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Umlageverfahren

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Das Umlageverfahren ist eine Methode zur Finanzierung von Sozialversicherungen, speziell der Altersvorsorge, aber auch von Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung. Die eingezahlten Beiträge werden unmittelbar für die Finanzierung der erbrachten Leistungen herangezogen, wobei vom Versicherungsträger in geringem Umfang Rücklagen gebildet werden können (z. B. Schwankungsreserve der gesetzlichen Rentenversicherung). Für seine Beitragsleistung erwirbt der Beitragszahler einen Anspruch auf Leistung im Fall der Bedürftigkeit (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter). Im Unterschied zum Umlageverfahren werden beim Kapitaldeckungsverfahren die Beiträge angespart und verzinst, um im Leistungsfall (z.B. bei Eintritt in den Ruhestand) ausgezahlt zu werden; oft wird hierbei für jeden Versicherten ein eigenes Konto geöffnet.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Eigenschaften des Umlageverfahrens

Einige grundlegende Eigenschaften des Umlageverfahrens seien kurz am Beispiel der Alterssicherung skizziert. Angenommen, die Beitragszahlungen in einer jeden Periode werden als fixer Prozentsatz vom Lohn der während dieser Periode erwerbstätigen Personen einbehalten. Aus diesen Beitragsleistungen werden die Pensionsleistungen für die während dieser Periode im Ruhestand befindlichen Personen finanziert. In einem reinen Umlagesystem müssen in jeder Periode die gesamten Beitragseinnahmen mit den gesamten Rentenzahlungen übereinstimmen:

Beitragszahlungen in Periode t = Leistungen in Periode t.

Unterstellt man, dass alle Beitragszahler und alle Leistungsempfänger identisch sind, so erhält man formal die folgende Budgetidentität eines Umlageverfahrens:

(1) Ztwtτ = Etbt

wobei die folgende Notation vereinbart ist:

  • Zt = Zahl der Beitragszahler in Periode t
  • Et = Zahl der Beitragsempfänger in Periode t
  • wt = Lohnsatz in Periode t
  • τ = Beitragssatz
  • bt = Einheitsrente in Periode t


In der Realität können etwaige Defizite durch Transfers aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden (Schwankungsreserve in Deutschland, auch durch die Ökosteuer).

[Bearbeiten] Rendite

Die (durchschnittliche) Rendite eines Umlageverfahrens für ein teilnehmendes Individuum errechnet sich aus dem Verhältnis der erhaltenen Leistungen zu den eingezahlten Beiträgen:

Rendite = \frac{Barwert der Leistungen}{Barwert der Beitraege} - 1.

Da über die Budgetidentität des Umlageverfahrens die Leistungen den Beiträgen der Folgeperiode entsprechen, entspricht die Rendite des Umlageverfahrens im Durchschnitt der Wachstumsrate der Beiträge.

Die durchschnittliche Rendite auf die Einzahlungen in ein Umlageverfahren lässt sich exemplarisch auch für Gleichung (1) berechnen. Es sei unterstellt, dass ein Individuum in einer Periode t Beitragszahler ist und in der darauf folgenden Periode t+1 Leistungsempfänger (i.a.W., die Länge des Arbeitslebens stimmt überein mit der Länge der Pensionszeit). Ein Individuum zahlt somit den Betrag wtτ ein und bekommt eine Rente in der Höhe bt + 1. Die resultierende Rendite ist:

(2) \frac{b_{t+1} - w_t \tau}{w_t \tau}=\frac{(Z_{t+1}w_{t+1}\tau)/E_{t+1}}{w_t\tau}-1=(1+n)(1+p)-1\approx n+p

wobei folgende Notation verwendet wird:

  • n = Wachstumsrate der Bevölkerung
  • p = Wachstumsrate des Lohnsatzes

Dabei gilt: Et + 1 = Zt, wt + 1 = wt(1 + p), Et + 1 = Et(1 − n) und b_{t+1}=\frac{Z_{t+1}w_{t+1}\tau}{E_{t+1}}

Da das Produkt np numerisch vernachlässigt werden kann, lässt sich die Rendite approximieren durch n + p. In einem "gereiften" Umlagesystem ist die damit die Beitragsrendite gleich der Summe aus Lohn- und Bevölkerungswachstum. Dieses Ergebnis wurde zuerst von Aaron (1966) gezeigt. Damit sinkt die Rendite umlagefinanzierte Systeme, wenn das Bevölkerungswachstum sinkt oder gar negativ wird bzw. die Lohnsatzsteigerungen gering ausfallen.

