstrecke München-Garmisch über Mittenwald und Seefeld bis Innsbruck zu verlängern, wurden zunächst aufgeschoben. Dieses Projekt würde die Strecke München-Innsbruck auf 129 km verkürzen. Auf deutscher Seite ist die Sanierung des Gleissystems weitestgehend abgeschlossen. Die Züge der Münchner S-Bahn sind durch einen Ausbau der Strecke auf vier Gleise zwischen München und Grafing aus dem Fernverkehrsnetz herausgenommen worden und die Kapazität auf 275 Züge am Tag erhöht. Des Weiteren ist seit Frühjahr 2004 in Rosenheim ein elektronisches Stellwerk in Betrieb, das einen Großteil der Zulaufstrecke auf bayerischem Gebiet steuert.
In Österreich ist im Hinblick auf eine Kapazitätssteigerung der Strecke der viergleisige Ausbau des besonders stark belasteten Abschnittes Kundl-Baumkirchen (Unterinntalbahn) in Angriff genommen worden. Zur Errichtung der notwendigen Infrastruktur wurde bereits 1996 die Brenner Eisenbahn GmbH (BEG) gegründet.
[Bearbeiten] Südliche Zulaufstrecke
Der 189 km lange Südzulauf Verona nach Franzensfeste verläuft bis auf den Tunnel bei Domegliara und die beiden Tunnels von Bozen nach Waidbruck noch auf der alten Linie der Brennerbahn. Damit die Kapazitätssteigerung durch den Brennerbasistunnel wirksam wird, ist auch hier ein Ausbau notwendig. Die Kosten hierfür werden von der italienischen Regierung auf ca. 8 Mrd. EURO geschätzt.
[Bearbeiten] Scheitelpunkt
Nach derzeitiger Planung soll sich der Scheitelpunkt des Tunnels bei der Staatsgrenze auf einer Höhe von 840 m ü.M. befinden. Rein zugtechnisch wäre der Scheitelpunkt weiter im Süden sinnvoller gewesen, weil er dann hätte tiefer gelegt werden können und die Züge bei der Durchfahrt weniger Energie verbraucht hätten. Der Staatsvertrag zwischen Österreich und Italien verlangt den Scheitelpunkt aber an der Stelle der Staatsgrenze. Als Begründung für die verkehrswissenschaftlich problematische Wahl des Scheitelpunkts wird angeführt, dass österreichisches Wasser im Tunnel nach Österreich und italienisches Wasser nach Italien laufen müsse. Auf österreichischer Seite hätte der Tunnel damit acht, auf italienischer Seite fünf Promille Steigung. Zum Vergleich: der sich im Bau befindliche Gotthard-Basistunnel hat eine Scheitelhöhe von nur 550 m ü.M.
[Bearbeiten] Schwierigkeiten
[Bearbeiten] Finanzierung/Wirtschaftlichkeit
Die bis 2006 angefallenen Kosten für den Probestollen von rund 90 Millionen Euro werden zur Hälfte von der EU, und zu je einem Viertel von Österreich und Italien getragen. Die Vorbereitungen des unmittelbaren Baus (Herstellung von insgesamt neun Aufschließungsstollen, von denen aus die Hauptröhren des Tunnelbauwerks ausgebrochen werden) erfordern weitere 430 Millionen Euro. Diese Kosten übernimmt ebenfalls zu 50 % die EU. Für den eigentlichen Bau wird insgesamt mit Baukosten von 4,5 - 5 Milliarden Euro gerechnet (plus ca. 3 Milliarden Euro Finanzierungsaufwand), die nach Abzug der EU-Anteile je zur Hälfte von Österreich und Italien getragen werden müssen.
Die Zulaufstrecken sind mit 12 Milliarden Euro veranschlagt worden. Zudem kommen weitere drei Milliarden Euro an Finanzierungsaufwänden hinzu. Trotz langer Diskussion ist bisher noch völlig unklar, wer dieses Geld aufbringen soll. Die deutsche Bundesregierung hat eine Mitfinanzierung eines Projektes im Ausland aufgrund knapper Kassen bereits vor Jahren abgelehnt, und auch die EU will mit 90 Millionen Euro nur einen sehr kleinen Beitrag leisten. Österreich und Italien sehen sich allerdings nicht imstande, den riesigen Betrag von 16 Milliarden Euro ohne Hilfe aufzubringen, und hoffen so auf weitere Unterstützung aus Brüssel. Alternativ wurde eine so genannte Public Private Partnership mit der italienischen Brenner-Autobahngesellschaft Autostrada AG in Trient angedacht. Andere Schätzungen gehen von 50 bis 75 Milliarden Euro Gesamtkosten für das Projekt aus.
