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Der Schimmelreiter

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Theodor Storm (1886)
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Theodor Storm (1886)

Der Schimmelreiter ist eine Novelle von Theodor Storm. Das im April 1888 veröffentlichte Werk ist Storms bekanntestes Stück und zählt zu seinen Spätwerken.

Die Novelle, in deren Zentrum der fiktive Deichgraf Hauke Haien steht, basiert auf einer Sage, mit der Storm sich über Jahrzehnte befasste. Mit der Niederschrift der Novelle begann er jedoch erst im Juli 1886 und beendete seine Arbeit daran im Februar 1888, wenige Monate vor seinem Tod. Die Novelle erschien das erste Mal im April 1888 in der Zeitung Deutsche Rundschau.

Inhaltsverzeichnis

Hintergründe

Ursprung der Sage an der Weichsel?

Gespenstische Geschichten aus Schleswig-Holstein faszinierten Storm schon seit seiner Jugend. Er ließ sich davon zu eigenen Geschichten inspirieren und plante, diese eines Tages in einer Sammlung mit dem Titel Neues Gespensterbuch zu veröffentlichen. Während Storms Lebenszeit ist es zu dieser Veröffentlichung nicht gekommen; die Sammlung wurde erst 1991 das erste Mal publiziert. Der Schimmelreiter ist in dieser Sammlung allerdings nicht enthalten. In einem Brief an einen Freund schreibt Storm, dass diese Sage zwar aufgrund ihres Charakters zu anderen Geschichten durchaus passe, doch sie würde leider „nicht unserem Vaterland gehören“.


Storm schreibt in der Einleitung seiner Novelle:

„Was ich zu berichten beabsichtige, ist mir vor reichlich einem halben Jahrhundert im Hause meiner Urgroßmutter, der alten Frau Senator Feddersen, kundgeworden, während ich, an ihrem Lehnstuhl sitzend, mich mit dem Lesen eines in blaue Pappe eingebundenen Zeitschriftenheftes beschäftigte; ich vermag mich nicht mehr zu entsinnen, ob von den Leipziger oder von Pappes Hamburger Lesefrüchten“.

Tatsächlich erschien 1838 im Hamburger Pappe-Verlag eine Ausgabe, in der ein Nachdruck des Danziger Dampfboots enthalten war. Dieser Nachdruck enthielt auch die Geschichte Der Güttlander Deichgeschworene. Der Handlungsort dieser Geschichte, die auffällige Parallelen aufweist, liegt jedoch nicht an der Nordsee, sondern an der Weichsel. Dies würde erklären, warum Storm seine Novelle Der Schimmelreiter nicht in seiner Sammlung Neue Gespenstergeschichten aufnehmen wollte.

Die handelnden Personen der Novelle und ihre historischen Vorbilder

Einzelheiten über das Leben des Deichgeschworenen erfährt man in der Geschichte Der Güttlander Deichgeschworene nicht. Storm griff zwar das Motiv dieser Geschichte auf, die Vielzahl der handelnden Personen und ihre unterschiedlichen Charakteristiken schuf er aber selbst. Seine Darsteller lehnte er an Personen an, die real existierten.

Vorlage für Hauke Haien, die Hauptperson in Der Schimmelreiter, war Hans Mommsen aus Fahretoft (nahe Dagebüll) in Nordfriesland (17351811). Der Landmann, der Mechaniker, Mathematiker und Einzelgänger war, soll es als Autodidakt zu erstaunlichen Leistungen gebracht haben. Er verstand es, Seeuhren, Teleskope und auch Orgeln herzustellen. Der Bezug auf die historische Person Mommsen wird auch darin deutlich, dass Storm diesen Namen in seiner Novelle erwähnt.

In Storms Novelle spiegeln sich auch die Ideen des Deichbaufinanziers Jean Henri Desmercieres bezüglich neuer Deichprofile wider. Desmercieres gilt als der Erbauer des Sophien-Magdalenen-Kooges und des Desmerciereskooges. Das Gehöft des Deichgrafs in der Novelle scheint identisch mit dem Hof des Deichgrafen Johann Iwersen-Schmidt (14. Juni 17981. März 1875) zu sein. Übereinstimmungen lassen sich auch an weiteren Personen und Dingen festmachen.

Aufbau der Novelle

Das Werk ist in drei Erzählebenen aufgebaut, wobei die äußere nur eine untergeordnete Rolle spielt. Da ist zunächst ein Erzähler, der davon berichtet, wie er einst von einer Geschichte erfahren hat. Danach wird eine Rahmenerzählung konstituiert. In jenem Rahmen erzählt ein Reisender, wie er sich mit dem Pferd bei Sturm und Regen von einem Besuch bei Freunden auf den Heimweg macht. Bei dem Ritt auf dem Deich glaubt er die Geräusche eines weiteren Reiters zu hören, kann jedoch beim Zurückschauen niemanden entdecken. Plötzlich sieht er, wie ein Schatten an ihm vorbeizieht, es ist der Schatten des Schimmelreiters, der sich mitsamt seinem Pferd in die Fluten der aufgebrachten Nordsee stürzt. Der Reisende sieht schließlich in der Ferne die Lichter einer Gastwirtschaft, kehrt dort ein und berichtet von seinem Erlebnis. Die anwesenden Gäste versetzen seine Worte in Unruhe und ein alter Schulmeister beginnt (als Binnenerzähler und in der dritten Ebene) zur Verdeutlichung die Geschichte des Hauke Haien zu erzählen. Die Binnenhandlung wird aber an bestimmten Stellen zwecks Spannungsteigerung wieder durch den inneren Rahmen, der im Gegensatz zum Äußeren auch wieder abschließt, unterbrochen.

Inhalt

Hauke, Sohn eines Landvermessers und Kleinbauern, setzt sich, anstatt sich mit Gleichaltrigen zu treffen, viel lieber mit der Arbeit seines Vaters auseinander. Er schaut dem Vater zu und hilft ihm beim Ausmessen und Berechnen von Landstücken. So lernt er extra Niederländisch, um ein in dieser Sprache geschriebenes Werk von Euklid lesen zu können. Fasziniert scheint er von der See und von den Deichen zu sein. Oft sitzt er bis in die tiefe Nacht am Deich und beobachtet, wie die Wellen an den Damm schlagen. Er überlegt auch, wie man den Schutz vor Sturmfluten verbessern könnte, eben indem man die Deiche zur See hin länger anlegen würde. Manchmal nimmt er auch ein bisschen Kleierde mit nach Hause und knetet bei Kerzenschein Deichmodelle, die er dann in einem Wasserbecken testet, indem er künstliche Wellen erzeugt. Dem Vater ist diese Gelehrsamkeit bald zu viel.

Als der örtliche Deichgraf Tede Volkerts einen seiner Knechte entlässt, bewirbt sich Hauke um die Stelle und wird angenommen. Doch auch hier hilft er dem Deichgrafen mehr beim Rechnen und Planen als in den Ställen, was dem Deichgrafen zwar gut gefällt, ihn aber bei Ole Peters, dem Großknecht, unbeliebt macht. Da Hauke auch das Interesse von Elke, der Tochter des Deichgrafen, wecken kann, verschärft sich der Konflikt zwischen Hauke Haien und Ole Peters weiter.

Binnen kurzer Zeit versterben Haukes und Elkes Väter. Hauke erbt Haus und Land seines Vaters. Als es darum geht, die Stelle des Deichgrafen neu zu vergeben, keimt der Konflikt zwischen Hauke und Ole erneut auf. Traditionell wird Deichgraf, wer das meiste Land sein Eigen nennen kann. Dies wäre nun Ole Peters gewesen, der sich zwischenzeitlich in eine Familie eingeheiratet hat, die mehr Land als Hauke besitzt. Gegenüber dem Oberdeichgrafen, der die Stelle des örtlichen Deichgrafen zu vergeben hat, ergreift Elke das Wort und erklärt, sie sei bereits mit Hauke verlobt und durch eine Hochzeit würde Hauke somit das größte Stück Land in der Region besitzen. So wird Hauke Deichgraf.

Hauke setzt nun die neue Deichform, die er als Kind bereits geplant hat, in die Tat um. Vor einem Teil des alten Deiches lässt er einen neuen bauen, ein neuer Koog entsteht und somit mehr Ackerfläche für die Bauern. Die Rituale der Deichbauer verlangen aber, dass „etwas Lebendiges“ im Deich verbaut werden muss. Zuweilen hatte man früher Zigeunern Kinder abgekauft und diese lebendig in den Sandmassen begraben. Doch Hauke untersagt diesen Brauch beim Bau seines neuen Deiches – als die Arbeiter einen Hund eingraben wollen, rettet er diesen – und so sehen viele einen Fluch auf diesem Deich lasten.

