Lesbarkeit
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Die Lesbarkeit ist ein relatives Maß dafür, wie einfach sich ein Text lesen, verstehen und nachvollziehen lässt. Sie hängt ab von Layout und Typografie (Erkennbarkeit), von Satzbau und Rhetorik (Verständlichkeit) und von der inhaltlichen Struktur und Komplexität (Nachvollziehbarkeit). Darüber hinaus wird der Leseprozeß auch von Kriterien beeinflusst, die nicht auf Seiten des Texts selbst liegen, sondern auf Seiten des Lesers, so die Sprachfähigkeiten, die thematischen (Fach-)Kenntnisse und Interessen des Lesers und seine Konzentration. So kann ein und derselbe Text für einen Leser völlig unverständlich und für einen anderen Leser bestens nachvollziehbar sein.
Für Groeben (1982) sind Leserlichkeit und Lesbarkeit Bestandteile der Verständlichkeit.
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[Bearbeiten] Lesbarkeitskriterien
[Bearbeiten] Erkennbarkeit - Typographie
Die Erkennbarkeit eines Textes wird durch sein Medium (Papier oder Bildschirm) und die Darstellung bestimmt. Die Leserlichkeit eines Textes wird z. B. durch die verwendete Schrift, Schriftgröße und -farbe, Buchstaben- und Wortzwischenräume, Zeilenlänge und Zeilenabstand, die Trennungen und vieles mehr beeinflusst. Sie lässt sich unter anderem dadurch messen, in welcher Geschwindigkeit ein Text gelesen werden kann. Dabei spielt die Erkenn- und Unterscheidbarkeit der einzelnen Zeichen eine Rolle.
Es gilt hier besonders die Serifenschriften und serifenlosen Schriften zu unterscheiden. Es hat einen Grund, dass fast alle Zeitungen, Magazine und Bücher (mit Ausnahme von Kinderbüchern) in Serifenschriften gesetzt sind. Diese Schriften werden von den meisten Menschen als angenehmer empfunden und tragen zur schnelleren Erfassung der einzelnen Wörter bei. Kinder der Unterstufe erkennen Wörter noch durch das Zusammensetzen der einzelnen Buchstaben. Es fällt ihnen mit den klaren Lettern der serifenlosen Schriften (z. B. Helvetica, Arial) leichter.
Daneben gibt es einen Zusammenhang zwischen Schriftgröße und Schriftfamilie: Sehr große Typen, wie sie in Überschriften, Reklametafeln usw. verwendet werden, sind üblicherweise serifenlos, bei Fließtext normaler Größe wählt man zumeist Serifenschriften. Sehr kleine Schriften wiederum kann man besser entziffern, wenn die Serifen entfallen.
Sonderfälle sind Schriften für elektronische Displays und Bildschirme mit ihren relativ groben Pixel-Rastern: Hier müssen die Typen zu Gunsten der Lesbarkeit für das vorgesehene Medium optimiert werden, was bei sehr kleinen Serifenschriften kaum möglich ist.
Zur besseren Erkennbarkeit wird die Schönheit einer sehr kleinen Schrift also stets in den Hintergrund treten müssen.
Wenn bei der typografischen Gestaltung von Publikationen der eigentliche Text noch nicht vorliegt, kann die Lesbarkeit des allgemeinen Layouts auch mit Hilfe von Blindtext beurteilt werden.
[Bearbeiten] Verständlichkeit - Satzbau und Sprachstil
Auf die Verständlichkeit haben unter anderem die mittlere Wortlänge (Anzahl der Silben pro Wort), Satzlänge (Anzahl der Worte pro Satz), die Satzteilstellung sowie der Anteil an seltenen Wörtern und Fremdwörtern starken Einfluss.
Für englische Texte, später auch für andere Sprachen, wurden verschiedene Formeln zur Bestimmung der Lesbarkeit vorgeschlagen, bei denen z. B. Silben und Satzlängen gezählt werden. Der errechnete Wert drückt z. B. das Alter oder die Klassenstufe aus, ab der ein Kind den Text verstehen sollte, oder ist einfach nur eine Kennzahl, die verschiedene Texte mehr oder weniger vergleichbar machen soll.
Außerdem spielen Art der Darstellung, logische Gedankenführung, Ausdruck - aber auch die Vorkenntnisse des Lesers - eine Rolle.
[Bearbeiten] Nachvollziehbarkeit - Komplexität
Die Nachvollziehbarkeit eines Textes bezieht sich darauf, wie schnell sich seine Aussage für den Leser in ihrer Bedeutung erschließt.
