Pierre Mendès-France

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Pierre Mendès-France (* 11. Januar 1907 in Paris; † 18. Oktober 1982 ebd.) war ein französischer Politiker und zeitweiliger Ministerpräsident seines Landes.

[Bearbeiten] Leben

Mendès-France wurde als Sohn einer jüdisch-sephardischen Familie portugiesischer („Mendès da França“) Herkunft in Paris geboren. Er studierte Rechtswissenschaft an der Universität von Paris, setzte ein freies Studium der Politikwissenschaft fort, schloß mit einem Doktortitel ab und wurde 1928 mit 22 Jahren jüngster Anwalt Frankreichs, mit 25 bereits Abgeordneter, mit 27 Bürgermeister, mit 31 Unterstaatssekretär. 1924 trat er den Radikalsozialisten bei, der traditionellen Partei der französischen mitte-links Mittelklasse, nicht zu verwechseln mit der SFIO, der größeren Sozialistischen Partei jener Zeit.

1932 wurde Mendès-France erstmals als Abgeordneter in die Nationalversammlung als jüngster Abgeordneter für den Wahlkreis Eure gewählt. Seine Fähigkeiten wurden schnell anerkannt und ab 1936 gehörte er als Staatssekretär im Finanzministerium der Volksfront-Regierung von Léon Blum an. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs trat er in die französische Armée de l'air ein. Nach dem Waffenstillstand wurde er von den Behörden des Vichy-Regimes nach versuchter Flucht nach Nordafrika festgenommen und eingesperrt, aber 1942 gelang ihm die Flucht über Spanien und Marokko nach Großbritannien, wo er den France libre-Kräften von Charles de Gaulle beitrat.

Nach seinem Dienst als Bomberpilot bei der Luftwaffe des France libre wurde Mendès-France von de Gaulle als sein Gesandter in Finanzfragen in das Algier-Komitee entsandt und nahm an der Konferenz von Bretton Woods 1944 als Chef der französischen Delegation teil. Nach de Gaulles Rückkehr in das befreite Paris im September 1944 berief er Mendès-France als Wirtschaftsminister in der Provisorischen Regierung.

Mendès-France überwarf sich schnell mit dem Finanzminister René Pleven. Während Pleven eine marktwirtschaftliche Politik anstrebte, bevorzugte Mendès-France staatliche Lohn- und Preiskontrollen, um die Inflation einzudämmen. Als de Gaulle für Pleven Partei ergriff, trat Mendès-France zurück. De Gaulle schätzte Mendès-France Fähigkeiten und berief ihn deshalb 1947 zum Direktor der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und als französischen Repräsentanten beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat.

Als 1947 das normale politische Leben in Frankreich unter der Vierten Republik zurückkehrte, wurde Mendès-France in die Nationalversammlung gewählt. Im Juni 1953 bemühte er sich, sein erstes Kabinett zu bilden, aber er erreichte nicht die notwendige Mehrheit in der Nationalversammlung. Seit 1950 war er konsequenter Gegner des französischen Kolonialismus. Ab 1954 war Frankreich hoffnungslos in Kolonialkonflikte in Indochina und Nordafrika verstrickt. Als französische Truppen in Dien Bien Phu im Juni 1954 ihre katastrophale Niederlage gegen die Viet Minh-Truppen des General Vo Nguyen Giap erlitten, trat die Regierung von Joseph Lanier zurück und Mendès-France bildete eine neue Regierung, in der selbst als Außenminister fungierte. Unter seinen Ministern war der junge François Mitterrand.

Mendès-France handelte bei der Genfer Indochina-Konferenz sofort einen Waffenstillstand mit dem kommunistischen vietnamesischen Führer Ho Chi Minh aus. Nach seiner Überzeugung bestand keine andere Wahl als vollständigen Abzug von Indochina und die Nationalversammlung unterstützte seine Politik mit 471 zu 14 Stimmen. Dennoch war die öffentliche Meinung schockiert und speziell die Katholiken sahen ihre vietnamesischen Glaubensbrüder dem Kommunismus ausgeliefert. Eine Welle von Schmähungen - überwiegend antisemitisch - wurde über Mendès-France ausgeschüttet. Jean-Marie Le Pen, damals poujadistisches Mitglied der Nationalversammlung, erklärte seine „patriotische, geradezu physische Abneigung“ gegen Mendès-France.