Unheimlich erscheint den Dorfbewohnern ihr Deichgraf auch durch sein Pferd: Ein edel aussehender Schimmel, den er, krank und verkommen, einem gaunerhaften Reisenden abgekauft und herausgefüttert hat, der angeblich von einem Pferdeskelett auf einer nahen Hallig kommt, das bei seinem Erscheinen verschwunden war. Oft wird er mit dem Teufel in Verbindung gebracht und sogar selbst als dieser bezeichnet.

Tagein, tagaus beobachtet er seinen Deich, indem er ihn mit seinem Schimmel abreitet. Der neue Deich hielt den Stürmen stand, doch der alte Deich, der rechts und links des neuen Kooges weiterhin verläuft und dort die vorderste Front zur See darstellt, wurde vernachlässigt. Als Jahre später eine Sturmflut hereinbricht und der alte Deich an einer Stelle zu brechen droht, durchstößt man den von Hauke geplanten und gebauten Deich auf den Wunsch seines Widersachers Ole Peters, da dieser sich damit erhofft, dass sich die Kraft des Wassers auf den neuen noch unbewohnten Koog konzentrieren würde. Doch während sich die Arbeiter mit dem Durchstechen des neuen Deiches beschäftigten, bricht der alte Deich. Als in jener Nacht auch Elke mitsamt ihrer gemeinsamen Tochter Wienke, die geistig behindert ist, auf den Deich hinausfährt, muss Hauke mit ansehen, wie die durch den Deichbruch in den Koog schießenden Wassermassen Frau und Kind unter sich begraben. In seiner Verzweiflung stürzt er sich ebenso mitsamt Pferd in die Wassermenge, die das Land überflutet, und ruft dabei:

„Herr, Gott, nimm mich, verschon' die anderen!“

Damit endet die Erzählung des Schulmeisters. Er fügt noch an, dass Hauke Haien bis heute keine Ruhe gefunden hätte. Und immer dann, wenn am Deich Gefahr droht, sei ein Reiter auf einem Schimmel zu sehen. Gleichwohl verweist der Erzähler darauf, dass der neue, von Hauke Haien erschaffene Deich, noch immer den Fluten stand hält, obgleich sich die erzählte Geschichte bereits vor fast hundert Jahren zugetragen haben soll.

Verfilmungen

Produktion von 1934

Regie: Hans Deppe und Curt Oertel

Darsteller: Mathias Wieman, Marianne Hoppe, Hans Deppe. Musik von Winfried Zillig.

Produktion von 1978

Regie: Alfred Weidenmann

Darsteller: Lina Carstens, Anita Ekström, Gert Fröbe, Werner Hinz, John Phillip Law, Vera Tschechowa, Richard Lauffen. Die Musik schrieb Hans-Martin Majewski.

Dieser Film richtet sich nicht nach dem Buch. Viele Szenen der Novelle fanden nicht oder abgeändert im Film statt, so zum Beispiel der Tod von Tede Volkerts oder dass es Wienke im Film gar nicht gab.

Produktion von 1984

Regie: Klaus Gendries

Darsteller: Sylvester Groth, Hansjürgen Hürrig, Fred Düren u.a.

Diese TV-Verfilmung war eine Co-Produktion zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen. Die an der Nordsee spielenden Szenen wurden aus naheliegenden Gründen an der Ostseeküste der beiden Länder gedreht. Der Film wurde am 26. Dezember 1984 erstmals im DDR-Fernsehen gezeigt und hatte am 7. September 1985 in Husum bundesdeutsche Uraufführung.

Storm der Schimmelreiter

Dieser Film aus dem Jahr 1985 ist ein Film über Theodor Storm, nicht über die Novelle Der Schimmelreiter.

Regie: Claudia Holldack

Darsteller: Erland Josephson als alter Theodor Storm, Till Topf als junger Theodor Storm. Musik: Thilo von Westernhagen

Bühnenfassung

Der Schimmelreiter. Zweiundzwanzig Szenen und ein Zwischengesang nach Theodor Storm. Musik von Wilfried Hiller. Libretto von Andreas K. W. Meyer. Uraufführung Kiel 1998.

Literatur

Erstausgabe: Theodor Storm: Der Schimmelreiter. Novelle. Berlin: Paetel 1888, 222 S. ( W./G.² 49)

Weblinks

Wikisource: Der Schimmelreiter – Quellentexte
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