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Kritische Psychologie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Kritische Psychologie im weiteren Sinne bezeichnet oft einfach eine Form der Psychologie, die der etablierten Psychologie kritisch gegenüber eingestellt ist. In diesem Artikel wird die Kritische Psychologie im engeren Sinne behandelt, eine in der Folge der Studentenbewegung vor allem in Berlin entstandene Schule. Im englischen Sprachraum ist daher die Bezeichnung „Berlin school of critical psychology“ verbreitet.

Einer der maßgeblichen Vertreter und Begründer ist Klaus Holzkamp. Ziel der Kritischen Psychologie ist es vor allem, die grundlegenden Kategorien und Begriffe, mit denen die Psychologie arbeitet, zu hinterfragen. Die Kritische Psychologie versteht sich außerdem als Individualwissenschaft des Marxismus und als Subjektwissenschaft. Sie basiert auf der Kulturhistorischen Schule.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Gegenstandsbereich

Die Kritische Psychologie unterscheidet in ihrer Begriffsbildung und –verwendung verschiedene Gegenstandsbereiche:

  1. Psychisches und Momente des Psychischen entstehen bereits in vormenschlichen Organismen.
  2. Psychisches und seine Momente erhalten im Verlauf der Menschwerdung (Tier-Mensch-Übergangsfeld) neue Qualitäten, bzw. neue Momente entstehen.
  3. Die volle Qualität des Menschlichen ist erst ausgebildet, seit keine Vormenschen mehr aus biologischen Gründen (Nichtangepasstheit des Genoms) ausgestorben sind. Seitdem ist die Dominanz der biotischen Evolutionsfaktoren abgelöst worden durch die Dominanz der gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprinzipien. Momente des Psychischen erhalten dadurch eine neue Qualität.
  4. Innerhalb des Menschlichen sind verschiedene Gesellschaftsformen zu unterscheiden. Die Kritische Psychologie macht Aussagen zur kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaftsform.

[Bearbeiten] Zusammenhang zwischen Mensch und Welt in der Kritischen Psychologie

Die Kritische Psychologie betont die gesamtgesellschaftliche Vermittelung individueller Existenz: der einzelne Mensch ist stets eingebunden in einen arbeitsteiligen gesellschaftlichen Versorgungszusammenhang, der die Lebensbedingungen aller sicherstellt. Dieser Zusammenhang ist die Umwelt des Menschen, „Umwelt“ ist also keine außermenschliche „Natur“, sondern immer schon eine gesellschaftlich produzierte Welt.

Alle Gegenstände und Zusammenhänge dieser Welt haben daher eine gesellschaftlich vorstrukturierte, verallgemeinerte Bedeutung. Diese Bedeutungen muss sich das Individuum erst aneignen, um innerhalb des Gesellschaftszusammenhangs handlungsfähig zu werden. Der Erwerb dieses Wissens um gesellschaftliche Bedeutungen und ihre Anwendung ist das Lernen.

Das menschliche Subjekt ist daher in höchstem Maße gesellschaftlich geprägt, da es ohne die Übernahme gesellschaftlicher Bedeutungszusammenhänge (Werkzeuge, Sprache, Normen, Institutionen) nicht lebensfähig ist. Psychologie muss also bei allen Aussagen nicht nur die historisch gewordene Gesellschaft des Subjekts mit berücksichtigen, sondern auch die Position/Situation des einzelnen Subjekts als seine Lebens-Bedingungen innerhalb dieser Gesellschaft. Diese Bedingungen sind für die Subjekte jedoch nur durch ihre gesellschaftlich verallgemeinerten Bedeutungen erkennbar, die im Fall sozialer Phänomene wie z.B. Arbeitslosigkeit durchaus umstritten sein können. Denn als gesellschaftliche Denkformen in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft sind diese Bedeutungen nicht immer der realen Situation des Individuums angemessen, sondern können verkürzt oder mystifiziert sein oder sich zu ideologischen Systemen anordnen, die die Wahrnehmung von realen Herrschaftsbedingungen erschweren. Die realen Lebensbedingungen des Individuums sowie seine subjektiven Wahrnehmungen dieser Bedingungen sind als Prämissen die Grundlage für das begründete Handeln der Subjekte innerhalb ihres Gesellschaftszusammenhangs (der sogenannte "Bedingungs-Bedeutungs-Prämissen-Gründe-Zusammenhang"). Das konkrete Handeln ist dabei offen, die Prämissen sind Handlungsgrundlage, schreiben aber keine bestimmte Handlung oder Begründung vor.

