Vineta
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Vineta, auch Jumme oder Iumme genannt, ist der Name einer sagenhaften Stadt an der südlichen Ostseeküste.
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[Bearbeiten] Lage
Es gibt drei Hypothesen für die geographischen Koordinaten der vor etwa 1000 Jahren versunkenen Stadt:
- Vineta ist vor Koserow (Insel Usedom) versunken, wie es die Sage überliefert hat. Auch der Historiker David Chyträus siedelt in seiner Chronicon Saxiniae im 16. Jahrhundert Vineta „jenseits des Peeneflusses beim Dorfe Damerow“ an. Damerow liegt nahe bei Koserow. Für ihn war das Land der Vineter Usedom, während Julin auf Wollin von den Pomoranen bewohnt war.
- Für Rudolf Virchow (geb. 1821 in Schivelbein, Pommern, Pathologe, Politiker, Begründer der Zellularpathologie und Mitbegründer der modernen Anthropologie und Ethnologie) war Wollin vor tausend Jahren eine reiche und mächtige Stadt mit bis zu zehntausend Einwohnern. Virchow war überzeugt: „Vineta ist Wollin!“. Ausgrabungen deutscher und polnischer Archäologen seit den 1930er Jahren in der Stadt Wollin scheinen diese These zu stützen. Sie erbrachten zumindest den Hinweis, dass sich dort vom 10. bis zum 12. Jahrhundert ein bedeutender Seehandelsplatz mit einer entsprechend großen Siedlung befunden hat.
- Nach einer neueren These lag Vineta bei Barth (Goldmann und Wermusch). Hiernach ist die Peene früher nicht ins Stettiner Haff geflossen. Die Oder soll vielmehr über Anklam und Demmin nach Barth geführt haben und die Peene sei bei Demmin in die Oder gemündet.
[Bearbeiten] Die Sage
Der Sage nach ist Vineta bei einer Sturmflut untergegangen. Grund sei der moralische Verfall der Stadt, der „Hochmut und die Verschwendung der Bewohner“ gewesen. Dabei gab es eine Warnung: Drei Monate, drei Wochen und drei Tage vor dem Untergang der Stadt erschien sie über dem Meer mit allen Häusern, Türmen und Mauern als farbiges Lichtgebilde. Die Ältesten rieten allen Leuten daraufhin, die Stadt zu verlassen, denn sehe man Städte, Schiffe oder Menschen doppelt, so bedeute das immer den Untergang. Doch die Bewohner Vinetas kümmerten sich in ihrem Mangel an Demut nicht darum. Niemand beachtete auch die allerletzte Warnung: Einige Wochen später tauchte eine Wasserfrau dicht vor der Stadt aus dem Meer und rief dreimal mit hoher, schauerlicher Stimme:
- „Vineta, Vineta, du rieke Stadt, Vineta sall untergahn, wieldeß se het väl Böses dahn“
- (Vineta, Vineta, du reiche Stadt, Vineta soll untergehn, weil sie hat viel Böses getan).
Noch heute sollen Glocken aus den Tiefen des Meeres zu hören sein.
[Bearbeiten] Der Hintergrund
Vineta soll eine Handelsstadt der westslawischen Wenden gewesen sein. Sie ist vielleicht mit der Jomsburg in der Zeit von Harald Blauzahn und Sven Gabelbart identisch. Der Ort wurde reich durch den Handel, vor allem mit dem in dieser Gegend vorkommenden Bernstein. Um 970 berichtete der Gesandte des Kalifats Córdoba, Ibrahim ibn Jaqub, dass in Pommern eine große Hafenstadt „mit zwölf Toren“ liege, deren Streitmacht „allen Völkern des Nordens überlegen“ sei. Adam von Bremen schildert sie im 11. Jahrhundert als eine der größten und reichsten Städte Europas, er nannte die Stadt Jumme. Es sei „die größte Stadt, die Europa birgt“, sie biete „für Barbaren und Griechen in weitem Umkreis einen viel besuchten Treffpunkt“.
