Dezemberfieber
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Dezemberfieber oder Novemberfieber ist ein Begriff für das in Behörden der öffentlichen Verwaltung zu beobachtende Verhalten, zugewiesene, aber noch nicht verbrauchte Finanzmittel am Jahresende auszugeben. Grund dafür ist die Budgetierung der einzelnen Haushalte in einem kameralistischen System.
Sind zum Jahresende die jeweiligen Budgets noch nicht aufgebraucht, sucht man in den Behörden gegen Jahresende nach Möglichkeiten, das Geld noch auszugeben. Denn die Geldmittel können in der Regel nicht ins nächste Jahr übernommen werden, sondern verfallen. Sparen hat deshalb für die Einzelbehörde keinen Sinn. Außerdem droht immer die Gefahr, dass das Budget im Folgejahr um den Betrag gekürzt wird, der im ablaufenden Jahr nicht benötigt wurde. Damit würde nicht nur der Handlungsspielraum der Behörde eingeengt, sondern vor allem würde auch die Bedeutung der betreffenden Abteilung darunter leiden, weil sie ja auch an der Summe der abfließenden Gelder gemessen wird. In der Regel sind zudem auch keine Verschiebungen zwischen den Budgets verschiedener Abteilungen möglich, selbst wenn dadurch Geld gespart werden könnte.
Diese Bestrebungen führen zumeist auch dazu, dass am Ende des Jahres Rechnungen von Auftragnehmern für noch nicht vollständig erbrachte Leistungen bezahlt werden, in der Hoffnung und im Vertrauen darauf, dass sie am Anfang des nächsten Jahres ordnungsgemäß erbracht werden.
Statistiken über den Geldverbrauch der öffentlichen Verwaltung zeigen einen gleichmäßigen Geldfluss im restlichen Jahr, aber einen signifikanten Anstieg am Jahresende. Manchmal gibt es gegen Jahresende Haushaltssperren, um das (in vielen Fällen sinnlose) Geldausgeben zu unterbinden.
Das Dezemberfieber stellt einen Verstoß gegen zwei Haushaltgrundsätze dar. Erstens dürfen Ausgaben nur getätigt werden, wenn sie notwendig, und zweitens auch erst dann, wenn sie fällig sind. Bei richtiger Betrachtung wird Behörden auch gar kein Geld zugewiesen, sondern die Haushaltsansätze stellen lediglich eine Ermächtigung dar, eine bestimmte Summe zu Lasten der jeweils zuständigen öffentlichen Kasse auszugeben. Das Geld, eigentlich die Ansatzsumme, in einem Haushaltsansatz existiert also nicht wie auf einem Girokonto oder Sparbuch, sondern stellt nur die Höhe der Ermächtigung dar, auf die realen Geldsumme zum Beispiel auf dem Konto der Landeskasse Berlin per Auszahlungsanordnung zuzugreifen, die dann an einen Lieferanten auszahlt. Das Ausnutzen der Ermächtigungen am Jahresende für Leistungen, die nicht benötigt werden, erhöht sinnlos die Verschuldung des Landes, das Vorziehen der Beschaffung von nötigen Leistungen und das Vorziehen der Bezahlung von nötigen Leistungen vor Fälligkeit erhöht die Zinslast des Landes, weil der Kredit früher aufgenommen werden muss.
In Deutschland gibt es zur Zeit verschiedene Bestrebungen, die strengen Vorschriften der Kameralistik abzumildern. In einigen Bundesländern sind beispielsweise in Hochschulen sogenannte Globalhaushalte eingerichtet worden, die sowohl das Verschieben von Geldmitteln zwischen einzelnen Töpfen erleichtern als auch die Möglichkeit einräumen, überzählige Gelder in das nächste Haushaltsjahr hinüberzuretten. In Rheinland-Pfalz dürfen Hochschulen z.B. 75% der am Jahresende nicht verbrauchte Mittel aus dem Personalbereich in festzulegende Titel im Bereich Personal und Sachausgaben übertragen, bei Übertragung in den Investitionsbereich dürfen sogar 100% übertragen werden. Restliche Sachmittel können zu 75% in Sachtitel oder 100% in Investitionstitel übertragen werden. Restinvestitionsmittel können zu 100% in Investitionstitel des Folgejahres übertragen werden. Normalerweise können reguläre Haushaltsmittel nur zur Vollendung nicht am Jahresende abgeschlossener Vorhaben ins Folgejahr übertragen werden.
Ein ähnliches Verhalten wird auch in Großunternehmen mit Kostenstellenplanung beobachtet, bei der sich die Budgethöhe des Folgejahres am Vorjahr orientiert.