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Rabbinerseminar (Budapest)

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Das Rabbinerseminar heute
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Das Rabbinerseminar heute

Das Rabbinerseminar von Budapest ist das älteste noch existierende Rabbinerseminar der Welt. Es entstand mehrere Jahrzehnte nach der Errichtung der ersten Rabbinerseminare in Padua, Metz, Paris und Breslau, hat jedoch als einziges dieser frühen Seminare bis heute überlebt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Seit der Haskala existierten im aschkenasischen Judentum im Grunde zwei jüdische Kulturen: In Mittel- und Osteuropa lebten die Juden abgekapselt, in ihrer kleinen Welt des Stetl, wo man jiddisch sprach und der Alltag von den Traditionen beherrscht war. In Westeuropa dagegen hatte sich bereits eine geistige Wende vollzogen, die Haskala, die jüdische Form der Aufklärung.

In Ungarn trafen beide Kulturen aufeinander: Denn Anfang des 19. Jahrhunderts waren viele Juden aus Polen nach Ungarn geflohen. Später kamen Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und Mähren hinzu.

Der Judaist und Seminarabsolvent Moshe Carmilly-Weinberger schreibt: "Die Immigranten aus Osteuropa nahmen die jiddische Sprache, die Literatur und ihre Lieder nach Österreich-Ungarn mit, lebten weiter in ihrer Chassidischen Welt und blieben in engen Kontakt mit ihren Zentren im Osten, mit ihren Rebbes als ihren geistige Führern an der Spitze. Die Einwanderer aus Deutschland, Mähren und Österreich waren dagegen Vertreter der Aufklärung, die von jüdischen Intellektuellen in Wien und Prag propagiert wurde. Diese beiden Denkschulen trafen sich in Ungarn – und prallten aufeinander [...] Der Kampf innerhalb der jüdischen Gemeinschaften verdichtete sich in der Frage des Rabbinerseminars."

So dauerte es Jahrzehnte, bis das Rabbinerseminar in Budapest Wirklichkeit wurde. Die orthodoxen Rabbiner versuchten es mit aller Macht zu verhindern und zogen mit einer Delegation bis zu Kaiser Franz Josef nach Wien. Doch der Kaiser ließ sich nicht umstimmen. Franz Josef sprach sich nicht nur für die Rabbinerschule aus, sondern sorgte auch für die Finanzierung: Er gab den ungarischen Juden das Geld zurück, das Österreich ihnen 30 Jahre zuvor als Kriegssteuer auferlegt hatte.

1877 schließlich wurde das Seminar eröffnet.

[Bearbeiten] Anspruch

Die Abgrenzung gegenüber dem orthodoxen Judentum war eines der prägenden Merkmale. Zugleich definierte es sich als eine nationale, d. h. ungarische Einrichtung. Das Seminar verstand es deshalb als seine Aufgabe, die Assimilierung der Juden im Land zu fördern. Seine Absolventen sollten nicht nur Judaistik unterrichten. Sie sollten auch den ungarischen Patriotismus ihrer Glaubensgenossen fördern, indem sie die ungarische Sprache und Kultur unter ihnen verbreiten. Für diese besondere Geisteshaltung wurde der Ausdruck Neologie geschaffen.

Die Grundidee war, die künftigen Rabbiner auch mit weltlichem Wissen vertraut zu machen. Wer am Seminar eine Rabbinerausbildung machte, musste deshalb parallel dazu an der Universität ein wissenschaftliches Studium absolvieren. So öffnete das Rabbinerseminar seinen Horizont immer weiter, und beherbergte Anfang des 20. Jahrhundert mit Ignaz Goldziher sogar einen der bedeutendsten Islamwissenschaftler seiner Zeit, der allerdings nur als Lehrbeauftragter dort mitwirken durfte.

[Bearbeiten] Das Seminar unter der deutschen Besatzung

Am 19. März 1944 marschierten deutsche Truppen in Budapest ein. Einen Tag später wurde das Rabbinerseminar von der SS konfisziert und zum Gefängnis umfunktioniert. Von dort ließ Adolf Eichmann Tausende ungarische Juden sowie etliche politische Häftlinge in die Vernichtungslager, hauptsächlich nach Auschwitz, deportieren.