Unbeirrt kam Mendès-France als nächstes zu einem Abkommen über die vollständige innere Autonomie Tunesiens mit Habib Bourguiba, dem nationalistischen Führer der Unabhängigkeitsbewegung in Tunesien 1956 und nahm Kontakt mit den nationalistischen Führern in Marokko über einen französischen Abzug auf. Er bevorzugte auch Konzessionen an die Nationalisten in Algerien, aber die Tatsache, das dort eine Million französischer Siedler lebten, bedeutete, daß es keinen einfachen Weg aus dieser verfahrenen Situation gab.

Mendès-France hoffte, daß sein Parti Radical Socialiste die Partei der Modernisierung und Erneuerung der französischen Politik würde und die SFIO, die nostalgisch auf die 1930er Jahre schaute, mitreißen könnte. Als Anwalt einer größeren europäischen Integration erreichte er die Gründung der Westeuropäischen Union (WEU) und schlug eine weit reichende wirtschaftliche Reform vor. Er favorisierte die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten, aber die Nationalversammlung lehnte den Vorschlag einer Europäischen Verteidigungs Gemeinschaft ab, hauptsächlich aus Missbehagen über die deutsche Teilnahme. Dennoch erreichte er gegen große Widerstände im Oktober 1954 die Annahme der Pariser Verträge durch die Nationalversammlung, mit denen die Bundesrepublik Deutschland in die NATO und die WEU aufgenommen wurde.

Sein Kabinett stürzte im Februar 1955 durch ein Misstrauensvotum. 1956 gehörte er dem Kabinett des SFIO-Chefs Guy Mollet als Minister ohne Geschäftsbereich bis 1957 an, aber er trat über die Kontroverse zu Algerien zurück, das damals ein kommendes dominierendes politisches Thema in Frankreich war. In seinem Zwist mit Edgar Faure, dem Repräsentanten des konservativen Flügels der Radikalsozialisten über das Algerien-Thema führte 1957 zum Rücktritt von Mendès-France als Parteivorsitzendem.

Wie die Mehrheit der französischen Linken opponierte Mendès-France gegen de Gaulles Rückkehr zur Macht im Mai 1958, als die wachsende Krise in Algerien den Zusammenbruch der Vierten Republik herbeiführte. Er führte nach dem Armeeputsch in Algerien die Union des Forces Démocratique (Union demokratischer Kräfte) u. a. zusammen mit Mitterrand an, ein antigaullistisches Bündnis, stimmte gegen die Verfassung der Fünften Republik, aber bei den Wahlen im November 1958 verlor er sein Mandat in der Nationalversammlung. Wegen seines Widerstands gegen de Gaulle, dem er die Errichtung einer Präsidialdiktatur vorwarf, wurde er 1959 vom Mehrheitsflügel seinem Parti Radical Socialiste ausgeschlossen.

Daraufhin trat Mendès-France dem Parti Socialiste Unifié (PSU) bei, einer kleinen Partei der intellektuellen Linken. 1967 kehrte er in die Nationalversammlung als Abgeordneter des PSU für den Wahlkreis Isère zurück, aber verlor sein Mandat erneut in de Gaulles landesweitem Erdrutschwahlsieg 1968 und verließ daraufhin auch den PSU. Als François Mitterrand 1971 endlich den Parti socialiste français (PS) gründete, unterstützte ihn Mendès-France, bemühte sich aber nicht um ein erneutes politisches Comeback. Auch nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik blieb er die moralische Integrationsfigur aller Parteien in Frankreich.

Personendaten
NAME	Mendès-France, Pierre
KURZBESCHREIBUNG	französischer Politiker, Premierminister
GEBURTSDATUM	10. Januar 1907
GEBURTSORT	Paris, Frankreich
STERBEDATUM	18. Oktober 1982