Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Doppelwirkung - Wikipedia

Doppelwirkung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Prinzip der Doppelwirkung ist das Grundprinzip der Ethik: Schlechte Handlungen sind daran zu erkennen, dass man in ihnen einen Schaden ohne „entsprechenden Grund“ zulässt oder verursacht.

Es handelt sich um ein traditionelles Prinzip, das aber ursprünglich nur auf Randfälle der Ethik angewandt worden ist. Es geht von der Tatsache aus, dass Handlungen sowohl erwünschte wie unerwünschte Auswirkungen haben können und hat von daher seinen Namen (vgl. Thomas von Aquin, Summa theologica, II-II q64 a7 ad c über Selbstverteidigung). Es sollte auf die Frage antworten: Wann darf man - in nicht von vornherein „in sich schlechten“ Handlungen - einen Schaden zulassen oder verursachen?

Das Prinzip wurde gewöhnlich wie folgt formuliert:

Die Zulassung oder Verursachung eines Schadens ist dann erlaubt, wenn
a) die Handlung nicht in sich schlecht ist;
b) der Schaden nicht als Zweck direkt beabsichtigt ist;
c) der Schaden auch nicht als Mittel zum Zweck direkt beabsichtigt ist;
d) für die Zulassung oder Verursachung des Schadens ein entsprechender Grund vorliegt.

Unklar bleibt in dieser Formulierung, woran man erkennt, dass eine Handlung nicht „in sich schlecht“ ist und was mit der Forderung nach einem „entsprechenden Grund“ gemeint ist. Diese Forderung wurde oft mit der nach einem „ernsthaften“ oder „wichtigen“ Grund verwechselt, als ginge es um eine rein subjektive Beurteilung. In Folge dieser Unklarheiten wird heute dieses Prinzip in seiner traditionellen Formulierung von vielen als wenig hilfreich angesehen.

Nun gilt jedoch allgemein: Eine Handlung kann nur dann „in sich schlecht“ sein, wenn sie einen Schaden zulässt oder verursacht. Aber nicht jede Handlung, die einen Schaden zulässt oder verursacht, ist tatsächlich „in sich schlecht“. Das Prinzip der Doppelwirkung soll die genaue Grenze zwischen beiden Fällen angeben, also einerseits zwischen den Handlungen, die durch die Zulassung oder Verursachung eines Schadens tatsächlich schlecht sind, und andererseits allen anderen Handlungen. So gesehen ist das Prinzip der Doppelwirkung sogar das Grundprinzip der gesamten Ethik, weil es die Grenze zwischen allen verantwortbaren und allen nicht verantwortbaren Handlungen angibt.

Die Grundaussage des Prinzips ist: Eine Handlung kann nur dann „in sich schlecht“ sein, wenn sie ohne „entsprechenden Grund“ einen Schaden zulässt oder verursacht. Damit bietet es ein Ethikkriterium, das allgemein zugänglich und unabhängig von religiösen Vorgaben ist.

Ob ein Schaden ohne „entsprechenden Grund“ nur untätig zugelassen oder aktiv verursacht wird, macht dabei ethisch keinen Unterschied aus; ohne „entsprechenden Grund“ wird ein Schaden immer „direkt“ zugelassen oder verursacht und ist damit der „Gegenstand“ der Handlung oder pflichtwidrigen Unterlassung (zu den zusammengehörigen ethischen Begriffen „Gegenstand“, „Absicht“, „Umstände“ vgl. Fontes moralitatis).

Dann hängt alles von der Frage ab, was man unter einem „entsprechenden Grund“ zu verstehen hat; denn überhaupt einen Grund hat man bei jeder Handlung. Es geht um die „Entsprechung“ oder „Verhältnismäßigkeit“ zwischen der Handlung und ihrem „Grund“, dem angestrebten Wert oder Werteverbund. Es gibt Handlungen, die gerade den Wert oder Werteverbund, den sie anstreben und vielleicht auch auf kurze Sicht bzw. nur für bestimmte Nutznießer erreichen, auf die Dauer und im Ganzen und damit universal gesehen untergraben. Solche Handlungen haben letztlich die Struktur von Raubbau und sind kontraproduktiv. Sie haben dann keinen „entsprechenden Grund“. Selbst wenn man einen Wert oder Werteverbund für sich selber erreicht, aber dies um den Preis geschieht, im Ganzen der Wirklichkeit diesen Wert oder Werteverbund zu untergraben, dann ist die Gesamtbilanz in Bezug auf diesen Wert negativ. Genau dies ist der Grund, warum solche Handlungen als unverantwortlich zu beurteilen sind. Es kann auch Handlungen geben, die einen Schaden oder Verbund von Schäden vermeiden wollen, aber in Wirklichkeit universal gesehen nur vom Regen in die Traufe führen. In beiden Fällen liegt ein innerer Widerspruch zwischen diesen Handlungen und ihrem Grund vor, d.h. ihr Grund ist kein „entsprechender“. Natürlich gilt: Der Handelnde muss gewusst haben, was von seiner Handlung bewirkt wird, oder zumindest in der Lage (und damit verpflichtet) gewesen sein, dieses Wissen zu erwerben.

