Tanzverbot
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Das Tanzverbot ist eine aus religiösen oder sittlichen Gründen erlassene Untersagung des Tanzes für bestimmte Zeitabschnitte.
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[Bearbeiten] Religiös motivierte Tanzverbote
[Bearbeiten] Geschichtlicher Hintergrund
Bestimmte Tage oder Zeitabschnitte mit Tanzverboten hat es in allen monotheistischen Kulturen gegeben. Tanzen galt oft als unsittlich, schädlich oder gar als Ausdruck des Teufels. Vereinzelt galten bestimmte Tänze mit engerem Körperkontakt bis ins 19. Jahrhundert als unschicklich und behördlich verboten. Bestimmte Tänze brachen bis in die Neuzeit hinein immer wieder öffentliche Tabus und waren somit Anstoß des gesellschaftlichen Sittlichkeitsempfindens. Wichtige Beispiele sind der Tango oder noch in den 1950er Jahren der Rock'n'Roll.
Im Mittelalter war das Tanzen Christen zeitweise vollständig untersagt. Später bezog sich das religiös bedingte Tanzverbot im christlichen Kulturkreis besonders auf den Freitag und in der Folge des Pietismus auf den Sonntag sowie auf die Karwoche, das auch Gesetzeskraft gewann.
[Bearbeiten] Derzeitige Situation in Deutschland
Heute ist das Tanzverbot in Deutschland ein ländergeregeltes Verbot von Tanzveranstaltungen an bestimmten hohen christlichen Feiertagen. Das Verbot leitet man aus dem Grundgesetz her, das den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ (Art. 140 GG i.V.m. 139 WRV) unter besonderen gesetzlichen Schutz stellt.
Das „Tanzverbot“ an christlichen Feiertagen betrifft entgegen der Bezeichnung in der Regel nicht nur Tanz- sondern auch andere öffentliche Veranstaltungen wie beispielsweise Sportveranstaltungen, da auch diese über den „Schank- und Speisebetrieb hinausgehen“ und damit nach dem Gesetzeswortlaut verboten sind.
[Bearbeiten] Kritik
Die derzeitige Regelung stößt heute vielfach auf Kritik. Atheisten sehen darin eine längst überholte religiöse Regelung und Andersgläubige eine einseitige Bevorzugung des Christentums. Selbst unter Christen - besonders der jüngeren Generation - ist die Ansicht weit verbreitet, dass Tanzveranstaltungen und christliche Feiertage einander nicht widersprächen. Sie sehen das Tanzen an solchen Tagen nicht mehr als pietätlos an.
2004 lehnte der Landtag von Baden-Württemberg eine eingereichte Petition [1] gegen das Tanzverbot (nach § 10 FTG) wegen der „großen Bedeutung, die dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von Sonn- und Feiertagen“ zukomme ab. In Baden-Württemberg gilt ein Tanzverbot an neun Tagen des Jahres.
[Bearbeiten] Derzeitige Situation in Österreich
Der Wiener Kathreintanz bildet vor dem Advent den Abschluss der im Sinne der Volkskultur „traditionellen“ Tanzsaison, in der es auch eine sogenannte „Tanzfreie Zeit“ gibt („Kathrein stellt den Tanz ein“[2].
[Bearbeiten] Tanzverbot im Nationalsozialismus nach Kriegsbeginn
Dem „Ernst der Lage“ entsprechend, wurden in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland bereits kurz nach Beginn der Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs im September 1939 öffentliche Tanzveranstaltungen untersagt. Das allgemeine Verbot musste jedoch gelockert und zeitweise ganz aufgehoben werden, weil die Wehrmachtsführung Tanzunterhaltungen für Soldaten als „kriegswichtig für die Kampfkraft“ einstufte. So wurde auch das per Erlass des Reichsinnenministers und SS-Führers Heinrich Himmler im April 1941 erneuerte allgemeine Tanzverbot nicht einheitlich befolgt. Strikt verboten waren Tanzveranstaltungen erst ab Februar 1943 nach der verlorenen Schlacht von Stalingrad mit dem Untergang der 6. Deutschen Armee. Der NS-Propagandist Walter May verteidigte das Verbot am 11. April 1943 in einem in regionalen Wochenzeitungen veröffentlichten Leitartikel: „Das Tanzverbot ist ein Ausdruck der Solidarität der Jugend mit der kämpfenden Front“