Imanuel Geiss

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Imanuel Geiss (* 9. Februar 1931 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Historiker.

Inhaltsverzeichnis

1 Leben
2 Leistungen
3 Werke
4 Siehe auch
5 Weblinks

[Bearbeiten] Leben

Nach seinem Abitur 1951 am Carl-Schurz Gymnasium in Frankfurt a.M., besuchte er das Auslands- und Dolmetscherinstitut in Germersheim, welches er als geprüfter Übersetzer in den Sprachen Englisch und Französisch und Diplomübersetzer in Englisch abschloss. Geiss studierte Anglistik, Geschichte und Politik in München und Hamburg. Er promovierte 1959 bei Fritz Fischer über das Thema „Der polnische Grenzstreifen 1914-1918“. Während dieser Zeit arbeitete er in Form von Archivrecherchen an Fischers Buch Griff nach der Weltmacht mit, das der Hauptauslöser zur Fischer-Kontroverse wurde.

Mittels eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft habilitierte er im Jahr 1968. Bis 1973 Nach der Promotion lehrte er in Hamburg zuerst als Universitätsdozent, seit 1971 als Wissenschaftlicher Rat.

1973 wurde er an den Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Universität Bremen berufen. Er wurde 1996 emeritiert. Er veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur deutschen, europäischen und Weltgeschichte. Außerdem war er Mitherausgeber eines Schulbuches für die Sekundarstufe II.

[Bearbeiten] Leistungen

Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind unter anderem Erster Weltkrieg, Afrika (Panafrikanismus), Rassismus, Revolutionen, der Krieg in Jugoslawien in den 1990er Jahren, Historiografie sowie Weltgeschichte; in letzter Zeit auch Musikgeschichte. Methodisch könnte man seine Arbeit unter anderem so skizzieren, dass er die einseitige Ausrichtung an Ereignis- oder Strukturgeschichte meidet und eine Synthese beider versucht. "Ohne Kenntnis der Daten bleibt Geschichte Spekulation. Ohne Einordnung der Daten in Zusammenhänge bleibt Geschichte abstrakt."

Seinen Forschungen zum Ersten Weltkrieg nahm er besonders den Kriegsausbruch 1914 ins Blickfeld. Wie auch Fritz Fischer sah auch Geiss das Deutsche Reich in der Hauptverantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. In dieser Frage vertrat er eine differenzierte Sichtweise, die er auch in den 1963/64 erschienene zweibändige Quellenedition Julikrise und Kriegsausbruch 1914 einfließen ließ. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Thematik folgten.

Bei der Weltgeschichtsschreibung knüpft er an die US-amerikanische Strömung der "World history" an, die seit den 1960er Jahren von Autoren wie etwa William H. McNeill angestoßen wurde. Wesentliche Merkmale sind die Abkehr von eurozentrischen bzw. westlich orientierten Sichtweisen auf die Geschichte sowie die Abkehr von der Konzentration auf die Geschichte der letzten 500 Jahre. Es geht also um die Überschreitung von räumlichen und zeitlichen Grenzen der Geschichtsschreibung, denn reale Kausalketten halten sich nicht an ethnozentrische Weltbilder. Hieraus resultieren Aussagen wie z.B. "Ohne Kenntnis des Alten Orients kann man die Geschichte nicht verstehen" oder etwa die Betrachtung Eurasiens als einen Raum mit vielfältigen Verflechtungen, die seit tausenden von Jahren die Geschichte aller eurasischen Gesellschaften beeinflussen, seit 1500 die der ganzen Welt. Konsequenterweise sind Geiss' Veröffentlichungen zur Globalgeschichte einerseits Nachschlagewerke, andererseits schlägt er darin eine moderne Periodisierung der Geschichte vor (vgl. v.a. "Geschichte im Überblick").

Als Massaker-Experte vertritt Imanuel Geiss mit Uwe Backes, Eckhard Jesse und Rainer Zitelmann eine "Historisierung des Nationalsozialismus", die den Holocaust mit anderen "Massakern in der Weltgeschichte“, wie den "Stalinistischen Massakern", "Post-koloniale Massaker in der Dritten Welt", "Terrorismus" von RAF, IRA und "jüdischen Terrorgruppen" (Stern, Irgun) unter den Aspekten ihrer Totalitarismustheorie für vergleichbar hält: „Im Vergleich zu den totalitären Massenverbrechen der extremen Rechten (Nationalsozialismus) und der extremen Linken sowie in der Dritten Welt seit den indischen Massakern von 1947 verschwinden geradezu Untaten in der westlichen Welt.“ Im Historikerstreit intervenierte er gegen Habermas und verteidigte Ernst Nolte insbesondere in seiner Vergleichbarkeitsthese. Dabei beklagte er, dass Historiker wie Wolfgang J. Mommsen nicht bereit seien, diesen Streit weiterzuführen und wirft ihnen „totalitäres“ Verhalten vor. Von seinen Kritikern sieht er sich als "Renegat" beschimpft, der das politische Lager gewechselt habe.

[Bearbeiten] Werke

Der polnische Grenzstreifen 1914-1918. Ein Beitrag zur deutschen Kriegszielpolitik im Ersten Weltkrieg, Hamburg/Lübeck 1960
Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München/Wien 1978
Das Deutsche Reich und die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs, München/Wien 1978
Die Habermas-Kontroverse. Ein deutscher Streit. 1988. ISBN 3-88680-328-7
Der Hysterikerstreit. Ein unpolemischer Essay. 1992. ISBN 3-416-02370-6
Massaker in der Weltgeschichte. In: Eckhard Jesse, Uwe Backes und Rainer Zitelmann: Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus. Berlin: Ullstein, 1990.
Wolfgang Weirauch, Arfst Wagner, Ralph Giordano, Imanuel Geiss, Thomas Höfer, Christoph Lindenberg: Anthroposophen und Nationalsozialismus. (1991) ISBN 392684132X
Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart, 3. Auflage, Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1997
Geschichte im Überblick. Daten und Zusammenhänge der Weltgeschichte. 3. überarbeitete und erweiterte Neuauflage. Reinbek: Rowohlt. 2006.
Geschichte griffbereit. 6 Bände: Epochen, Daten, Personen,Schauplätze, Begriffe, Staaten. 3. überarbeitete Auflage. 2002 ISBN 3-577-14610-9
Deutschland vor 1914. 2003 (pdf-Datei)