Wenderoman
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Der Wenderoman ist ein von vorrangig von westdeutscher Seite gefordertes literarisches Konstrukt. Als eine Form des Gesellschafts- oder Zeitromans setzt er sich thematisch mit dem Ereignis der deutschen Wiedervereinigung auseinander. Geschildert werden politische, gesellschaftliche oder persönliche Ereignisse vor, während oder nach der Wende in kritischer Auseinandersetzung mit dem System der DDR.
Autor:
Möglichst gebürtiger Ostautor, der sich mit der eigenen Position im System der DDR kritisch auseinandersetzt und erst nach dem Mauerfall mit dem Schreiben begonnen hat.
Werke, u.a.:
- Katrin Askan : Aus dem Schneider
- Thomas Brussig : Helden wie wir (1995), Am anderen Ende der Sonnenallee (1999), Wie es leuchtet (2004)
- Christoph Hein : Landnahme (2004)
- Jana Hensel : Zonenkinder (2002)
- Yadé Kara : Selam Berlin (2003)
- Erich Loest : Nikolaikirche (2005)
- Sven Regener : Herr Lehmann (2001)
- Ingo Schulze : Simple Stories (1998), Neue Leben (2005)
- Nicholas Shakespeare: In dieser einen Nacht (2006)
Zitate:
Mit dem großen Roman über die deutsche Wende verhält es sich ähnlich wie mit Becketts Godot: Man erwartet ihn flehentlich. Wem das Warten zu lang wird, spekuliert: Der Wenderoman sei jetzt endlich da, behaupten die einen. Es könne ihn gar nicht geben, die anderen. Solche Meinungsverschiedenheit liegt in der Natur der Sache. Man erwartet sicher zu viel. Vielleicht ist das Thema für Romanschriftsteller doch ein paar Nummern zu groß. Es ist so komplex und unüberschaubar, dass es erzählerisch gar nicht umfassend bewältigt werden kann. Epische Weite will sich nicht einstellen. Dafür sind die Ereignisse, ist aber auch der aktuelle Literaturbetrieb, zu kurzlebig und marginal.
Aus: Wiesinger. www.dw-world.de (23. Juni 2006)
Die Forderung nach dem Wenderoman ist eigentlich nicht ganz vernünftig, weil man nicht schreiben kann wie `die Menschen` die Wende erlebt haben. Dafür gibt es eine `Chronik der Wende`. Es lässt sich nur erzählen, was mit einzelnen Leuten zu der Zeit vorging.
Aus: Damals hinterm Mond. In: Die Welt (17. August 2001)
Was wurde nicht schon alles über den großen Roman zur Wende spekuliert. Ein Ossi werde ihn schreiben, es werde eine große Erzählung sein, die Gründerzeit der Nachwende-Ära werde eine Renaissance des Erzählens einleiten. Zwar erschien er nicht, doch man tröstete sich, irgendwann werde er kommen, es müsse nur noch etwas Zeit ins Land gehen, damit die Erfahrungen sich setzen könnten. Nun ist das Buch da, und alles ist anders.
(Rapp, Tobias: Das antilinientreue Deutschlandbuch. In: taz (22. April 2000)
Anmerkung:
Grundlage dieses Artikels bildet eine Korpusanalyse von 195 zumeist überregionalen, im Zeitraum von 1991 bis 2006 publizierten Zeitungsartikeln sowie Interneteintragungen von Radio- und Fernsehsendern.