Die wertvollsten Manuskripte der Bibliothek hatte die Seminarleitung noch rechtzeitig vor dem Einmarsch in einem Kellertresor in Sicherheit gebracht. Ein großer Teil des Bestandes wiederum wurde von den Nazis beschlagnahmt. "Adolf Eichmann stattete dem Seminar einen Besuch ab. Er begab sich direkt in die Bibliothek, verschaffte sich einen Überblick, danach verschloss er die Tür und nahm die Schlüssel mit", schreibt Carmilly-Weinberger.

3000 Bände gelangten nach Prag, wo Eichmann im ehemaligen jüdischen Viertel eine Bibliothek über das europäische Judentum installieren wollte. Erst in den 80er Jahren wurden die Bücher im Keller des Prager Zentralmuseum wieder gefunden und 1989 nach Budapest zurück gebracht. Auf seine Bibliothek ist das Rabbinerseminars noch heute stolz. Sie gilt als bedeutendste jüdisch-theologische Literatursammlung außerhalb Israels.

[Bearbeiten] Nachkriegszeit

Nach der Niederlage der Nazis nahm das Rabbinerseminar den Betrieb wieder auf, und noch zwei Monate vor der deutschen Kapitulation öffnete es erneut seine Pforten. Doch natürlich hatte sich alles geändert. Die Zahl der Schüler reichte nicht mehr, um den Gymnasialzweig aufrecht zu erhalten. Stattdessen wurde ein Pädagogium eingerichtet, um Religions- und Hebräischlehrer auszubilden. Sie sollten sozusagen Wiederaufbauarbeit an der Basis leisten.

In den Folgejahren wurde Ungarn kommunistisch. Und der Staatskommunismus legte auf Religion, geschweige denn jüdische, nicht viel Wert. Dennoch blieb das Rabbinerseminar in Budapest am Leben – als einziges in Osteuropa. Der Preis für dieses Überleben war eine relativ starke Anpassung. Das Religionsleben wurde staatlich gelenkt. Dafür gab es das eigens dafür geschaffene Religionsministerium, das neben anderem für die Besetzung der Rabbinerstellen in Ungarn zuständig war. Auch das Rabbinerseminar war somit vom Wohlwollen des Staats abhängig. Der Unterricht musste konform sein mit der sozialistischen Politik.

Als einzige Ausbildungsstätte für Rabbiner östlich des Eisernen Vorgangs kam Budapest in der kommunistischen Zeit eine besondere Aufgabe zu. Denn aus ganz Osteuropa, sogar aus Israel, kamen nun Studenten hierher, um eine Ausbildung zum Rabbiner oder Kantor zu machen. Sie wohnten, zum Teil mit Familie, in den kleinen spartanisch eingerichteten Internatszimmern.

[Bearbeiten] Nach der Wende

Die Wende 1989 bedeutete für das Rabbinerseminar zum einen, dass die Beschränkungen der kommunistischen Zeit aufgehoben wurden. Außerdem flossen nun Spenden aus dem Ausland, gerade auch von Seiten ungarnstämmiger Juden in den Vereinigten Staaten wie dem Schauspieler Tony Curtis. Mit Hilfe dieser Gelder konnte das Gebäude renoviert, die Bibliothek modernisiert und mit der Restaurierung der alten Bücher begonnen werden. Zugleich verlor das Rabbinerseminar mit der Wende auch an Bedeutung. Es bildet heute nur noch Rabbiner und Kantoren aus Ungarn aus.

[Bearbeiten] Struktur

Ursprünglich bestand das Rabbiner aus einer "Unterstufe", die die oberen Klassen des Gymnasiums umfasste, sowie einer universitäten "Oberstufe", an der die angehenden Rabbiner und Kantoren studierten.

Trotz der modernen Grundausrichtung stand die Gymnasialstufe des Seminars Schülern aus allen jüdischen Schichten offen. Auf diese Weise war es auch ärmeren Juden aus der Provinz – die oft aus orthodoxen Milieus stammten - möglich, aufgenommen zu werden. Die Abiturprüfung fand am Ende der 14. Klasse statt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Gymnasialstufe geschlossen werden. Heute heißt das Seminar offiziell "Universität für Jüdische Studien" und steht auch Studenten der Budapester Universität offen, die Judaistik als Nebenfach belegen möchten.


[Bearbeiten] Literatur

  • Moshe Carmilly-Weinberger (Hrsg.): The Rabbinical Seminary of Budapest, 1877-1977: A centennial volume, New York 1986. ISBN 0872031489.
  • János Paál: Von Kobolden gejagt - 40 ungarische Jahre 1916-1956, Norderstedt 2006. ISBN 3833443413.

[Bearbeiten] Weblinks


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