Modulation (Musik)
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In der Musiktheorie bezeichnet das Wort Modulation das allmähliche Verlassen des tonalen Zentrums einer Tonart und den Übergang zu einem anderen. Die Festigung der Zieltonart kann durch Kadenzierung stattfinden und notationstechnisch von Akzidenzien begleitet sein.
Wird eine Zieltonart erreicht, so spricht man von einer echten Modulation, andernfalls von einer vagierenden. Eine Reihe von unmittelbar hintereinander stattfindenden Modulationen - mit oder ohne Festigung temporärer tonaler Zentren - nennt man eine Modulationskette.
Geschieht der Tonartwechsel nicht allmählich, sondern abrupt, so nennt man dies nicht Modulation, sondern Rückung. Eine Modulation, die ohne abschließende Kadenz auftritt, wird als Ausweichung bezeichnet und führt nicht aus der ursprünglichen Tonart heraus.
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[Bearbeiten] Modulationstechniken
Folgende Modulationstechniken werden unterschieden:
[Bearbeiten] Diatonische Modulation
Eine Funktion der Ausgangstonart wird in eine andere Funktion der Zieltonart umgedeutet. Beide Tonarten haben einen Akkord gemeinsam, der in den Tonarten zwei unterschiedliche Funktionen einnimmt. Dazu werden z. B. Zwischendominanten, gelegentlich auch Gegenklänge und Medianten verwendet.
Bsp.: F-Dur ist Subdominante von C-Dur, gleichzeitig aber auch die Dominante von B-Dur, vgl. auch Stufentheorie.
Mit der diatonischen Modulation kann man zwischen zwei Tonarten bis zu einem Abstand von maximal sechs Quinten modulieren.
Durch eine Kadenz wird die Ausgangstonart dargestellt. Darauf folgt der Umdeutungsakkord, der zur Zielkadenz überleitet und damit die neue Tonart bestätigt. Ausgangs- und Zielkadenz beinhalten den Großteil der Töne einer Tonart. Dadurch ist eine eindeutige Darstellung der Tonarten möglich.
Der erste Akkord der Ausgangskadenz ist die Tonika. Um zum Ziel des Umdeutungsakkordes zu kommen, werden danach die drei Hauptdreiklänge der Ausgangstonart - Tonika, Subdominante, Dominante - oder ihre Vertreter benutzt. Die Reihenfolge der Kadenzklänge richtet sich nach dem gewünschten Umdeutungsakkord.
- Beispiel: Ausgangstonart C-Dur, Zieltonart d-Moll. d-Moll ist die II. Stufe in C-Dur und die I. Stufe in d-Moll. Man moduliert wie folgt:
C:_________d:
I - V - I - II = I - IV - V - I
In der Grafik sind die wichtigsten Stellen der Modulation blau gekennzeichnet: Die Anfangstonika, die Zieltonika und deren Dominante. Von C-Dur aus kann man jegliche Kadenz wählen, die schließlich zur Subdominantparallele führt. Von dieser Subdominantparallele, die gleichzeitig die Zieltonika ist, führt eine Kadenz in diesem einen speziellen Fall zur Zieltonika zurück. Bei anderen Funktionen müsste man die Kadenz zur Zieltonika hinführen. Die Kadenzen können nach Geschmack erweitert werden.
Hier sind Anfangstonika und Zieltonika dieselben, aber der Weg dorthin ist ein anderer: Aus der Subdominate zu C, F-Dur, wird die Tonikaparallele zu d-Moll. Auch hier werden Kadenzen zur Bekräftigung beider Tonarten eingesetzt. Für eine diatonische Modulation ist diese Variante eleganter, da sie die Zieltonika nicht vorwegnimmt.
Festgelegte Ausgangs- und Zielkadenzen von der I. Stufe bis zur VI. Stufe und zurück helfen, systematisch zu modulieren.
[Bearbeiten] Enharmonische Modulation
Dreh- und Angelpunkt der enharmonischen Modulation ist ein verkürzter Dominantseptakkord (verkürzt = ohne Akkordgrundton) mit kleiner None, der D7 9-. Anders als bei der diatonischen Modulation wird dieser Akkord nicht funktional umgedeutet, ganz im Gegenteil: Er bleibt stets Dominante! Jedoch lassen sich seine Töne so umdeuten, dass er zur Dominanten einer anderen Tonart wird. Dabei kommt der Enharmonischen Verwechslung eine Schlüsselrolle zu.
Ausgangspunkt ist eine gewöhnliche T-D7-T-Verbindung (In Stufen: I-V-I). Hier sind es die Akkorde C-G7-C:
Der Dominantseptakkord G7 in der Tonart C-Dur besteht aus:
- g - Akkordgrundton g
- h - Terz
- d - Quinte
- f - Septime
Hier ist der G7 aus Gründen der Stimmführung als Terzquartakkord angeordnet. Eine kleine Veränderung macht aus dem D7 den verkürzten D7 9-, den man auch als Dv bezeichnet (v von "vermindert") : Die kleine None as tritt an die Stelle des Grundtons g. Dies bewirkt eine Verschärfung des Dominantklangs.
- Quinte d
- Septime f
- kleine None as (anstelle des Akkordgrundtons g)
- Terz h
Mit dem verkürzten D7 9-, der auch als ganzverminderter Septakkord bezeichnet wird, ist nun auch der Grundstein für eine enharmonische Modulation gelegt. Denn dieser Akkord zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Der Abstand zwischen einem beliebigen Akkordton und dessen Nachbarn ist immer gleich, eine kleine Terz.