Mit der Forderung, dass der angestrebte Wert oder Werteverbund für die ethische Analyse „universal“ betrachtet werden muss, ist gemeint, dass der Wert nicht auf bestimmte Nutznießer (und sei es die gesamte heute lebende Menschheit) eingeschränkt werden darf. Nur so wird auch der Verantwortung für eine künftige Menschheit Rechnung getragen, obwohl sie noch gar nicht in konkreten Personen existiert.

Die erste Bedingung der traditionellen Formulierung des Prinzips der Doppelwirkung findet also ihr Kriterium in der vierten. Ohne „entsprechenden Grund“ ist die Zulassung oder Verursachung eines Schadens (wer auch immer davon getroffen wird) stets „in sich schlecht“.

Ob eine Handlung die Struktur von Raubbau hat oder nicht, ist dabei ein streng objektiver Sachverhalt, der unabhängig davon ist, ob es dem Handelnden selbst passt oder nicht. Das ist traditionell mit der Rede vom „objektiven“ Sittengesetz gemeint.

In der zweiten und dritten Bedingung der traditionellen Formulierung geht es um die Verknüpfung mehrerer Handlungen. Eine Handlung kann auch dadurch „schlecht“ (wenn auch nicht „in sich schlecht“) sein, dass sie als Ziel oder Mittel mit einer „in sich schlechten“ Handlung verknüpft ist.

Um dies alles zu verdeutlichen, sei die folgende hermeneutische Neuformulierung des Prinzips der Doppelwirkung vorgeschlagen:

1) Eine Handlung ist nur dann „in sich schlecht“, wenn man in ihr einen Schaden ohne „entsprechenden Grund“ zulässt oder verursacht.
Der „Grund“ einer Handlung ist kein „entsprechender“,
• wenn der (universal zu formulierende) angestrebte Wert oder Werteverbund auf die Dauer und im Ganzen untergraben wird oder
• wenn man einen (universal zu formulierenden) Schaden oder Verbund von Schäden in einer Weise zu vermeiden sucht, die ihn auf die Dauer und im Ganzen nur vergrößert.
2) Für den Fall der Verknüpfung mehrerer Handlungen gilt, dass eine Handlung auch dann „schlecht“ ist,
a) wenn der Handelnde sie durch eine andere eigene „in sich schlechte“ Handlung ermöglichen will;
b) wenn der Handelnde durch sie eine andere eigene „in sich schlechte“ Handlung ermöglichen will.

Dabei fasst die entscheidende erste Bedingung (1) die erste (a) und vierte (d) Bedingung der traditionellen Formulierung zusammen. Die Bedingung (2a) entspricht der dortigen dritten (c); die Bedingung (2b) der dortigen zweiten (b): Weder kann der gute Zweck das schlechte Mittel rechtfertigen (sondern er wird durch das „in sich schlechte“ Mittel ebenfalls schlecht); noch wird ein „in sich schlechter“ Zweck durch die Anwendung eines guten Mittels besser (vielmehr wird auch das Mittel dadurch schlecht). Voraussetzung ist jeweils, dass das Mittel eine eigene, von der bezweckten Handlung unterschiedene Handlung ist, also dass es um die Verknüpfung mehrerer Handlungen geht.

Dass der gute Zweck das schlechte Mittel nicht heiligt, gilt insbesondere für jede Anwendung von Folter. Man kann mit Folter zwar jede beliebige Aussage erpressen, aber niemals in irgendeiner Weise garantieren, dass die erzwungene Aussage auch wahr ist. Deshalb ist Folter immer „unverhältnismäßig“ und damit „in sich schlecht“.

Es sei noch erwähnt, dass die dem Prinzip der Doppelwirkung zugrunde liegende Forderung nach Verhältnismäßigkeit im gegenwärtigen Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung der Europäischen Union als Kriterium für alle Maßnahmen der Union aufgestellt wird (Art. I-11; Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, Art. 5). Die Forderung nach Verhältnismäßigkeit ist damit identisch, dass Lasten für wen auch immer nur mit einem „entsprechenden Grund“ im oben erläuterten Sinn zulässig sind.


Siehe auch: Verhältnismäßigkeit

[Bearbeiten] Literatur

Literatur: Peter Knauer, Handlungsnetze - Über das Grundprinzip der Ethik, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-8311-0513-8. [1] Download als pdf möglich.

Andere Sprachen
THIS WEB:

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - be - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - closed_zh_tw - co - cr - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - haw - he - hi - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - ms - mt - mus - my - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - ru_sib - rw - sa - sc - scn - sco - sd - se - searchcom - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sq - sr - ss - st - su - sv - sw - ta - te - test - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tokipona - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu

Static Wikipedia 2008 (no images)

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu -

Static Wikipedia 2007:

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - be - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - closed_zh_tw - co - cr - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - haw - he - hi - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - ms - mt - mus - my - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - ru_sib - rw - sa - sc - scn - sco - sd - se - searchcom - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sq - sr - ss - st - su - sv - sw - ta - te - test - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tokipona - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu

Static Wikipedia 2006:

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - be - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - closed_zh_tw - co - cr - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - haw - he - hi - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - ms - mt - mus - my - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - ru_sib - rw - sa - sc - scn - sco - sd - se - searchcom - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sq - sr - ss - st - su - sv - sw - ta - te - test - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tokipona - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu