Baidarka
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Die Baidarka (Russisch: bajdárka für "Kajak") ist das traditionelle Boot der eingeborenen Bevölkerung der Alëuten. Es ist ein aus Treibholz, Knochen und Tierhäuten gebautes Kajak, mit dem auf dem Meer gejagt wurde.
Durch die eigentümlich erscheinende Form, den zweigeteilten Bug und das abrupt endende stumpfe Heck, ermöglichte es die Baidarka ihrem Erbauer in einer Region, die durch starken Gezeitenwechsel geprägt ist und als "Geburtsort des Windes" oder als "Wiege des Sturms" bezeichnet wird, den Kampf ums Dasein zu überleben.
Die Baidarka wurde mit einem oder mehreren Mannlöchern gebaut. Der gespaltene Bug erfüllt zwei Funktionen, zum einen werden Wellen gebrochen, zum anderen wird Auftrieb erzeugt, der das Boot in der Welle anhebt. Auch das stumpf endende Heck erzeugt Auftrieb, der sich auf Vorwindkurs positiv bemerkbar macht. Das stumpfe Heck ermöglicht außerdem eine möglichst maximale Wasserlinienlänge im Bezug zur Länge des Bootes. Der ausgeprägte V-Boden gewährleistet eine hohe Endstabilität. Die Dachform des Decks lässt Wasser leicht ablaufen und ermöglicht größeren Stauraum.
Der Nordpazifik um die karg bewachsenen Inseln der Aleuten ist reich an Nahrung und Rohstoffen und die Bevölkerung der Aleuten war an ein Leben vom Meer angepasst. Die Baidarka war ein mächtiges Werkzeug der Aleuten, das aus Treibholz, Walknochen und den Häuten von Seelöwen gebaut wurde. Mit diesem war es möglich, vom Reichtum an Meeressäugern zu profitieren und an Nahrung sowie Knochen, Häute, Fett, und weitere wichtige Rohstoffe zu kommen.
Traditionell gingen die Aleuten mit mehreren zweisitzigen Baidarkas auf Jagd, wobei die hintere Position vom Paddler, die vordere vom Schützen besetzt wurde. Dreipersonenbaidarkas dienten nicht zur Jagd, sondern zum Transport von Kindern oder alten Menschen oder von Kranken zu einem Schamanen auf einer Nachbarinsel. Im Winter, wenn die Aleuten sich in ihre Unterkünfte, die Barabaras zurückzogen, wurde die Bespannung aus den Fellen von Seesäugern abgezogen, um sie bis zur neuen Jagsperiode vor Austrocknung und Brechen zu schützen.
Über den genauen Ursprung der Baidarka ist wenig bekannt, da die Boote selbst aus Materialien gebaut sind, die schnell verrotten und die Aleuten über keine Aufzeichnungen verfügen, die Aufschluss geben könnten. Man kann nur vermuten, dass dieser schon lange zurück liegt. Schon als die ersten Entdecker Europas Amerika bereisten, hatten Boote dieser Bauform eine weite Verbreitung – von Grönland bis nach Russland jenseits der Beringstraße und von den nördlichsten bewohnbaren Gebieten bis soweit in den Süden, wie die Boote, die mit Walfett gedichtet wurden, den Temperaturen standhielten.
Europäische Entdecker zeigten sich beeindruckt von der Leistungsfähigkeit und Eleganz dieser kleinen Boote, die bis dahin bekannten Konstruktionen in vieler Hinsicht weit überlegen waren. Martin Sauer, Sekretär einer von Katharina der Großen beauftragten Expedition, die 1785 nach Alaska startete, schreibt:
- »The baidars, or boats, of Oonalashka are infinitely superior to those of any other island. If perfect symmetry, smoothness, and proportion constitute beauty, they are beautiful; to me they appeared so beyond anything that I ever beheld. I have seen some of them as transparent as oiled paper, through which you could trace every formation of the inside and the manner of the natives sitting in it; whose light dress, painted and plumed bonnet, together with his perfect ease and activity, added infinitely to its elegance. Their first appearance struck me with amazement beyond expression.«
Ivan Venianov, ein russischer Entdecker, schrieb:
- »Wie alle Inselbewohner müssen die Aleuten zwangsläufig eine Art von Booten haben, um von einer Insel zur anderen zu gelangen... Aber die Natur verfehlte es, sie mit dem für den Bootsbau nötigen Material zu versorgen. Andererseits, wie zur Entschädigung, gab sie ihnen größeren Einfallsreichtum zur Vervollkommnung einer besonderen Art von Seefahrzeug: der Baidarka.«
Die Überlegenheit der Baidarka machten sich auch schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts russische Jäger zu Nutze, die nach Alaska kamen, um Seeotter zu jagen, deren Felle im Kaiserreich China teuer gehandelt wurden. Anfänglich taten sich die Russen, die primitive Schiffe benutzten und unerfahren in der Seefahrt und Navigation waren, schwer unter den ungewohnten Bedingungen erfolgreich zu jagen und eine Infrastruktur für Versorgung und Abtransport der Felle aufzubauen. Schnell jedoch machten sie sich die Jagdtechniken und auch bald einen Teil der sonstigen Lebensgewohnheiten der Aleuten zu eigen und beuteten mit allzu großem Erfolg die natürlichen Ressourcen der Region aus. Die Bevölkerung der Aleuten zwangen sie mit Gewalt die Ausbeutung der Seeotterbestände zu unterstützen.
Die von denen der Aleuten verschiedenen Bedürfnisse der russischen Jäger führten bald zu neuen Varianten und Anwendungen der Baidarka. Zum Beispiel wurden breitere und längere Varianten gebaut, die mehr Waren transportieren konnten, oder auch Baidarkas mit einen dritten Sitzplatz in der Mitte für den Transport von Passagieren. Aus Russland kommt auch der Name der Boote: Baidarka ist die Verkleinerungsform von Baidara, der Bezeichnung für die ebenfalls mit Haut bespannten, aber größeren und oben offenen Boote der Ukraine.
Auch später sind Varianten der Baidarka teilweise unter extremen Bedingungen erfolgreich eingesetzt worden. Zum Beispiel verwendete der norwegische Wissenschaftler und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen baidarka-ähnliche Faltboote bei seiner Nordpolexpedition. Nach weitem Fußmarsch über das polare Eis brachten diese Boote Fridtjof Nansen und seinen Begleiter über große Wasserflächen eingeschlossen von Packeis nach Franz-Joseph-Land wo die beiden knapp ein Jahr später von einer britischenen Expedition aufgesammelt wurden.
Trotz allen technologischen Fortschritts sind auch die heutigen Expeditionskayaks den Baidarka der Aleuten sehr ähnlich. Die heute bei den Nachfahren der Baidarka verwendeten hochentwickelten Werkstoffe wie Aluminiumlegierungen (statt Walknochen und Treibholz), Hypalon, Neopren, Polyurethan (statt Walfett) und Cordura (statt Seelöwenhaut) verbessern die Wartbarkeit, Haltbarkeit und Belastbarkeit enorm. Was aber das Fahrverhalten und Gewicht angeht, sind die traditionell gebauten Boote nach wie vor konkurrenzfähig, weswegen viele Enthusiasten auch heute noch Baidarka in einer der ursprünglichen Bauweise ähnlichen Form bauen.
[Bearbeiten] Literatur
Klaus Läng, Die Kulturgeschichte der Indianer Nordamerikas ISBN 3-8112-1056-4