Verallgemeinerte überhistorische Aussagen über die Köpfe der Subjekte hinweg vom "neutralen" Drittstandpunkt der Wissenschaft sind daher nicht möglich, Auch der forschende Psychologe ist Subjekt und muss seine Rolle innerhalb des institutionalisierten Untersuchungs/Forschungszusammenhangs reflektieren, um zu gültigen Ergebnissen zu kommen. Kritische Psychologie als Subjektwissenschaft steht daher in Kontrast zum klassischen psychologischem Experiment, in dem die zu untersuchende Person und auch der Forscher sich bewusst von allen gesellschaftlichen Faktoren isolieren und eine reduzierte und künstliche Experimentalsituation geschaffen wird. Diese Experimentalsituation klammert genau das aus, was das Subjekt ausmacht: die Integration und Interaktion mit seiner gesellschaftlichen Umwelt, die eigentlichen Gründe für sein Handeln und Verhalten.

[Bearbeiten] Handlungsfähigkeit als zentrale Kategorie der Kritischen Psychologie

Alles, was Menschen tun, um ihre individuelle Existenz und Reproduktion zu sichern, muss im gesellschaftlichen Medium erfolgen, diese gesellschaftsbezogenen Tätigkeiten werden Handlungen genannt. Die Möglichkeit des Menschen, seine eigene Existenz über die Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Prozess zu reproduzieren, wird Handlungsfähigkeit genannt. Die Handlungsfähigkeit ist wesentlich, weil ihre Erhaltung und Erweiterung das wichtigste Bedürfnis von Menschen ist.

„Nicht die ‚Arbeit‘ als solche ist erstes Lebensbedürfnis, sondern ‚Arbeit‘ nur soweit, wie sie dem Einzelnen Teilhabe an der Verfügung über den gesellschaftlichen Prozeß erlaubt, ihn also ‚handlungsfähig‘ macht. Mithin ist nicht ‚Arbeit‘, sondern ‚Handlungsfähigkeit‘ das erste menschliche Lebensbedürfnis.“ (Holzkamp)

Die Gesellschaft selbst muss reproduziert werden. Gesamtgesellschaftlich durchschnittlich sind dazu bestimmte Handlungen notwendig. Durch die Unmittelbarkeitsdurchbrechnung leitet sich daraus nicht direkt die Handlungsnotwendigkeit für das einzelne Individuum ab. Für den Einzelnen sind die gesamtgesellschaftlich (notwendigen) Handlungen lediglich Handlungsmöglichkeiten. Ob und wie der Einzelne handelt, wird nicht direkt und unmittelbar vorgegeben, sondern er hat spezifische Möglichkeiten.

Es gibt immer zwei Varianten der Handlungsfähigkeit:

  • restriktive Handlungsfähigkeit: individuell-unmittelbare Bedürfnisbefriedigung; Negierung der Möglichkeit und Notwendigkeit einer Überschreitung der Verhältnisse
  • verallgemeinerte Handlungsfähigkeit: gemeinsame Erweiterung der gesellschaftlichen Lebensmöglichkeiten; Verfügung über die gesellschaftlichen Bedingungen der allgemeinen/individuellen Handlungsmöglichkeiten

Das kritisch-psychologische Apriori besagt, dass kein Subjekt sich bewusst selber schaden kann, also sein Eigeninteresse nach zumindest langfristiger Erhaltung oder Erweiterung seiner Verfügung über gesellschaftlich geschaffene Ressourcen verletzt. Findet es sich dennoch in Situationen wieder, in denen es gezwungen ist, durch Verzicht auf Bedürfnisse, fremdbestimmte Lebensentscheidungen oder andere Faktoren sich selbst zu schaden, dann können diese Schädigungen verdrängt, also ins Unbewusste abgeschoben, oder durch entsprechende Denkformen ideologisch rationalisiert werden. Akzeptiert das Subjekt die Zwänge jedoch nicht in dieser Form, so kann es sich zu diesen Zwängen verhalten und ihre Überwindung anstreben. Dies bedeutet eine Erweiterung der eigenen Handlungsfähigkeit. Die kann teilweise individuell erfolgen, unter anderem durch "expansives Lernen", bei dem das Subjekt durch Erschließung neuer gesellschaftlich geprägter Bedeutungen (Bsp: Lernen einer Sprache) Schranken überwindet und seinen Handlungsspielraum erweitert. Bei gesellschaftlichen Zwängen ist allerdings eine individuelle Bewältigung oft nicht möglich. Die Gewinnung von Handlungsfähigkeit erfordert organisiertes politisches Handeln (Bsp: Streik für Lohnerhöhungen) - was natürlich expansives Lernen nicht ausschließt, sondern bedingt.

[Bearbeiten] Literatur

Kritik an der Kritischen Psychologie

  • Hans Albert & Herbert Keuth (Hrsg.): Kritik der Kritischen Psychologie. Hoffmann und Campe, Hamburg 1973

[Bearbeiten] Weblinks

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