Protourbane Großsiedlung
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Die Wissenschaft ist sich heute weitgehend darin (sh. Çatal Höyük) einig, dass eine Protourbane Großsiedlung im funktionalen Sinne keine Stadt war. Diese Klassifizierung betrifft alle frühen größeren und kleineren tellartig anwachsenden oder nur kurzzeitig (ein- oder zweiphasig) bewohnten Siedlungen in der Levante, in Anatolien, auf dem südlichen Balkan, im Fruchtbaren Halbmond und auf Zypern.
Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die etwa zwischen 11.000 v. Chr. und 6.000 v. Chr. entstandenen Siedlungen. Ihr Merkmal ist eine ungeklärte Versorgung der Bewohner, die nur an ökonomisch gegenüber dem Umland besonders bevorzugten Stellen wie Jericho, gegebenenfalls eine Ernährung von bis zu 2000 Menschen ermöglichte. Unklar bleibt, ob es sich um permanent besiedelte oder nur sporadisch aufgesuchte Orte handelt, die eine wesentlich kleinere Dauerbevölkerung hatten. Archäologisch kann i. d. R. nicht zwischen Konstanz und zyklischer Anwesenheit unterschieden werden, wenn die Unterbrechungen nur kurz waren.
Der genuinen Stadt geht eine u. U. lange Zeit als Siedlung voraus, weshalb es darauf ankommt zu welchem Zeitpunkt eine Siedlung funktional zur Stadt wurde. Jene Siedlungen, die zu einer dauerhaften Urbanität (bzw. zur „urbanen Revolution“) führten, im wesentlichen sind das Orte in Sumer wie Eridu, Ur etc., sind als früheste, funktional städtische anzusehen und bilden die Grundlage dessen, was mit Zivilisation oder Hochkultur umschrieben wird. Die wesentlichen Funktionen der Stadt als Wirtschafts-, Kultur-, Verkehrs-, und eingeschränkter auch als Bildungszentrum wurden nachweislich erst in ihnen erfüllt. Die Städte Sumers entstanden um ältere religiöse Zentren und eine solche Einwicklungslinie lässt sich auch für die frühmittelalterliche Stadtentwicklung in Europa (über frühe Klöster) nachzeichnen.
Die protourbanen Siedlungen verschwanden fast ausnahmslos. Sie waren vermutlich frühe erste religiöse Zentren deren Verstädterung auch aufgrund fehlender sozialer Voraussetzungen unterblieb. Besonders deutlich wird dies an Siedlungen wie Ba´ja, Basta und Beidha in Jordanien, Pinarbaşi in Anatolien oder Andreas-Kastros und Ais Yiorkis auf Zypern, die in einem unwirtlichen Umfeld bestanden. In Beidha errichteten Jungsteinzeitler ab ca. 7.900 v. Chr. runde, zu Trauben arrangierte Gebäude, wie wir sie aus späterer Zeit aus dem Umfeld sardischer Großnuraghen oder irischer Inselklöster kennen, die ebenfalls keine Städte wurden. Zu ihrer planvollen Anlage gehörte in Beidha eine Semiunterkellerung, die auf Bauweisen in Eynan und Dhra verweist. In Dhra konnte in dieser Bauweise die Funktion einer Darre erkannt werden. Auffällig war auch, wie in Ba´ja, die Entdeckung von Werkstätten, die auf einen monastischen Charakter der Gründung, in jedem Fall jedoch auf eine ansonsten unzeitgemäße, arbeitsteilige Gesellschaft deuten, die ausschließlich Kultgegenstände anfertigte.
[Bearbeiten] Literatur
- J. E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. Band 36 in Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, 2003. ISBN 3-930036-70-3
- F. Schlette & D. Kaufmann (Hrsg.) (1989) Religion und Kult in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, Berlin
