Labyrinth
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Labyrinth (griech.: labyrinthos), ist ein Lehnwort aus der vorindoeuropäischen Sprache auf Kreta. Die Herkunft des Wortes, das häufig mit Doppelaxt, Haus der Labrys übersetzt wird, muss als ungeklärt gelten. Ein Labyrinth bezeichnet heute jede Art eines verschlungenen Wegesystems, das den Weg hinein, hinaus oder hindurch zu einem Rätsel oder zumindest zu einer besonderen Erfahrung macht.
Labyrinthe gibt es als Gebäude, Fußbodenmuster, Heckengärten, Einschnitte in vollflächig bepflanzten Feldern (Mais, Hanf), oder als Zeichnung und Symbol. Sie sind in weiten Teilen Europas verbreitet und finden sich massenhaft auf den Schären vor Stockholm und selbst in der arktischen Zone von Russland.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Zwei Arten
Die Formen von Labyrinthen sind vielfältig. Trotzdem können und sollten zwei Grundtypen klar auseinander gehalten werden:
- (1) Ein in sich verschlungener oder gefalteter Weg, der sich aber nicht verzweigt, sondern eindeutig zu einem Ziel (meist einer besonders hervorgehobenen Stelle in der Mitte) führt. In einem solchen Labyrinth ist es nicht möglich, sich zu verirren. Bewegt man sich mit konstanter Geschwindigkeit voran, erreicht man nach einer bestimmten Zeit das Ziel, und kehrt man dort um, erreicht man ebenso sicher wieder den Eingang. Das abgebildete Labyrinth an der Kirche in Beyenburg ist, wie alle Labyrinthe an und in Kirchen, von diesem Typ. (Bei Fingerlabyrinthen ist die erhabene, hier im Bild hellere Linie der "Weg".)
- (2) Ein Weg, der sich verzweigt, also eine Baum- oder Netzstruktur von Wegen, von denen viele (typisch: alle bis auf einen) nicht zum Ziel führen, sondern in Sackgassen enden oder als Schleifen in sich zurück kehren. Hier müssen beim Begehen immer wieder Entscheidungen getroffen werden, und ein Verirren ist möglich: man kann sich beliebig lange in dem System umher bewegen, ohne zum Ziel oder zum Ausgang zu kommen. Dieser Typ unterscheidet sich daher auch im übertragenen, symbolischen oder spirituellen Sinn wesentlich vom unverzweigten Typ. Er heißt auch Irrgarten.
Mit dem Labyrinth, das beiden Gattungen den Namen gegeben hat, dem sagenhaften Bauwerk des Daidalos (siehe unten), muss ein verzweigtes gemeint sein, da sonst das Motiv der Orientierung mittels des Ariadnefadens sinnlos ist. Auch der Palast von Knossós - falls dieser das Namen gebende Objekt sein sollte (siehe unten) - ist ein stark verzweigtes Wegesystem. Jedoch werden offensichtlich schon seit der Antike die beiden Arten miteinander verwechselt, denn an einem Haus in der römischen Stadt Pompeji findet sich die Graffito-Darstellung eines unverzweigten Labyrinths mit dem Text LABYRINTHUS HIC HABITAT MINOTAURUS (Labyrinth, hier wohnt der Minotauros). Auch später ist in der Kunst immer wieder das unverzweigte Labyrinth zusammen mit Elementen der Minotaurossage dargestellt worden.
Obwohl das unverzweigte Labyrinth mindestens ebenso alt wie die Minotaurossage ist (siehe unten) und vermutlich einen von ihr unabhängigen Ursprung hat, gibt es anscheinend - abgesehen von der regionalen Bezeichnung Trojaburg in Skandinavien (siehe unten) - keinen eigenen Namen mehr dafür.
[Bearbeiten] Labyrinthe in der Antike
Undatierbar sind die vielleicht ältesten Labyrinthe, die sich als Felsritzungen im Alpenraum und auf Sardinien fanden. Der älteste wissenschaftlich sicher datierbare Fund stammt aus der Zeit um 1220 v. Chr. aus Pylos (Griechenland) bzw. Tell Rifa'at (Syrien). Die Felsritzungen sind immer (zumindest meist) unverzweigte Labyrinthe.
Der Totentempel des Königs Amenemhet III. (1844 - 1797 v. Chr.) mit vermutlich 3000 Räumen legt über die Irrgartenstruktur ein Zeugnis ab, nicht aber über das Urlabyrinth als solches. Herodot und andere antiken Autoren berichten über ein gewaltiges Bauwerk in Ägypten, das er als das Labyrinth bezeichnet (II 148). Es handelt sich dabei um den Totentempel bei der Pyramide von Amenemhet III. in Hawara; er hieß in der hieroglyphischen Schreibweise l-p-r-n-t, was heutzutage als lo-pe-ro-hunt gelesen wird und Palast am See bedeutet. Von den Kretern wurde das Wort als da-pu-ri-to (s. u.) übernommen. (Quelle: Hans H. Hermann, Europa kam aus Afrika, Hamburg 1980, S.197)
In der griechischen Mythologie bezeichnet Labyrinth ein von Daidalos für den kretischen König Minos von Knossós errichtetes Gebäude, aus dessen verschlungenen Gängen niemand herausfand und das als Gefängnis des gefährlichen Minotauros, eines Mischwesens aus Mensch und Stier, diente. Theseus vermochte mit Hilfe des Ariadnefadens den Weg heraus zu finden.
Das Labyrinth von Knossós ist das Labyrinth, auf das die Bezeichnung und der Begriff des Labyrinths in der Kulturgeschichte zurückgeht. Das Wort Labyrinth bezeichnete im mykenischen Griechisch (um 1200 v. Chr.) offenbar nur den Palast in Knossós. Wir finden es dort als "da-pu-ri-to" (gesprochen etwa "laburintos").
Labyrinthe wurden ca. 400 v. Chr. auf kretische Münzen geprägt. Unverzweigte Labyrinthe finden sich später als dekoratives Motiv römischer Fußbodenmosaiken.
Hinweise auf Labyrinthe in Asien und Amerika stammen aus viel späteren Zeiten. In Skandinavien wurden unverzweigte Rasen- und Steinlabyrinthe, oft mit elf Umgängen, gefunden, die ihrem Alter nach sicher nicht der Megalithkultur zuzurechnen sind.
[Bearbeiten] Labyrinthe im Mittelalter
Mittelalterliche unverzweigte Labyrinthe finden sich in vielen Kathedralen, z. B. in Notre-Dame de Chartres, Notre-Dame de Amiens und im Dom von Siena als Fußbodenlabyrinthe. Ein Fingerlabyrinth befindet sich am Eingang des Doms in Lucca, Norditalien. Aber auch als Wandzeichnungen in dänischen Kirchen wie:
- Gevninge bei Roskilde auf Seeland
- Hesslager auf Fünen
- Roerslev auf Fünen
- Skive auf Jütland
- Taaning bei Skanderborg auf Jütland
- Vissenberg auf Fünen
In der Kunstgeschichte bezeichnet Labyrinth eine in Handschriften auftretende oder in den Fußboden von Kirchen eingelegte Figur nach dem Grundriss eines von der Urform abgewandelten unverzweigten Labyrinths, die den Weg der Büßer nach Jerusalem symbolisiert.
In Skandinavien und auf den Britischen Inseln entstanden zu dieser Zeit in der Natur so genannte Trojaburgen bzw. engl. Turf Maze oder Mizmaze. Das sind teilweise noch erhaltene, aus Steinen gelegte oder im Rasen markierte Labyrinthe. Bekannt sind:
- die Trojeborg bei Visby auf Gotland.
- die Trojeborg von Fröjel (Gotland)
- die Trojeborg Borås Schweden
- die Trojeborg Lindbacke (Schweden)
- die Trojeborg Tibble (Schweden)
- die Trojeborg Ulmekärr (Schweden)
- die Trojeborg von Roerslev auf Fünen
- Breamore Miz-Maze in Hampshire
- City of Troy in Yorkshire
- Hilton in Cambridgeshire
- Julian´s Bower in Lincolnshire
- Miz-Maze in Hampshire
- Saffron Walden Essex
[Bearbeiten] Labyrinthe im Barock - Irrgärten
Irrgärten sind kulturhistorisch als eigenständige Entwicklung anzusehen. Die ersten Irrgärten finden sich in Gärten der späten Renaissance. Sie sind meist als Spalierhecken ausgeführt, geschnittene Hecken dürften erst im Barock auftreten. Im Gegensatz zu einem unverzweigten Labyrinth, in dem es nur den Weg vom Eingang bis zur Mitte gibt, zeichnen sich Irrgärten durch ein komplexes Wegenetz mit Abzweigungen aus; auch Kreuzungen, Sackgassen und Wegeschleifen kommen vor, so dass die Mehrzahl der möglichen Wege nicht das Ziel erreicht (siehe oben). Die insbesondere in Großbritannien und Frankreich sehr beliebten Heckenanlagen in Parks mit vielen Abzweigungen sind Irrgärten. Auch das unten erwähnte Gesellschaftspiel hat als Spielplan eigentlich einen Irrgarten. Irrgärten vermitteln als Reize die Gefahr, sich zu verirren, aber auch die Spurensuche. Viele Irrgärten wurden bei Residenzschlössern zur Erholung und zum Zeitvertreib als Lustgärten angelegt.
[Bearbeiten] Labyrinthe in der Gegenwart
Heute werden (i. a. unverzweigte) Labyrinthe sowohl von feministischen (Zeughausplatz Zürich, Frauengedenklabyrinth Frankfurt) als auch katholischen Gruppen für sich entdeckt, angelegt und gepflegt und mit Veranstaltungen lebendig gehalten. Es gibt sowohl in den USA als auch im deutschen Sprachraum eine Labyrinth-Bewegung, deren esoterische Überhöhung des Labyrinthsymbols schwer verständlich ist.
In der Literatur spielt das (verzweigte) Labyrinth in verschiedenen Erzählungen von Jorge Luis Borges und im Roman Der Name der Rose von Umberto Eco eine zentrale Rolle.
[Bearbeiten] Spirituelle Funktion und Deutung
Häufig ist der Eingang bei begehbaren, historischen Labyrinthen im Westen zu finden, der für die Kelten die Richtung des Todes oder den Eingang zur Anderswelt bzw. Unterwelt bedeutete. Diese Ausrichtung kann als Abwehrzauber verstanden werden; der Teufel, die christliche Umdeutung des Minotaurus, soll sich im Labyrinth verlaufen - obwohl das Verlaufen im unverzweigten Labyrinth (wie in Kirchen zu finden) nicht möglich ist.
Der Weg durch ein unverzweigtes Labyrinth kann auch als Meditation und Erneuerung aufgefasst werden. Er stellt das Abbild einer verschlungenen Lebensbahn und zugleich den Weg zum Selbst dar, fordert zur Umkehr und zum Überdenken des eigenen Lebens auf. Erlösung verspricht das Finden der Mitte des Labyrinthes.
Der Pfad eines kirchlichen Fußbodenlabyrinths galt (zeitweise) als heilige oder magische Linie, die mit Bedacht und Konzentration, meist mit einer Kerze in der einen Hand, abgeschritten werden sollte. In Reims ist dieser rituelle Weg mehr als einen Kilometer lang. Die christliche Umdeutung des antiken Labyrinthsymbols mag einen magischen Platz der Ruhe und Besinnung definiert haben, an dem Augenblicke der Erleuchtung und Einkehr gesucht wurden. Auf Knien rutschende, büßende Mönche sind allerdings Zuschreibungen des 18. Jahrhunderts, für die es keine Belege gibt.
[Bearbeiten] Labyrinthe in Deutschland (Auswahl)
- Graitschen a.d. Höhe in Thüringen (Amtssiegel der Gemeinde mit Labyrinth)
- Steigra bei Querfurt in Sachsen-Anhalt
- Rasenlabyrinth das "Rad" im Stadtwald Eilenriede in Hannover
- Herrenhäuser Gärten in Hannover mit Irrgarten aus Hecken von 1674
- Sandstein Labyrinth im Deutsch-Luxemburgischen Nauturpark in der Eifel an der Grenze zu Luxemburg
- Kräuter-und Blumenlabyrinth in Ostfildern Stadtteil Nellingen, Klosterhof
- Steinlabyrinth auf dem Gut Zernikow (bei Großwoltersdorf)
- Labyrinth Euskirchen (NRW); 350 m² groß, 600 Meter Tanz- und Meditationspfad; angelegt als Trockenbiotop
[Bearbeiten] Literatur und Film / Spiel
- Sonja Ulrike Klug: Kathedrale des Kosmos. Die heilige Geometrie von Chartres. Hugendubel, Bad Honnef 2. Aufl. 2005, ISBN 3981024516
- Gernot Candolini: Die Faszination der Labyrinthe. Kösel, München 2004, ISBN 3466306590
- John Kraft: Die Göttin im Labyrinth. edition amalia, Bern 1997, ISBN 3905581000
- Ilse M. Seifried: Die Kunst zu wandeln - das Labyrinth. edition haymon, innsbruck 2002, ISBN 3852184002
- Hermann Kern: Labyrinthe. Prestel, München 1982, ISBN 3791320963
- Jürgen Hohmuth: Labyrinthe & Irrgärten München 2003. ISBN 3-89405-618-5 (Luftbildaufnahmen von Rasen-, Hecken- und Kirchenlabyrinthen aus einem Kleinzeppelin)
- Jeff Saward : Labyrinthe und Irrgärten.AT Verlag Aarau & München 2003, ISBN 3-85502-921-0
- Peter Hofacker/Mathias Wolf: Labyrinthe - Ursymbole des Glaubens. Herder, Freiburg 2002, ISBN 3-451-27410-8 (Werkbuch für Gemeinde, Gottesdienst und Schule) 152 Seiten.
Es gibt eine Anzahl von Filmen aus den Jahren 2003, 2002, 1999, 1997, 1991, 1986, 1985, 1979, 1976 und 1959); der wohl bekannteste daraus ist der Fantasy-Film Die Reise ins Labyrinth von Jim Henson aus dem Jahr 1986 (OT: Labyrinth; mit David Bowie und Jennifer Connelly).
Es gibt auch Gesellschaftsspiele (Das verrückte Labyrinth, Junior Labyrinth, Labyrinth Kartenspiel, Das Labyrinth der Meister).
Zu beachten ist bei fast allen Spielen, Filmen und vielen Büchern, dass sie sich mit verzweigten Labyrinthen, also Irrgärten, beschäftigen.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Labyrinth – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- über die Heilige Geometrie der Kathedrale von Chartres inkl. Labyrinth [1]
- 100-Labyrinthe-Archiv auf Eichfelder.de
- http://www.labyrinth-international.org Internationales Labyrinth-Projekt
- http://www.labyrinthplatz.ch/Labyrinthplatz_Zurich/labyrinthplatz_zurich.html Zürcher Realisierung
- Begehbare Labyrinthe in Deutschland Mehr als 100 Labyrinthe in Wort und Bild dargestellt.
- http://www.hanflabyrinth-bayern.de Hanflabyrinth Bayern
- http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/2wo/wort/aegae/labyrint.htm
- http://www.verlaufen.com
- Philippe Fassier (französisch) Labyrinthzeichner
- http://www.mymaze.de Fotos, Berichte, Animationen von Labyrinthen
- http://www.irrgarten-kleinwelka.de Größtes Heckenlabyrinth in Deutschland