[Bearbeiten] Anfangsschuld

In einem Umlageverfahren erhält die erste Generation von Rentnern Leistungen, ohne dafür (in nenneswertem Umfang) Beitragszahlungen gezahlt zu haben ("windfall gains"). Dieses auch als "unfunded liability" (ungedeckte Verbindlichkeit) bezeichnete Geschenk muss von allen nachfolgenden Generationen getragen werden. Erfolgt eine Abzahlung dieser Anfangsschuld nicht, so wächst der Betrag mit einer Wachstumsrate, die der Rendite auf die Beitragszahlungen entspricht. Die sei an einem simplen Beispiel verdeutlicht: Die erste Generation t von Rentnern erhalte Gesamttransfers in Höhe von 100, die von den Beschäftigten derselben Periode finanziert werden. Diese Beitragszahler erwarten in der Folgeperiode einen Transfer in Höhe von 100 * (1 + (n + p)), welcher dann ebenfalls von den Beschäftigten finanziert wird, die daraufhin in Periode 3 einen Transfer in Höhe von 100 * (1 + (n + p))2. Somit wird die Anfangsschuld von 100 nach x Generationen einen Wert von 100 * (1 + (n + p))x − 1 erreicht haben. Dementsprechend wird ein Systemwechsel kostenspieliger, je älter das System wird. Im hypothetischen Falle einer "letzten" Generation, die keine Kinder mehr hat, müsste diese Generation die Kosten ihres eigenen und des Ruhestandes der Vorgängergeneration finanzieren.

[Bearbeiten] Änderung von Systemparametern

Die Auswirkung demographischer Veränderungen auf das Umlageverfahren kann durch eine Umstellung von Gleichung (1) verdeutlicht werden:

\tau=\frac{E_t}{Z_t}\frac{b_t}{w_t}.

Diese Formulierung bestimmt den budgetausgleichenden Beitragssatz, wenn eine gewünschte Rentenhöhe vorgegeben ist. Der Ausdruck

\frac{E_t}{Z_t}

entspricht der Anzahl von Leistungsempfängern je Beitragszahler (auch Altersabhängigkeitsquotient, Alterslastquotient oder old age dependency ratio genannt), der Ausdruck

\frac{b_t}{w_t}

dem Verhältnis von (Durchschnitts-)Rentenbetrag zu (Durchschnitts-)Lohnsatz (die Lohnersatzquote).

Wenn nun das System finanziellen Druck erfährt, bieten sich grundsätzlich die folgenden Optionen an, die Budgetidentität wiederherzustellen:

  • Erhöhung des Beitragssatzes τ
  • Senkung der Lohnersatzquote (im wesentlichen nur durch Senkung der Durchschnittsrente möglich)
  • Senkung des Alterslastquotienten (im wesentlichen nur durch eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit möglich, d.h. späterer Renteneintritt)


[Bearbeiten] Umlageverfahren in der Praxis

[Bearbeiten] Situation in Deutschland

In Deutschland wird das Umlageverfahren bei den Sozialversicherungen (Rente, gesetzlicher Kranken-, Arbeitslosen- und Unfall- sowie der Pflegeversicherung) angewendet. Die Höhe der Beiträge richtet sich global nach den Kosten für die erbrachten Leistungen, wobei jedoch einkommensorientierte Bemessungsrichtlinien sicherstellen sollen, dass die individuelle Beitragsbelastung ein bestimmtes Maß nicht übersteigt. Auf der anderen Seite gibt es auch Beitragsuntergrenzen (im Jahr 2005 z. B. ca. 260 EUR monatlich als Mindestbeitrag für die gesetzliche Krankenversicherung).

Rentenversicherung durch den Generationenvertrag

In Deutschland wurde das Umlageverfahren 1957 von Konrad Adenauer für die Vollrente in Höhe von 70% des letzten Bruttolohns durchgesetzt. Vorher gab es eine kapitalgedeckte Sparrente. Die theoretische Grundlage für die Einführung des Umlageverfahrens (§ 153 SGB VI) lieferte der Nationalökonom und Vertreter der katholischen Soziallehre Wilfrid Schreiber (1904-1975) mit seiner Arbeit "Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft". Er sprach dort von einem "Solidar-vertrag zwischen jeweils zwei Generationen". Allerdings wurde Schreibers Konzept des Generationenvertrags von Adenauer nicht vollständig umgesetzt. Dieses hatte eine breitere finanzielle Basis durch Einbeziehung von Freiberuflern und Selbständigen sowie die Einrichtung einer "Kinder- und Jugendrente" vorgesehen.

[Bearbeiten] Umlageverfahren in anderen Ländern

[Bearbeiten] Probleme in der Finanzierung der Umlageverfahren

Aufgrund steigender Kosten im Gesundheitswesen, zunehmender Lebenserwartung und damit auch wachsender Pflegekosten bei gleichzeitig einbrechenden Einnahmen wegen demographischer Verschiebungen (sinkende Geburtenrate, Überalterung der Gesellschaft), sinkender Lohnquote, Massenarbeitslosigkeit sowie versicherungsfremder Entnahmen und wirtschaftlicher Krisen in vielen Industrienationen wird die Finanzierung der Sozialversicherungen durch Umlageverfahren zunehmend in Frage gestellt. In Deutschland wurde während der ersten Legislaturperiode der Regierung Schröder versucht, eine kapitalgedeckte zweite Säule der Rentenversicherung zu errichten (Riester-Rente). Zur Zeit (2005) erhalten die Rentenversicherungen in Deutschland aufgrund nicht ausreichender Mittel des Umlagesystems einen Zuschuss in Höhe von etwa 80 Milliarden Euro aus Steuermitteln.

[Bearbeiten] Literatur und Links

Siehe auch: Rentenproblematik, Mackenroth-These

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