Daher können die Akkordtöne ihre Rollen tauschen, ohne den Akkord seines dominantischen Charakters zu berauben. Jeder Akkordton kann kleine None, Terz, Quinte oder Septime sein. Ein Rollentausch bewirkt dann aber auch eine Veränderung der Zieltonart - also genau das, was eine Modulation leisten soll.
In diesem Beispiel wird die Dominante von C-Dur, repräsentiert vom verkürzten D7 9-, zur Dominante von A-Dur umgedeutet. Zunächst besteht sie aus den Tönen
- Quinte d
- Septime f
- kleine None as (anstelle des Akkordgrundtons g)
- Terz h
die sich auch nicht ändern und auf einer Klaviatur genau so liegenbleiben. Sie spielen nach ihrer Umdeutung jedoch andere Rollen und heißen teilweise auch anders:
- Septime d
- kleine None f (anstelle des Akkordgrundtons e)
- Terz gis
- Quinte h
Besonderes Augenmerk verdient hier der Ton as/gis. Als as, als kleine None über g, zeigte er Auflösungsbestrebungen hinunter zum g hin, zur Quinte der Tonika (C-Dur-Dreiklang). Als gis, als Terz über e, wirkt er hingegen als Leitton, der zum Grundton der Tonika (A-Dur-Dreiklang) geführt werden will!
Die enharmonische Modulation ist eine sehr elegante Methode, die Tonart schnell zu wechseln, auch über mehrere Quintschritte hinaus. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen:
Hier wird der umgedeutete Akkord als Doppeldominante verwendet (also als Dominante der Dominante der eigentlichen Zieltonart D-Dur). Das Lied beginnt in Es-Dur und endet in D-Dur, und so mancher Kirchenbesucher merkt das nicht - wenngleich er sich auch wundern oder gar glauben mag, er hätte falsch gesungen.
[Bearbeiten] Chromatische Modulation
Hier werden Stammtöne zur Veränderung des harmonischen Felds alteriert, die schrittweise Stammtöne der Zieltonart erreichen. Die chromatische Modulation ist eng mit der enharmonischen verwandt. Oft fungieren die alterierten Töne als Leittöne
- Beispiel: Von C-Dur nach a-Moll. C - Caug - a - E - a
[Bearbeiten] Modulation durch Sequenz
Vor allem in barocken Stücken findet man Modulationen, die durch tonale Quintfallsequenzen erreicht werden. Nach der Reihenfolge der Tonarten im Quintenzirkel werden während der Sequenz die charakterisierenden Vorzeichen einer Tonart verändert. Ausgehend von der Tonart C-Dur (ohne Vorzeichen) wird auf dem Weg zu A-Dur (drei Kreuze) zuerst das fis, danach das cis, danach gis hinzugefügt. Ebenso geschieht das mit der Tonart Es-Dur, die drei b als Vorzeichen verwendet: Zuerst wird das b zugefügt, danach das es, danach das as. Will man von einer Kreuztonart in eine b-Tonart modulieren, werden zuerst die Kreuze nach und nach abgebaut, danach in der üblichen Reihenfolge die bs ergänzt. Von G-Dur aus nach Es-Dur wäre also zuerst das fis zum f zu machen, danach das h zum b, danach das e zum es, danach das a zum as.
Bei der Modulation durch Sequenz ist zu beachten, dass vor allem in den Molltonarten eine Kadenz vor und nach dem Modulationsvorgang zur akustischen Verdeutlichung der Ausgangs- und Zieltonart nötig ist. Außerdem kann die Modulation in weiter entferntere Tonarten durchaus mehr Zeit in Anspruch nehmen, als es für die Komposition gut ist. Theoretisch kann man auf diese Weise durch den ganzen Quintenzirkel modulieren, immer eine Tonart nach der anderen, praktisch ist diese Möglichkeit durch Tastatur u.ä. begrenzt.
[Bearbeiten] Tonzentrale Einführung
Als ein weiteres besonders einfaches Mittel vom Wechsel zwischen zwei Tonarten gilt die tonzentrale Einführung einer neuen Tonart. Dabei wird ein Ton aus dem Akkord der Ausgangstonart gehalten oder stetig wiederholt, um danach als Ton innerhalb eines neuen Akkordes zu erscheinen. Dabei kann der neue Akkord auch einen sehr weiten Abstand zum Akkord der Ausgangstonart haben, denn durch das Fehlen jeglicher anderer Bezugstöne ist die vorige Tonart vorübergehend aufgehoben. Musikalisch findet man vor solchen Stellen manchmal ein ritardando, um den Eintritt der neuen Tonart umso deutlicher zu machen.
Die Zieltonart muss nach der Modulation durch eine Kadenz mit charakteristischen Kon- und Dissonanzen gefestigt werden.
[Bearbeiten] Verwendung
Die Modulation gilt als eines der wichtigsten Handwerkszeuge bei der Komposition und der Musikwissenschaft. Sämtliche oben angegebenen Schritte dienen jedoch nur als Material und Mittel für den Kompositionsprozess, der nicht zwangsläufig von diesen Regeln gelenkt werden muss. Die deutlich voneinander abgesetzte Kombination mehrerer Modulationsarten ist ebenso möglich wie ein allmählicher Übergang. Vertiefende Kenntnisse über den Modulationsvorgang vermittelt ein Musikstudium in den Fächern Tonsatz bzw. Harmonielehre.
[Bearbeiten] Literatur
- Doris Geller: Modulationslehre, Breitkopf und Härtel, 2002, ISBN 3-7651-0368-3
- Michael Dachs, Paul Söhner: Harmonielehre Band I. München: Koesel, 2005. ISBN: 3466300134
- Michael Dachs, Paul Söhner: Harmonielehre Band II. München: Koesel, 2005. ISBN: 3466300142