Stromdiebstahlsfall
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Der Stromdiebstahlsfall war eine Strafsache, über die das deutsche Reichsgericht am 1. Mai 1899 entschieden hat (Fundstelle: RGSt 32, 165). Es ging dabei um einen Monteur, der des Diebstahls von elektrischer Energie angeklagt war. Er hatte in sein Fensterbrett ein Loch gebohrt und über Drähte die städtische Stromleitung angezapft, um sein Zimmer zu beleuchten.
Die Richter kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich bei elektrischer Energie nicht um eine Sache handelt, da sie nicht körperlich ist. Folglich würde es gegen den Grundsatz nulla poena sine lege verstoßen, wenn man das Entziehen von elektrischer Energie unter den Tatbestand des damaligen § 370 Reichsstrafgesetzbuch (Diebstahl) subsumieren würde. Der Mann wurde also nicht wegen Diebstahls verurteilt.
Um diese Strafbarkeitslücke zu schließen, wurde am 9. April 1900 als Reaktion auf die Gerichtsentscheidung das Gesetz betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit (RGBl. S. 228) erlassen. Der Straftatbestand heißt heute Entziehung elektrischer Energie und ist in § 248c StGB geregelt.
Der Fall ist ein Musterbeispiel für das strafrechtliche Analogieverbot und die dadurch entstehende Möglichkeit von Strafbarkeitslücken.
Anzumerken bleibt aber, dass das Elektron ein Elementarteilchen ist und deshalb eventuell doch als eine körperliche Sache verstanden werden könnte. Dies entsprach aber zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung noch nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand, man hielt elektrische Energie für etwas gänzlich Unkörperliches. Heutzutage bleibt allein § 248c StGB anwendbar, weil diese Vorschrift dem allgemeineren Diebstahlstatbestand als das speziellere Gesetz vorgeht.
Siehe auch: Liste der Fallbeispiele in der Rechtswissenschaft.
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