Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Verhältnismäßigkeit - Wikipedia

Verhältnismäßigkeit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

[Bearbeiten] Rechtswissenschaft

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein Merkmal des Rechtsstaats. Zweck des Grundsatzes ist es, vor übermäßigen Eingriffen des Staats in Grundrechte, insbesondere auch in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), zu schützen (daher oft auch Übermaßverbot genannt). Als verfassungsrechtliches Gebot ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die gesamte Staatsgewalt unmittelbar verbindlich.

Verhältnismäßigkeit verlangt von jeder staatlichen Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, dass sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Eine Maßnahme, die diesen Anforderungen nicht entspricht, ist rechtswidrig und kann angefochten und beseitigt werden:

  1. Um die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer konkreten staatlichen Maßnahme beantworten zu können, ist die Feststellung und Benennung ihres Zwecks der erste Schritt. Der Zweck der Maßnahme setzt den Maßstab und Bezugspunkt für die Frage, ob die Maßnahme zur Erreichung gerade dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist. So liegt etwa auf der Hand, dass der tödliche Schuss aus der Waffe eines Polizisten, einen um sich schießenden Terroristen auszuschalten, durchaus verhältnismäßig sein kann– der tödliche Schuss mit Ziel, den ertappten 15-jährigen Ladendieb an einer möglichen Flucht zu hindern, dagegen nicht. Ist bereits der Zweck als solcher nicht legitim, ist die Maßnahme bereits deshalb nicht verhältnismäßig. (Beispiel: Heranziehung junger Frauen zur Prostitution zugunsten des Staatshaushalts).
  2. Die Maßnahme ist geeignet, den Zweck zu erreichen, wenn sie seine Erreichung kausal bewirkt oder zumindest fördert. Zur Verminderung des Schadstoffausstoßes eines Industriebetriebes etwa ist die Schließung des Betriebes geeignet, aber auch der Einbau einer Rauchgasreinigungsanlage. Nicht geeignet dagegen wäre die Schließung des Unternehmensparkplatzes.
  3. Die Maßnahme ist erforderlich, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Das ist nur dann der Fall, wenn kein anderes Mittel verfügbar ist, das in gleicher (oder sogar besserer) Weise geeignet ist, den Zweck zu erreichen, gleichzeitig aber den Betroffenen weniger belastet. Die Schließung des o. a. Betriebs ist daher in der Regel nicht erforderlich, weil die Verminderung des Schadstoffausstoßes auch durch eine Rauchgasreinigung erreicht werden kann, ohne dass der Unternehmer seinen Betrieb dauerhaft einstellen müsste.
  4. Angemessen (auch: verhältnismäßig im engeren Sinn) ist eine Maßnahme nur dann, wenn die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt. An dieser Stelle ist eine offene Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile der Maßnahme erforderlich. In dieser Abwägung sind alle Wertentscheidungen der Rechtsordnung und die von der Maßnahme berührt werden. Dabei sind vor allem verfassungsrechtliche Vorgaben, insbesondere Grundrechte zu berücksichtigen. Geht es beispielsweise um die Frage, ob zur Bekämpfung schwerer Bandenkriminalität die Videoüberwachung von Wohnräumen zugelassen werden soll, ist vor allem das Grundrecht des Überwachten auf Unverletzlichkeit seiner Wohnung gegen das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung und Verteidigung der Rechtsordnung – mit offenem Ausgang – abzuwägen.

Siehe auch: Ermessensfehler, Abwägungsfehler

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!


[Bearbeiten] Ethik

Eine Ethik der Verhältnismäßigkeit, wie sie etwa Peter Knauer, Handlungsnetze. Über das Grundprinzip der Ethik, Frankfurt a. M. 2002, vertritt, geht von folgender Annahme aus: Eine Handlung kann nur dadurch moralisch unverantwortlich sein, dass sie ohne „entsprechenden Grund“ einen Schaden zulässt oder verursacht.

Jede Handlung hat mit Notwendigkeit einen „Grund“, also etwas, das mit der Handlung erreicht (Wert) oder vermieden (Unwert/Schaden) werden soll. Der Grund einer Handlung ist aber kein „entsprechender“, wenn der durch die Handlung angestrebte Wert oder Wertverbund in universaler Betrachtung untergraben, anstatt gefördert wird; oder wenn der durch die Handlung bekämpfte Unwert oder Unwertverbund (Schaden) in universaler Betrachtung vergrößert, anstatt vermindert wird. Unverantwortliche Handlungen sind in diesem Sinn unverhältnismäßig, wenn und weil sie die Struktur der Kontraproduktivität, des Raubbaus aufweisen: sie widersprechen sich in universaler Betrachtung selbst. Es geht in der Ethik nicht so sehr darum, welche Werte wir wählen sollen, sondern ob wir den Werten, für die wir uns entscheiden, auch auf die Dauer und im Ganzen, also nachhaltig gerecht werden. Auch ein Gütervergleich bzw. eine Güterabwägung steht nicht im Zentrum der ethischen Beurteilung einer Handlung. Lediglich das Bedingungsverhältnis zwischen Werten muss beachtet werden. Das moralisch Richtige besteht in dieser Sicht im nicht-kontraproduktiven Umgang mit vormoralischen Werten.

Ob eine Handlung kontraproduktiv ist oder nicht, liegt dabei nicht im Belieben des Handelnden, sondern stellt ein objektiv nachprüfbares Faktum dar. Darauf bezieht sich die Rede vom „natürlichen Sittengesetz“. Allerdings kann man nie definitiv wissen, ob eine Handlung tatsächlich nicht kontraproduktiv ist, weil etwa durch Zeitablauf neue Handlungsfolgen bzw. Schäden sichtbar werden können. Auch in der Ethik geht es demnach um Erfahrung und um Lernen aus Erfahrung.

Die so verstandene universale Nicht-Kontraproduktivität könnte helfen, den juristischen Begriff der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn und seine Schwierigkeiten zu klären.

Die Legitimität einer Rechtsordnung bemisst sich z. B. nach diesem Ansatz daran, dass sie Gewalt ausschließlich zur Verhinderung von insgesamt noch größerer Gewalt gebraucht. Dies ist eine komplexe empirische Frage und bedarf der Erörterung in realen rechtsethischen und rechtspolitischen Diskursen. Man kann davon ausgehen, dass der moderne demokratische und soziale Verfassungsstaat die Form von politischer Herrschaft darstellt, in der die so verstandene Legitimität bestmöglich gewährleistet ist. Das Rechtstaatlichkeitsprinzip kann als eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. des Prinzips der universalen Nicht-Kontraproduktivität betrachtet werden. Es ist ein Meta-Prinzip, das die Abwägung aller anderen Rechtsprinzipien koordiniert.


Siehe auch: Doppelwirkung

Dieser Artikel oder Abschnitt weist folgende Lücken auf:

"Verhältnismäßigkeit" als Risiko-Nutzen-Abwägung ist auch in der Medizin sehr wichtig (und in anderen Wissenschaften auch, z.B. als Kosten-Nutzen-Abwägung und Aufwand-Nutzen-Abwägung). --Dingo 23:27, 7. Aug 2005 (CEST)

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