Das Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien kommt in einer im Mai 2006 veröffentlichten Studie zum Schluss, dass das Projekt des Brennerbasistunnels auf falschen Verkehrsannahmen und Kostenschätzungen basiere und der Bau keinerlei Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene zur Folge habe. Die zweifelhafte Wirtschaftlichkeit der Projekts schwäche die Position der Bahn gegenüber der Straße und entziehe nur sinnvolleren Infrastrukturprojekten Geld, so die von Prof. Sebastian Kummer, Philipp Nagl und Jan-Philipp Schlaak erstellte Studie. Noch weiter in der Kritik geht Prof. Hermann Knoflacher von der Technischen Universität Wien: er warnt vor einer finanziellen Pleite des Projekts in seiner jetzigen Form. Auch eine im Juni 2006 veröffentlichte Studie der Münchener Verkehrsplaner "Vieregg und Rössler" kommt zu dem Ergebnis, dass der Brennerbasistunnel keine Lösung für den Transitverkehr darstellt. In einer Erklärung zu dieser Studie hat die Deutsche Bahn ebenfalls Bedenken gegen den Brennerbasistunnel geäußert.
[Bearbeiten] Geologie
Der Brenner-Basistunnel wird in einer Zone mit extrem schwierigen geologischen Verhältnissen, der so genannten Brennerfurche, verlaufen. Täler wie auch tiefliegende Pässe – der Brenner ist der niedrigste Pass des Alpenhauptkamms in den Zentralalpen – haben sich immer dort ausgebildet, wo weiches, wasserführendes Gestein vorhanden ist und wo mehrere geologische Schichten aufeinandertreffen. Eine solche Beschaffenheit des Gesteins ist aber für einen Tunnelbau äußerst ungünstig. Tunnel können nämlich dort am besten aufgefahren werden, wo festes, einheitliches und nicht wasserführendes Gestein vorliegt, da die Bauten sonst einer starken Gefährdung wie zum Beispiel durch Wassereinbrüche ausgesetzt sind.
Da das Unterinntal und das Etschtal – ebenso wie das Wipptal oder das Eisacktal – einer geologischen Störzone folgen, ist bei den Tunneln der nördlichen und südlichen Zulaufstrecke ebenfalls mit erheblichen geologischen Schwierigkeiten zu rechnen.
[Bearbeiten] Umweltschutz
Vor allem beim Bau der nördlichen Zulaufstrecke durch das Inntal ist mit einer erheblichen Schädigung der Natur und erheblichen Protesten von Seiten der Naturschutzverbände zu rechnen. Insbesondere Umweltschutzkreise in Nord- und Südtirol sind kritisch gegenüber einem Bau des Brennerbasistunnels eingestellt. Sie argumentieren, dass es keinerlei Garantien gebe, dass der Schwerverkehr auch tatsächlich von der Strasse auf die Schiene verlagert werde und der Tunnel so zur Geld verbrennenden Bauruine werde.
[Bearbeiten] Weitere Probleme
- Vor allem die südliche Zulaufstrecke ist aufgrund kleiner Kurvenradien und großer Steigungen nicht vollständig für den Güterverkehr nutzbar.
- Eine Mischnutzung des Tunnels durch Personen- und Güterverkehr ist am Tage nur eingeschränkt möglich, da die langsamen Güterzüge die schnelleren Personenzüge behindern würden.
- Fragliche Rentabilität
[Bearbeiten] Siehe auch
Neben dem Brennerbasistunnel gibt es auch in der Schweiz, mit der Neuen Eisenbahn-Alpentranversale (NEAT), und zwischen Frankreich und Italien, mit dem Alpetunnel (Mont-Cenis-Basistunnel), weitere Projekte zur Alpenquerung.