Früher glaubte man, dass die Stadt durch die Lage an der Dievenow – einem Mündungsarm der Oder – Wollin – verkehrstechnisch zu ungünstig für größere Schiffe lag und daher in der Bedeutungslosigkeit versank. Der große Mediziner und Archäologe Rudolf Virchow hatte durch Grabungen bei Wollin versucht, diese These zu beweisen. Deutsche Grabungen in den 1930er Jahren, und daran anknüpfende polnische Grabungen seit den 1950er Jahren legten einen großen Seehandelsplatz mit einer dazu gehörigen Siedlung auf dem Gelände der Stadt Wollin frei.
Nach neuesten Hypothesen soll Vineta nicht bei Wollin gelegen haben, weil Wollin erst nach der Zerstörung Vinetas aufblühte, was sich aber nicht mit den Ergebnissen der archäologischen Untersuchungen in Wollin in Übereinstimmung bringen lässt. Vineta soll danach möglicherweise 1159 bei der Christianisierung der Wenden von einer dänischen Flotte zerstört worden sein. Die neuen Hypothesen gehen von der Existenz eines westlichen Mündungsarmes der Oder aus, an deren Mündung Vineta gelegen haben soll. Dieser heute nicht mehr existierende Mündungsarm könnte von der unteren Oder über
- das Welsebruch,
- die Niederung der Uecker und der Randow,
- die Große Friedländer Wiese,
- durch das Tal des Großen Landgrabens und der Tollense
- an Friedland und Demmin vorbei (Demmin war Hansestadt, könnte also neben der Peene an einem weiteren schiffbaren Fluss gelegen haben),
- durch die Niederung des Trebelkanals und der Recknitz
geflossen sein. Eine grobe Betrachtung der Höhenverhältnisse und die Annahme, dass der Wasserspiegel der Ostsee nicht konstant gewesen ist, stützen diese Hypothese, nach der sich jetzt Barth als „Vinetastadt“ ansieht. Allerdings konnten noch keine zweifelsfreien archäologischen Nachweise erbracht werden und auch die als Beleg herangeführten chronikalischen Nachrichten des 16. und 17. Jahrhunderts können nicht unbedingt als authentisch angesehen werden.
Somit ist die Frage, obe es Vineta überhaupt gegeben, und wenn ja, wo es gelegen hat, weiter offen und lässt Raum für künftige Untersuchungen und Hypothesen.
[Bearbeiten] Erwähnungen
Zu literarischen Ehren kam Vineta durch das Gedicht „Vineta“ von Wilhelm Müller (1794–1827), das die Legenden um diese Stadt zum Thema hat; es wurde von Johannes Brahms 1860 für sechsstimmigen Chor mit Klavierbegleitung vertont (op. 42 Nr. 2).
Der Salonmusikkomponist John Lindsay-Theimer schrieb in den 20er Jahren einen Valse boston "Vineta-Glocken".
Vineta ist auch der Titel eines Liedes der Puhdys (Puhdys 1, 4. Titel).
Vineta ist weiterhin Titel eines Liedes von Michael Heck.
Eine Nacherzählung der Vineta-Sage findet sich in Selma Lagerlöfs Roman Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen.
Die Vineta-Sage ist auch ein zentrales Thema im Roman Ein Nashorn für den Papst (1996) des englischen Schriftstellers Lawrence Norfolk.
In Kiel liegt im Zentrum des Stadtteils Gaarden der nach der sagenumwobenen Stadt benannte Vinetaplatz. Auch in Berlin gibt es eine Vinetastraße mit gleichnamigem U-Bahnhof.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- http://erwin-rosenthal.de/usedom/vineta.htm Vineta - die Sage und mehr
- Vineta-Museum Barth
- Vineta-Festtage in Barth und Barther Theaterleben
- Vineta ist in Barth
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