Sandmännchen
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Das Sandmännchen ist eine Trickfilm-Puppe, die in Fernsehsendungen abends typischerweise vor 19 Uhr mit einem Kurzfilm die Kleinkinder zum Ins-Bett-Gehen motivieren soll.
Es basiert auf der literarischen Figur des Sandmanns, die schon seit Jahrhunderten aus verschiedenen Erzählungen bekannt ist, zum Beispiel von E.T.A. Hoffmann oder Hans Christian Andersen.
Von 1959 bis 1990 gab es zwei verschiedene Sandmännchen in den TV-Sendern des geteilten Deutschlands, die jedoch einiges gemeinsam hatten. Sowohl in Ost als auch West wurde das Sandmännchen jeweils als kleiner Mann mit weißem Bart und Zipfelmütze dargestellt. Es erscheint in einer Rahmenhandlung vor bzw. nach einem Kurzfilm und streut am Ende jeder Sendung seinen Traumsand, um den Kindern angenehme Träume zu schenken.
Ab 1991 wurde nur noch die Ost-Version des Sandmännchens fortgesetzt.
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[Bearbeiten] Gemeinsame Anfänge
Das Vorlesen von Gute-Nacht-Geschichten für Kinder war und ist eine Tradition, lange bevor Radiosender den Eltern diese „Arbeit“ erleichterten. In der Nachkriegszeit wurden in beiden deutschen Staaten solche Sendungen produziert.
Bereits beim Ost-Berliner Rundfunk war von Dr. Ilse Obrig eine Radio-Sendung namens Abendlied entwickelt worden. Daraus wurde 1958 im DFF-Fernsehen der Abendgruß.
Die Idee zu einem Fernseh-Sandmann hatte Frau Obrig Anfang 1959, nun beim westlichen Sender Freies Berlin. Gemeinsam mit der Puppengestalterin und Autorin Johanna Schüppel entwickelte Ilse Obrig eine einfache kleine Handpuppe. Doch noch bevor „Sandmännchens Gruß für Kinder“ am 1. Dezember 1959 auf dem SFB-Bildschirm erschien, sendete der Ost-Berliner DFF am 22. November 1959 „Unser Sandmännchen“ - die dortigen Fernsehmacher hatten von der Entwicklung eines West-Sandmännchens erfahren und produzierten ein Ost-Sandmännchen, das der Konkurrenz zuvorkommen sollte. Am 29. Oktober 1962 erschien das West-Sandmännchen in NDR, SFB und HR. Herbert K. Schulz entwickelte das Sandmännchen und produzierte bis 1985 ca. 80 Sandmännchen-Folgen und ca. 1500 Filme für die Gute-Nacht-Geschichten.
Von nun an gab es zwei Sandmännchen – eines für den Osten und eines für den Westen, und es sollte dreißig Jahre so bleiben. Für viele Geschichten des West-Sandmännchens zeichnet Gina Ruck-Pauquèt verantwortlich.
[Bearbeiten] Sandmännchen Ost
Die Fernsehmacher in Berlin-Adlershof unter dem damaligen Fernsehchef Walter Heynowski hatten von der Entwicklung eines West-Sandmännchens erfahren und produzierten mit aufwendiger Tricktechnik die erste Folge ihres Ost-Sandmännchens. Innerhalb von nur zwei Wochen hatte der Bühnen- und Kostümbildner Gerhard Behrendt, der damals im Trickfilmbereich des DFF arbeitete, die gewünschte Sandmann-Figur zu schaffen. Die Kulissen und die zahlreichen Fahrzeuge baute Harald Serowski. Das Produktionsstudio befand sich bis zur Wende in Berlin-Mahlsdorf.
Die erste Folge des Ost-Sandmännchens endete damit, dass der Sandmann nach getaner Arbeit an einer Straßenecke einschlief. Die Ausstrahlung dieser Szene - es war Ende November - führte zu Protesten von Eltern. Hingegen sollen viele Kinder dem Sandmännchen in Briefen ihre Betten angeboten haben.
Im Sommer 1960 bekam das Ost-Sandmännchen seine endgültige Form mit dem bis heute typischen Bart. In der Folgezeit entstanden Sandmännchen-Folgen mit vielfältigem Inhalt – Alltagsszenen, Reisen des Sandmännchens in ferne (meist sozialistische) Länder und auch ins Weltall (unter anderem reiste der Sandmann mit einer Lunochod-Kapsel auf den Mond), Märchenszenen, aber auch Szenen mit starkem politischen Inhalt, etwa Besuche des Sandmännchens bei der Nationalen Volksarmee, den Grenztruppen an Oder und Neiße oder im Pionierferienlager. Bedeutend war dabei der außerordentlich reichhaltige „Fuhrpark“ des Sandmännchens.
In allen Geschichten des Ost-Sandmännchens kommt ein bildgebendes Gerät oder ähnliches vor, auf das am Ende der Begrüßung des Sandmännchens herangezoomt wird, womit die tägliche Gute-Nacht-Geschichte beginnt. Früher (bis einige Jahre nach der Wiedervereinigung) erschien auf dem Bildschirm zu Beginn der Geschichte in Schulausgangsschrift das Wort Abendgruß.
Am Ende einer jeden Folge streute der Sandmann den Kindern noch eine große Hand voll Schlafsand in die Augen und winkte zum Abschied.
[Bearbeiten] Der eigentliche Abendgruß
In den Filmen (Abendgruß), die von der Rahmenhandlung eingeschlossen waren, erschienen zahlreiche Figuren, die Kultstatus erlangten - zum Beispiel Pittiplatsch und Schnatterinchen (ein Kobold und eine Ente) sowie Moppi (ein Hund), Herr Fuchs und Frau Elster, Borstel (ein Igel), oder später Plumps (ein Wasserkobold) und das Küken. Andere Figuren waren zum Beispiel Meister Briefmarke oder Frau Puppendoktor Pille (die zu Elternbeschwerden wegen des Reimes „Frau Puppendoktor Pille mit der großen klugen Brille“ führte, weshalb dieser zu „mit der großen runden Brille“ abgeändert wurde). Viele dieser Figuren kamen auch in anderen Kindersendungen des DDR-Fernsehens wie Zu Besuch im Märchenland vor.
Die Abendgrußgeschichten folgen dabei einem festen Wochenplan, der bis zur Wende immer nur wenig verändert wurde - heute - je nach Sender - stärker. Manche Abendgrüße blieben über Jahrzehnte immer am gleichen Wochentag (zum Beispiel am Fr, Sa und So). In den 1980er Jahren präsentierte sich der Wochenplan der Geschichten in etwa so:
- Mo: unterschiedlich
- Di: „Geschichten erzählen von Freude und Fleiß“ - Berufe werden kindgerecht „vorgestellt“
- Mi: unterschiedlich
- Do: „Plumps“
- Fr: „Liederspielplatz“ - Kindergartenkinder spielen und singen
- Sa: Pittiplatsch und Schnatterinchen im Märchenland mit Moppi
- So: Herr Fuchs und Frau Elster
[Bearbeiten] Das Sandmann-Lied im Osten
Zu Beginn des „Abendgrußes“ wird folgendes Lied gespielt:
- „Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht so weit, wir sehen erst den Abendgruß, ehe jedes Kind ins Bettchen muss, du hast gewiss noch Zeit.“
Zu DDR-Zeiten gab es eine zweite Strophe:
- „Sandmann, lieber Sandmann, hab nur nicht solche Eil, dem Abendgruß vom Fernsehfunk lauscht jeden Abend Alt und Jung. Sei unser Gast derweil.“
Nach dem „Abendgruß“ geht das Lied wie folgt weiter:
- „Kinder, liebe Kinder, es hat mir Spaß gemacht, nun schnell ins Bett und schlaft recht schön, dann will auch ich zur Ruhe gehn. Ich wünsch euch Gute Nacht.“
In der letzten Strophe hieß es früher: ...dann darf auch ich zur Ruhe gehn
Das Sandmannlied wurde von Wolfgang Richter komponiert. Wegen der großen Eile, in der die Sendung vorbereitet wurde, ließ sich der Komponist den Text angeblich am Telefon diktieren und schuf die Melodie an nur einem einzigen Abend. Von Experten wurde das Lied als zu kompliziert für Kinder angesehen und war daher eigentlich nur als Notlösung gedacht - doch die Melodie blieb bis heute unverändert.
[Bearbeiten] Sandmännchen West
[Bearbeiten] Das Sandmann-Lied im Westen
Im Westen war die Strophe des Sandmännchen-Lieds etwas länger:
- „Kommt ein Wölkchen angeflogen, schwebt herbei ganz sacht, und der Mond am Himmel droben hält derweil schon Wacht. Abend will es wieder werden, alles geht zur Ruh. Und die Kinder auf der Erde machen bald die Äuglein zu. Doch zuvor, von fern und nah ruft's: das Sandmännchen ist da!“
Der klassische Gruß zur Einstimmung auf den Kurzfilm lautete hier:
- „Nun liebe Kinder gebt fein Acht, ich hab euch etwas mitgebracht.“
Der Abschiedsgruß war kurz und knapp:
- „Auf Wiedersehn und schlaft recht schön.“
Das Sandmännchen kam dabei mit einer Wolke eingeschwebt, oder auch mit einem Fluggerät, dessen orangefarbene Karosserie dem Rennwagen Porsche 908/03 nachempfunden war. Anfang der 80er entstand noch ein zweites, instrumentales Sandmännchen-Lied, das bei neuen Sandmännchen-Produktionen zum Einsatz kam, die bis 1989 produziert wurden.
In Österreich gab es zwar die selbe Figur, aber statt eines „Sandmännchen-Lieds“ kam das in der Alpenrepublik „Betthupferl“ genannte Wolkenwagerl-Männchen zu Wolfgang Amadeus Mozarts Klaviersonate in A-Dur, KV 331, 1. Satz, Anfang adante grazioso, vermutlich 1781 komponiert, ins 1960er- und 1970er-Wohnzimmer gereist. Die Kinder sollten auch nicht „fein“ achtgeben, sondern „gut“, und am Schluss hieß es „Auf Wiedersehn und Gute Nacht“.
In den Kurzfilmen des westdeutschen Sandmännchens traten zum Beispiel Figuren auf wie Piggeldy und Frederick, die beiden Schweine. Hierbei wurde eine Frage des neugierigen, jüngeren vom Großen erzählerisch beantwortet, beginnend mit der Standard-Einleitung „Nichts leichter als das!“. Die Geschichte endete jeweils mit dem Schluss „... und Piggeldy ging mit Frederick nach Hause“.
Auch die Augsburger Puppenkiste, Janosch und James Krüss lieferten Beiträge. In den 1970er Jahren gab es zudem im WDR auch eine Sendung mit dem Titel Sandmännchen international, in der die Rahmenhandlungen nicht als Puppentrick, sondern mit realen Darstellern gedreht worden waren.
[Bearbeiten] Nach der Vereinigung
Im Zuge der Wende wurde das DDR-Sandmännchen 1990 eingestellt, doch nach Protesten von Eltern schon nach kurzer Zeit wieder ins Programm genommen. Auch als der DFF 1991 seinen Sendebetrieb einstellte, blieb der Abendgruß den Zuschauern erhalten.
Produziert wurde das Sandmännchen nach der Wende von der neu gegründeten „Sandmann Studio Trickfilm GmbH“, die erst noch in den alten Studios in Mahlsdorf produzierte, dann nach Adlershof und schließlich in den Filmpark Babelsberg in ein gläsernes Studio umzog.
