Cantor-Diagonalisierung
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Die Cantor-Diagonalisierung, auch Cantorsches Diagonalverfahren genannt, ist ein mathematisches Beweisverfahren, mit dem man zeigen kann, ob zwei Mengen gleichmächtig sind. Angewendet wird es insbesondere bei unendlichen Mengen.
Entwickelt wurde dieses Verfahren von Georg Cantor.
Zum Verständnis der Problematik und des Beweises ist es notwendig, die unspezifizierte Größe einer Menge durch die in der Mengenlehre formal definierte Mächtigkeit zu ersetzen:
- Zwei Mengen sind genau dann gleichmächtig, wenn jedem Element der einen Menge genau ein Element der anderen Menge zugeordnet werden kann, und umgekehrt ebenso, wenn also eine Bijektion zwischen den Mengen existiert.
Während dies bei Mengen mit endlich vielen Elementen klar ist ({1,2,3} und {6,8,10} sind gleichmächtig), wird bei Mengen mit unendlich vielen Elementen die Problematik offensichtlich.
Beispielsweise sind die Menge der natürlichen Zahlen und die Menge der positiven geraden Zahlen gleichmächtig, denn man kann umkehrbar eindeutig jeder natürlichen Zahl i ihr Doppeltes 2·i zuordnen.
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[Bearbeiten] Vorgehen bei der Cantor-Diagonalisierung
Cantors Verfahren wird am besten mit der einfachsten unendlich großen Menge, den natürlichen Zahlen, und den positiven Brüchen (siehe Rationale Zahlen) veranschaulicht. Die Aussage ist, dass die natürlichen Zahlen und die positiven Brüche gleichmächtig sind.
Dies lässt sich zeigen, indem man die Brüche folgendermaßen in einem zweidimensionalen Schema anordnet:
1/1 1/2 1/3 1/4 1/5 ... 2/1 2/2 2/3 2/4 2/5 ... 3/1 3/2 3/3 3/4 3/5 ... 4/1 4/2 4/3 ... 5/1 5/2 ... ...
und dieses Schema dann 'diagonal' durchläuft (abzählt), wobei man kürzbare Brüche überspringt:
1.-> 2. 5.-> 6. 11. -> ... / / / / / / / / 3. (-) 7. (-) | / / / | / / / 4. 8. (-) / / / / 9. (-) | / | / 10.
Man erhält auf diese Weise eine Abzählung der positiven rationalen Zahlen:
- 1, 1/2, 2, 3, 1/3, 1/4, 2/3, 3/2, 4, 5, 1/5, ...
Durch das Überspringen kürzbarer Brüche liegt für jede positive rationale Zahl genau ein Repräsentant (der nicht mehr kürzbare Bruch) in dieser Abzählung, wodurch die gewünschte Bijektion hergestellt ist.
Um die Gleichmächtigkeit aller rationalen Zahlen und der natürlichen Zahlen zu zeigen, erweitert man diese Abzählung. Vor die Eins fügt man eine Null ein und hinter jeder Zahl deren Negatives:
- 0, 1, -1, 1/2, -1/2, 2, -2, 3, -3, 1/3, -1/3, 1/4, -1/4, 2/3, -2/3, ...
Man erhält damit eine Bijektion zwischen den rationalen und den natürlichen Zahlen, was gleichbedeutend mit der Gleichmächtigkeit beider Mengen ist.
Mengen, welche gleichmächtig zur Menge der natürlichen Zahlen sind, heißen abzählbar (oder abzählbar unendlich). Mengen, welche gleichmächtig zu irgendeiner Teilmenge der natürlichen Zahlen sind, heißen höchstens abzählbar (manche bezeichnen das auch als abzählbar). Mengen, welche gleichmächtig zu einer beschränkten Teilmenge der natürlichen Zahlen sind, sind endlich. Unendliche Mengen widersprechen oft der Intuition. Das wird beispielsweise durch Hilberts Hotel veranschaulicht.
