Soziales Dilemma
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Allgemein beschreibt ein soziales Dilemma eine gesellschaftliche Konfliktsituation, bei der zwei unterschiedliche Interessengruppen einander im Wege stehen und zumindest eine Gruppe einer anderen auf Dauer schadet. Zum Beispiel schaden die Gewerkschaften den Arbeitsuchenden, nutzen jedoch den Beschäftigten.
Die ökonomische Beschreibung sozialer Dilemmata besteht darin, dass das interessenbedingte Handeln der Gruppen zu sub-optimalen Zuständen führt. Die Beschreibung des optimalen (erstrebenswerten) Zustandes unterliegt natürlich der Bewertung. Ein Arbeitsuchender bewertet Tariflöhne anders als ein Beschäftigter. In eindeutigen Fällen kann man die Pareto-Effizienz anwenden. Ausgehend von diesem Optimum kann man definieren:
- Jeder Beteiligte erhält durch eine nicht-kooperative Handlung einen höheren Gewinn als durch eine kooperative Handlung, und
- alle Beteiligten sind insgesamt besser gestellt, wenn sie kooperieren, als wenn jeder die egoistische Wahl trifft.
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[Bearbeiten] Nutzungsdilemma und Beitragsdilemma
Als weiterer wichtiger Aspekt lässt sich differenzieren, ob sich das Dilemma auf die Nutzung einer gemeinsamen Ressource bezieht (Nutzungsdilemma) oder auf den Beitrag zur Schaffung oder Erhaltung eines Guts (Beitragsdilemma / Public goods dilemma). Diese unterscheiden sich v.a. in der gegensätzlichen Verteilung der positiven und negativen Konsequenzen aus bestimmten Verhaltensweisen auf den Einzelnen und die Gesellschaft.
[Bearbeiten] Nutzungsdilemma
Nutzungsdilemmata können bei öffentlichen Gütern und Allmendegütern auftreten (siehe auch Tragik der Allmende). Während der Gewinn individualisiert ist, ist ein etwaiger Schaden am Gut sozialisiert. Zum Beispiel kommt die Nutzung einer öffentlichen Straße einem Autofahrer individuell zugute. Fährt aber im Verhältnis zur Kapazität der Straße eine zu große Anzahl Fahrzeuge, so stehen alle im Stau.
Dies lässt sich am Beispiel der Überfischung der Meere veranschaulichen. Erstens wird eine natürliche, sich selbst regenerierende Ressource genutzt (z. B. Fischbestand im Atlantik). Der Ausbeutung dieser Ressource sind durch ihre begrenzte Wachstumsfähigkeit Grenzen gesetzt. Sie kann durch zu hohe Nutzung schwerwiegend geschädigt werden (Überfischung). Zentral ist, dass der Gewinn für den einzelnen Fischer sofort entsteht (viel gefangen), während Verluste durch Schädigung der Ressource
- erst mit erheblicher Zeitverzögerung eintreten (oft Jahre oder Jahrzehnte) (intertemporale Präferenz der Gegenwart) und
- alle Fischer betreffen (Sozialisierung).
Das heißt der Gewinn ist individualisiert und fällt sofort an, während der Schaden später eintritt und alle trifft (somit sozialisiert ist). Leider auch die, die verantwortungsvoll mit der Ressource Fisch umgegangen sind und in der Vergangenheit weniger gefischt haben.
Das Dilemma besteht darin, dass das individuell rationale Verhalten der Gewinnmaximierung (Homo oeconomicus), so viele Fische zu fangen wie möglich, langfristig dazu führt, dass alle immer weniger Fische fangen können. Das gewinnmaximierende Verhalten wird in einer sozialen Dilemmasituation als nicht-kooperativ bezeichnet. Ein kooperatives Verhalten würde bedeuten, dass sich z. B. alle Fischer freiwillig darauf einigten, weniger zu fischen (als sie könnten), um so die Regenerationsfähigkeit der Fische zu erhalten und langfristig mehr Fische zu fangen.
[Bearbeiten] Beitragsdilemma
Im Beitragsdilemma verhält es sich genau anders herum. In dieser Situation muss zu einem Gut beigetragen werden (z. B. etwas leisten, Geld geben), damit es geschaffen oder unterhalten werden kann. Das heißt in diesem Falle führt eine kleine negative individuelle Konsequenz (z. B. Steuerbeitrag) zu einer langfristigen positiven Konsequenz für die Gruppe (Bereitstellung des öffentlichen Gutes z. B. einer Straße). Dadurch werden Trittbrettfahrer, die nichts beitragen aber dennoch in den Genuss des Gutes kommen, begünstigt.
Dies lässt sich am Beispiel eines Feuerwerks veranschaulichen. Ein Feuerwerk ist ein öffentliches Gut und man kann nicht verhindern, dass auch Personen zusehen, die keinen Beitrag zum Feuerwerk geleistet haben. Da die potentiellen Zuschauer das wissen, besteht für sie wenig Anreiz, etwas zum Feuerwerk beizutragen. Auf diese Weise würden aber kaum die Kosten für eine solche Veranstaltung gedeckt werden; Privatpersonen bzw. private Unternehmen hätten keinen Anreiz ein Feuerwerk zu veranstalten. Auf diese Weise würde es wohl keine Feuerwerksveranstaltung geben. Dieses Dilemma gilt vielen als Rechtfertigung für Markteingriffe durch die öffentliche Hand.
Siehe auch: Ökonomisches Gut
[Bearbeiten] Historische Beispiele
Prominente historische Beispiele sind z.B. die komplette Abholzung fast aller Wälder in Griechenland, Irland oder Neuseeland. Ein aktuelles Beispiel ist das Autofahren. Wenn ich ein Auto nutze, komme ich schnell und bequem an meinen Zielort. Der Nutzen fällt mir als Fahrer unmittelbar zu. Allerdings entstehen bei jeder Fahrt Lärm und Abgase. Diese Kosten treffen aber auch Fußgänger und Anwohner, nicht nur mich selbst als Autofahrer. Der Schaden entsteht auch erst dann, wenn viele das Auto nutzen. Daraus folgt, dass der einzelne nur wenig Anreize hat, das schädigende Verhalten zu unterlassen, da es nur sehr gering zum Gesamtschaden beiträgt. Man spricht hier auch von negativen externen Effekten.
[Bearbeiten] Überwindung?
Eine zentrale Frage lautet, wie sich soziale Dilemmasituationen überwinden lassen. Wann sind Menschen z.B. bereit, freiwillig auf Dinge zu verzichten, um so für alle (auch für sich selbst) ein besseres Ergebnis zu ermöglichen? Gibt es weitere externe Möglichkeiten für den Fall, dass Menschen nicht freiwillig bereit sind, die Dilemmasituation zu überwinden. Im Falle der Überfischung z.B. internationale Abkommen, die die Anzahl der gefangenen Fische begrenzen. Bei Nutzungsdilemmata wie der Umweltverschmutzung kann durch Umweltzertifikate eingegriffen werden; bei Beitragsdilemmata kann der Staat die öffentlichen Güter bereitstellen und aus Steuermitteln finanzieren.
[Bearbeiten] spieltheoretische Beispiele
Spieltheoretische Beispiele für soziale Dilemmata sind nachfolgend aufgeführt:
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Klassische Arbeiten
- Hardin, G. (1968). The tragedy of the commons. Science, 162, 1243-1248.
- Platt, J. (1973). Social traps. American Psychologist, 28, 641-651.
- Dawes, R. M. (1980). Social dilemmas. Annual Review of Psychology, 31, 169-193