Im Rahmen der Aufgabenteilung innerhalb der ARD wurde der RBB (Familienprogramm Redakteurin: Anne Knabe) mit dem Sandmännchen betraut. Es wurden und werden auch weiterhin noch Folgen produziert, wenn auch mit deutlicher Betonung auf die Ost-Tradition. Das West-Sandmännchen, welches von den verschiedenen regionalen Rundfunkanstalten der ARD produziert wurde, verschwand nicht zuletzt aus Kostengründen. In Auszügen ist das West-Sandmännchen auf VHS und DVD erhältlich.
Heute läuft das Sandmännchen im MDR, RBB und vor allem im Kinderkanal KI.KA. Zu den altbekannten Figuren des Ost-Sandmännchens wie Pittiplatsch und Schnatterinchen oder Herrn Fuchs und Frau Elster, gesellten sich neue Figuren wie Kalli, Die drei kleinen Spürnasen, Die obercoole Südpolgang, Ebb und Flo, Miffy und Der kleine König. Auch Figuren des westdeutschen Sandmännchens wie Piggeldy und Frederick wurden ins Programm des vereinigten Sandmännchens integriert. Die Rahmenhandlungen mit dem Sandmännchen werden zunehmend nicht mehr als reine Puppentrickfilme, sondern mit Hilfe von Computeranimationen produziert, und verlagern sich zunehmend ins Reich der Kinderzimmer-Fantasien.
2006 übernimmt der Kinderkanal des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira 78 Sandmännchen-Folgen vom RBB.[1] Allerdings stoppte Al-Dschasira die Abnahme des Sendematerials im Zusammenhang mit dem Streit um die Islam-Äußerungen von Papst Benedikt XVI. [2]
[Bearbeiten] Bedeutung
Für die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung wird jeweils „ihre“ Variante des Sandmännchens ein liebgewonnener Teil der Kindheit sein. Jedoch den wenigsten werden beide Varianten bekannt sein. Für viele Westdeutsche ist es irritierend, dass die Ost-Version die ihnen vertraute West-Version geradezu aus der Öffentlichkeit verdrängt hat.
Für viele Ostdeutsche scheint „ihr“ Sandmännchen eine noch wichtigere Identitätsfigur gewesen zu sein, denn der Ost-Sandmann entwickelte sich bald zu einem Symbol der DDR schlechthin. Als Sigmund Jähn 1978 als erster Deutscher ins Weltall flog, führte er auch eine Sandmännchen-Puppe mit. Sein sowjetischer Kollege brachte die sowjetische Fernsehpuppe Mascha mit, so dass die beiden Kosmonauten an Bord der Raumstation spontan eine „Puppenhochzeit“ feierten. Die Vertreter des DDR-Fernsehens bemerkten entsetzt, das Sandmännchen dürfe doch keine Frau haben.
Nach der Wende wurde das Ost-Sandmännchen ähnlich wie das Ampelmännchen zu einem wichtigen Werbeträger der Ostalgie-Welle. Es gibt heute zahlreiche Merchandising-Produkte (einige gab es bereits in der DDR), und mehrere ostdeutsche Firmen bewarben und bewerben ihre Produkte mit dem Ost-Sandmann. So produzierte die Thüringer Molkereifirma Osterland in den 1990er Jahren Abendgruß-Kinderjoghurt, auf dessen Deckeln verschiedene Sandmännchen-Motive zu sehen waren. Mitte der neunziger Jahre erschienen unter dem Titel Sandmann's Dummies mehrere CDs, auf denen markante Sprüche von DDR-Figuren mit Techno unterlegt wurden. Darunter waren auch die CDs Ach du meine Nase mit Pittiplatsch und Schnatterinchen sowie Der Fuchs geht durch den Wald mit Herrn Fuchs und Frau Elster. Daneben gibt es auch eine Postkartenserie mit dem Titel Der Sandmann auf Reisen, auf denen eine Sandmannfigur mit so bedeutenden Sehenswürdigkeiten wie dem Grab von Karl Marx zu sehen ist.
Seinem Status als Ost-Symbol verdankt das Ost-Sandmännchen auch einen Auftritt im Film Good bye, Lenin!. Unter anderem sind Originalaufnahmen von der Puppenhochzeit des Sandmännchens im Weltraum zu sehen.