[Bearbeiten] Mächtigkeit der algebraisch irrationalen Zahlen
Eine Algebraische Zahl ist Lösung eines Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten. Wenn man als Höhe die Summe der Absolutbeträge der Koeffizienten und der Exponenten definiert, lassen sich diese Polynome mit einem Diagonalverfahren abzählen. Da ein Polynom n-ten Grades höchstens n verschiedene Lösungen hat, ist auch die Menge der algebraischen Zahlen abzählbar.
[Bearbeiten] Mächtigkeit der reellen Zahlen
Die Menge der reellen Zahlen ist zur Menge der natürlichen Zahlen nicht gleichmächtig. Ihre Mächtigkeit wird als überabzählbar bezeichnet. Man sagt auch, die reellen Zahlen haben die Mächtigkeit des Kontinuums.
Der Beweis der Überabzählbarkeit von ist Inhalt des zweiten Cantorschen Diagonalbeweises.
[Bearbeiten] Verallgemeinerung der Cantor-Diagonalisierung
Die erste Cantor-Diagonalisierung kann man verallgemeinern, um vergleichbare Aussagen über Mengen von Tupeln reeller Zahlen zu machen.
Die folgende Darstellung ist nicht die traditionelle 'Cantor-Diagonalisierung', sondern eher eine Vorschrift zum Erstellen eines 'fraktalen' Objektes.
Georg Cantor hat gezeigt, dass es Kurven (1-dimensionale Objekte) gibt, die Flächen (2-dimensionale Objekte) füllen können, und zwar so:
Man nehme eine quadratische Fläche, die durch die Eckpunkte (0,0) und (3,3) aufgespannt ist. Man ziehe eine Strecke von (0,0) nach (3,3).
Diese Kurve innerhalb des Quadrates ändere man nun so ab: Man teile die quadratische Fläche in ein Raster 9 gleichgroßer Quadrate. Man ändere den Kurvenverlauf nun so ab, dass folgende Punkte die Endpunkte von Teilstrecken bilden:
(0,0) - (1,1) - (0,2) - (1,3) - (2,2) - (1,1) - (2,0) - (3,1) - (2,2) - (3,3)
Die Kurve hat danach folgendes Aussehen:
Die abgeänderte Kurve hat die Eigenschaft, dass sie ebenfalls das Quadrat durchzieht und den selben Anfangs- und den selben Endpunkt hat.
Dieses Verfahren wiederhole man nun für jedes der kleinen Teil-Quadrate, und die daraus entstandenen Teil-Quadrate und so weiter. Der Grenzwert dieses Verfahrens ist eine Kurve, die das gesamte Quadrat ausfüllt.
Diese (unendlich lange) Grenzkurve ist Bild einer stetigen Abbildung φ des Intervalls [0, 1]. Dazu setzt man zunächst die Endpunkte φ(0) = (0,0), φ(1) = (3,3). Im zweiten Schritt setzt man die Eckpunkte der ersten Verfeinerung:
0 -> (0,0) 1/9 -> (1,1) 2/9 -> (0,2) 3/9 -> (1,3) 4/9 -> (2,2) 5/9 -> (1,1) 6/9 -> (2,0) 7/9 -> (3,1) 8/9 -> (2,2) 1 -> (3,3)
Dann setzt man in jedem Schritt die hinzukommenden Eckpunkte auf Werte zwischen den bisherigen Zahlen. Die Grenzkurve ist dann genau das Bild der so definierten Abbildung φ. Beachte, dass dies keine Bijektion von [0, 1] auf [0,3]×[0,3] ist, da die Abbildung zwar surjektiv, aber nicht injektiv ist; z.B. ist φ(1/9) = φ(5/9).
Während die Zahl eindimensional ist, sind die zugehörigen Koordinaten zweidimensional. Folglich kann man eindimensionale Zahlen in mehrdimensionale Zahlen überführen und umgekehrt. Mengen mehrdimensionaler Elemente sind somit nicht mächtiger als Mengen eindimensionaler Elemente.
Dieser Umstand hatte einige Mathematiker zu der Zeit, als die Cantor-Diagonalisierung vorgestellt wurde, tief unglücklich gemacht, weil diese Erkenntnis nicht der Intuition entspricht.