[Bearbeiten] Lesbarkeit und Fehler
Fehler reduzieren die Lesbarkeit. Dabei treten unterschiedliche Fehlerarten auf, wie Rechtschreib- und Grammatikfehler oder inhaltliche Fehler. Wegen der Redundanz des Textes können sie aber oft beim Lesen kompensiert werden. Das kann soweit gehen, dass ein Text das Gegenteil von dem sagt, was er meint (zum Beispiel durch falsche Anwendung der Negation) - aber trotzdem richtig verstanden wird. Durch häufige Fehler kann neben der Lesegeschwindigkeit auch die Aufnahmebereitschaft für einen Text reduziert werden. Mehrdeutige Texte können leicht zur Fehlinterpretation führen. Mehrdeutigkeit kann zum Beispiel auch durch Fehlen oder falsche Anwendung von Satzzeichen entstehen.
[Bearbeiten] Rechtschreibreform von 1996 und Lesbarkeit
Die Rechtschreibreform von 1996 hat in mehrerlei Hinsicht die Lesbarkeit von deutschen Texten erschwert. Das Ziel der Reformer war, das Schreiben zu erleichtern, nicht etwa das Lesen und das Verständnis von Texten. Die schlechtere Lesbarkeit resultiert insbesondere aus den Änderungen bei der Zeichensetzung, der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung.
Von diesen Teilgebieten wird allgemein das Fehlen wichtiger, d.h. für das Erkennen der Satzstruktur erforderlicher Kommas am stärksten kritisiert, da der Leser häufig zum Backtracking gezwungen wird. Diese Kritik ist nicht nur den Reformern, sondern auch denjenigen deutschen Verlagen anzulasten, welche viele formal nicht notwendige (jedoch für das Textverständnis essentielle) Kommata unnötigerweise gestrichen haben, um ihre Auflagen als „in neuer Rechtschreibung“ vertreiben zu können. Einige Verlage behielten dagegen die „alte“ Kommasetzung bei, denn sie ist mit der „neuen“ kompatibel. Mit den Änderungen vom August 2006 sind wieder mehr Kommata vorgeschrieben, wodurch viele zwischen 1996 und 2006 verlegte Bücher formal falsch werden.
Die geänderte Getrennt- und Zusammenschreibung führte von 1996 an nicht nur zu Differenzierungsverlusten, sondern auch zu einer schlechteren Repräsentation der Sprache durch die Schrift und damit zu einer schlechteren (Vor-)Lesbarkeit; als Beispiele seien hier genannt: „so genannte“ statt „sogenannte“ oder „allein stehend“ statt „alleinstehend“. Diese Änderungen wurden zum Großteil in der Rereform von 2006 wieder korrigiert, d.h. die Schreibung orientiert sich wieder mehr an der Betonung und der Bedeutung der Wörter.
Auch einige geänderte Trennvorschriften reduzieren die Lesbarkeit nach Meinung einiger Autoren (und diverser Leser). Dazu gehört die Regel, dass am Zeilenende auch ein einzelnes Zeichen vor dem Trennstrich stehen bleiben konnte. Eine Reihe dieser die Lesbarkeit erschwerenden Regeln wurde 2006 wesentlich überarbeitet, darunter die erwähnte Trennregel. Ob die betroffenen Schüler nun aber tatsächlich eine dritte Rechtschreibung lernen mussten oder nicht, hing dabei von der „Auslegung“ der Regeln durch die jeweiligen Lehrer ab; denn Trennungen wie „O-berleitung“ oder „Kons-truktion“ waren zwischen 1996 und 2006 zwar formal erlaubt, jedoch stilistisch immer noch schlecht.
[Bearbeiten] Verfahren zur Steigerung der Lesbarkeit
In der Softwaretechnik wird die Lesbarkeit mittels Regeln zur Formulierung und Formatierung von Quelltexten und deren Dokumentation erhöht, um ihre Wartbarkeit zu gewährleisten.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Karl-Heinz Best: Sind Wort- und Satzlänge brauchbare Kriterien der Lesbarkeit von Texten? In: Sigurd Wichter, Albert Busch, (Hrsg.), Wissenstransfer - Erfolgskontrolle und Rückmeldungen aus der Praxis. Lang, Frankfurt/ M. u.a. 2006, S. 21-31. ISBN 3-631-53671-2
- Groeben, Norbert: Leserpsychologie: Textverständnis - Textverständlichkeit. Aschendorff, Münster 1982. ISBN 3-402-04298-3