Gehirnwäsche
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Gehirnwäsche ist ein veraltetes Konzept zu so genannter psychologischer Manipulation. Ältere psychologische Theorien vermuteten, dass „Gehirnwäschen“ Wertevorstellungen und Selbstauffassung einer Person nach bestimmten Zielsetzungen ändern könnten. Dabei wurde vermutet, dass in seltenen Fällen eine Vertrauensbasis zwischen dem Manipulator und der zu manipulierenden Person entstünde, während der weit überwiegende Teil der „Gehirnwäsche-Methoden“ darauf beruhe, den psychischen Widerstand mit gewaltsamer Einwirkung zu brechen. Theorien der Gehirnwäsche entstanden zunächst im Kontext totalitärer Staaten, später wurden sie auch auf Religionen, insbesondere so genannte Sekten angewandt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Wortentstehung und -verwendung
Das Wort Gehirnwäsche wird auf den englischen Begriff 'brainwashing' zurückgeführt. Dieser wiederum entstand während des Korea-Kriegs im Jahre 1950 und ist selbst eine Übersetzung aus dem chinesischen: 洗脑/洗腦 (xǐ năo); 洗 xǐ wird mit „waschen“ übersetzt und das Wort 脑/腦 năo bedeutet „Gehirn“, also ein „Waschen des Gehirns“.
[Bearbeiten] Historische Versuche von Gehirnwäsche
Eine der ersten modernen Versuche, Gehirnwäsche-Methoden zu entwickeln, gab es für die Schauprozesse in den Jahren 1936 bis 1938 während der Säuberungen unter Stalin. Dazu wurden Methoden der mittelalterlichen Inquisition studiert. Während der ersten Jahre des Aufbaus des Machtbereiches wurden unter Mao Zedong mit ähnlichen Methoden "Umerziehungsprogramme" durchgeführt, die vom chinesischen Volk als Gehirnwäsche bezeichnet wurden. Während der chinesischen Kulturrevolution von 1966 bis 1976 wurden Zehntausende von Professoren und Studenten zur Umerziehung aufs Land geschickt.
Der emigrierte deutsche Psychologe Kurt Lewin untersuchte während des Zweiten Weltkrieges in den USA die Frage, wie sich der Nationalsozialismus in Deutschland entwickeln konnte. Er kam zum Schluss, dass es nicht genügte, diese Entwicklung zu erklären, sondern dass die „menschlichen Systeme“ verändert werden müssten, um solche Entwicklungen zu verhindern. Er entwickelte das 3-Phasenmodell von Lewin, um die nach seiner Ansicht notwendige Umerziehung (Reeducation) der Bevölkerung im Nachkriegs-Deutschland durchführen zu können.
Edgar H. Schein und Robert J. Lifton untersuchten Mitte der 1950er Jahre im Auftrag der US-Regierung amerikanische Soldaten, die während des Koreakrieges in Gefangenschaft geraten waren. Man wollte herausfinden, was die Chinesen neuartiges mit den Kriegsgefangenen gemacht hatten, dass diese in unerwartetem Maße mit den Chinesen zusammenarbeiteten, das Vertrauen unter den Gefangenen völlig zusammenbrach und weitere unerklärliche Verhaltensänderungen zeigten. Das Ergebnis ihrer Studien wurden in den Büchern Coercive Persuasion (Schein) und Thought Control and the Psychology of Totalism (Lifton) publiziert.
Die rasante Wirtschaftsentwicklung in der Nachkriegszeit löste in der Wirtschaft eine Vielzahl von Umstrukturierungen aus. Um diese Veränderungsprozesse und die Widerstände der betroffenen Arbeitskräfte besser bewältigen zu können, griff man in der Organisationsentwicklung auf das 3-Phasenmodell von Lewin zurück und ergänzte es mit dem Tavistock-Ansatz und der Aktionsforschung.
[Bearbeiten] Allgemeine Anwendung von manipulativen Psychotechniken
Subtilere Formen von Techniken zur Verhaltensänderung werden in der Werbung, Politik, von Regierungen, in Unternehmen, im Schul- und Gesundheitswesen usw. angewandt, um beispielsweise Widerstände gegen Reformprojekte aufzubrechen. In dem in der Organisationsentwicklung angewandten 3-Phasenmodell von Lewin dient die Phase Unfreezing zum Aufbrechen der alten Strukturen und Verhaltensweisen. Erst durch das „Auftauen“ wird ein Zustand hergestellt, in dem Veränderungen möglich sind, die dann in der langen Moving-Phase in die vorgegebene Richtung geführt werden. Die neuen Verhaltensweisen werden in der Phase Freezing abgesichert, um eine Rückkehr in den alten Zustand zu verhindern. Die wichtigste Umerziehungstechnik bei der Auflösung von Widerständen gegen die Übernahme neuer Werte, ist die Bildung einer Gruppe, zu der sich das Individuum zugehörig fühlt. Würde die Zielperson dieses Vorgehen durchschauen, wäre sie wohl kaum bereit, die neuen Werte „freiwillig“ bzw. unbewusst zu übernehmen. Bei solchen gruppendynamischen Prozessen besteht immer auch die Gefahr, dass der psychische Stress und der Gruppendruck so groß werden, dass insbesondere Menschen, die sich gegen die Umerziehung wehren, möglicherweise eine Psychische Störung entwickeln oder in Ausnahmefällen Suizid begehen können.
1975 hat die UNO in ihrer Erklärung über den Schutz aller Personen vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Nr. 3452, 9. Dezember 1975) auch die Methoden der „sauberen Folter“ durch Gehirnwäsche mittels Psychotechniken eingeschlossen. Nichtsdestotrotz führen Geheimdienste ihre Versuche diesbezügliche Techniken zu optimieren fort, wobei nur Fehler oder ungeplante Veröffentlichungen Eingeweihter dabei stören können.
[Bearbeiten] Literatur
- Kurt Lewin, Die Lösung sozialer Konflikte, Christian-Verlag 1953, ISBN B0000BKYTQ
- Edgar H. Schein, Coercive persuasion, A socio-psychological analysis of the "brainwashing" of American civilian prisoners by the Chinese Communists (1961)
- Edgar H. Schein, From Brainwashing to Organizational Therapy: A Conceptual Journey, Cape Cod Institute, 2005
- Robert J. Lifton, Thought Reform and the Psychology of Totalism (1961), ISBN 0807842532
- Behnke, Klaus / Fuchs, Jürgen (Hg.): Zersetzung der Seele. Psychologie und Psychiatrie im Dienste der Stasi, Hamburg 1995
- Bärbel Schwertfeger: Der Griff nach der Psyche. Was umstrittene Persönlichkeitstrainer in Unternehmen anrichten. Frankfurt am Main 1998, ISBN 3593359103
- Peter Sichrovsky: Seelentraining. Wie man in sechs Tagen sein Gesicht verliert. Rororo-Sachbuch 1990, ISBN 3-499-18774-4
- Michael M. Weber, Psychotechniken – die neuen Verführer, Christiana-Verlag 1997, ISBN 3-7171-1038-1
[Bearbeiten] Weblinks
religiousmovements.lib.virginia.edu - The Brainwashing Controversy (engl.)