Bund der Landwirte
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Der Bund der Landwirte (BDL) war eine 1893 gegründete Interessenorganisation der Landwirtschaft im Deutschen Reich.
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[Bearbeiten] Organisation
Der Bund entstand im Zusammenhang mit der Agrarkrise der frühen 1890er Jahre und den agrarischen Protesten gegen die weniger protektionistischen Agrarpolitik des Reichskanzlers Leo von Caprivi. Er umfasste Mitglieder aus den meisten protestantischen Gegenden des Reiches. Seine Hochburgen lagen in Nord- und Mitteldeutschland und insbesondere in Preußen. Bereits 1893 hatte der BDL 200.000 Mitglieder, im Jahr 1913 waren es gar 330.000. Nur ein Prozent davon waren Großgrundbesitzer, 24% waren Vollbauern, 75% aber waren Kleinbauern. Die Führungspositionen wurden allerdings von den ostelbischen Großgrundbesitzer eingenommen. Auch der Kurs der Organisation war im Wesentlichen auf deren Interessen ausgerichtet. Der Verband war modern organisiert und beschäftigte eine Reihe meist bürgerlicher Verbandsfunktionäre. Die Gründer des Bundes haben sich dabei bei aller inhaltlicher Distanz ausdrücklich auch an den Methoden der Sozialdemokraten als der damals stärksten Massenbewegung orientiert, wie es etwa der Aufruf des Generalpächters Ruprecht-Ransern aus dem Dezember 1892 deutlich macht: „Ich schlage nichts mehr und nichts weniger vor, als dass wir unter die Sozialdemokraten gehen und ernstlich gegen die Regierung Front machen (...) und sie unsere Macht fühlen lassen (...) Wir müssen aufhören zu klagen (...). Wir müssen schreien, dass es das ganze Land hört, wir müssen schreien, dass es bis in die Parlamentssäle und die Ministerien dringt - wir müssen schreien, dass es bis an die Stufen des Thrones vernommen wird (...) Aber wir müssen, damit unser Geschrei nicht auch wieder unbeachtet verhallt, gleichzeitig handeln (...) Wir müssen (...) Politik und zwar Interessenpolitik treiben; (...) den nur dadurch, dass wir rücksichtlose und ungeschminkte Interessenpolitik treiben, kann vielleicht die Existenz der heutigen Landwirte gerettet werden.“ [1]
Der Bund verfügte über verschiedene eigene Publikationsorgane und beschäftige zur Agitation besondere Wanderredner, die vor allem im wenig arbeitsintensiven Winterhalbjahr in den Dörfern sprachen. Die Bundesleitung verfügte zudem über eine eigene Wahlabteilung um die Aufstellung eigener Kandidaten zu koordinieren. Während der Wahlkämpfe sorgte die Abteilung für einheitliche Propaganda. Ein besonderes parlamentarisches Büro in der Zentrale war zuständig für die Betreuung der dem Bund nahestehenden Parlamentarier. [2]
[Bearbeiten] Politik und Ziele
Das Ziel des Bundes war es die führende Stellung der Landwirtschaft in Wirtschaft und Politik zu bewahren. In einem der Gründungsdokumente heißt es: „Die deutsche Landwirtschaft ist das erste und bedeutendste Gewerbe, die festeste Stütze des Reiches und der Einzelstaaten. Dieselbe zu schützen und zu kräftigen, ist unsere erste und ernsteste Aufgabe, weil durch das Blühen und Gedeihen der Landwirtschaft die Wohlfahrt aller Berufszweige gesichert ist.“[3]
Zur Durchsetzung dieses Ziels arbeitete die Organisation eng mit der Deutschkonservativen Partei zusammen. Der BDL opponierte während der Regierung Caprivi im Jahr 1894 gegen die Senkung der Getreidezölle und trat für eine Schutzzollpolitik ein. Er scheiterte allerding mehrfach mit dem Versuch eine strikte staatliche Regulierung des Getreidehandels zu erreichen. In anderen Bereichen etwa in der Frage neuer Eisenbahntarife, bei der Gesetzgebung zur Herstellung von Margarine, Zucker und Branntwein und anderen Interessenbereichen war der BDL erfolgreich. Politisch war der Bund für die Erhaltung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen. Nicht zuletzt zur Mitgliederwerbung setzte der Verband auf antisemitische Parolen.
Der BDL betrieb eine überaus erfolgreiche Lobbypolitik innerhalb und außerhalb des Parlaments. Der Bund war unter dem Namen „wirtschaftliche Vereinigung“ in den bürgerlichen Reichstagsfraktionen vertreten. Bis zu 100 Abgeordnete waren in annähernd jeder Legislaturperiode Mitglied auch im BdL oder standen ihm andersweitig nahe. Im preußischen Abgeordnetenhaus konnte er sich stets auf etwa ein Drittel der Abgeordneten stützen. Während des ersten Weltkriegs vertrat der BDl expansive Kriegsziele. Zu Beginn der Weimarer Republik fusionierte er mit dem Deutschen Landbund zum Deutschen Reichslandbund (1921), der nach 1933 im Reichsnährstand aufging.
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ zit. nach Fischer, Interessenverbände, S.200.
- ↑ vergl. offizielle Verbandsgeschichte von 1918 teilw. abgedruckt in: Gerhard A. Ritter (Hrsg.): Historisches Lesebuch 2: 1871-1914. Frankfurt, 1967. S.162-165.
- ↑ zit. nach: Wilhelm Mommsen: Deutsche Parteiprogramme. Vom Vormärz bis zur Gegenwart. München, 1951. S.28.
[Bearbeiten] Literatur
- Wolfram Fischer: Staatsverwaltung und Interessenverbände im Deutschen Reich. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Göttingen, 1972. ISBN 3-525-35951-9 S.194-213
- Hans-Peter Ullmann: Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918. Darmstadt, 1997. S.129.
- Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd.3: Von der Deutschen Doppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. München, 1995. S.855f.