Aura (Benjamin)
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Als Aura bezeichnet Walter Benjamin die besondere, einem Kunstwerk und einer lebendigen Person eigene Ausstrahlung, die er in Gegensatz zur Spur definiert.
Die Aura charakterisiert das Spezifische des Kunstwerks, welches sich durch seine Einmaligkeit auszeichnet und dadurch, dass es an einen Ort gebunden, sowie in die Geschichte eingebettet ist. Er definiert die Aura als „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie auch sein mag.” Als Beispiel nennt er die Empfindung des Betrachters einer Bergkette an einem Sommertag. Die Empfindung jenes Augenblicks ist nicht reproduzierbar, denn der gleiche geschichtliche Moment wiederholt sich nie mehr. Die Unnahbarkeit ist für ihn ein eigentümliches Merkmal des Kunstwerkes, was sich daraus erklärt, dass sich die Kunst aus magischen und später religiösen Ritualen entwickelt hat. Für Benjamin zeigt sich diese Herkunft zuletzt in der Lehre der „l’art pour l’art”.
Die Aura des Kunstwerkes beeinflussen nach Benjamin zwei Aspekte negativ: erstens die technische Reproduzierbarkeit, die dem Kunstwerk das „Hier und jetzt“, seine Echtheit und seine Tradition nimmt und zweitens die Betrachtungsweise des Kunstwerkes, die sich im Laufe der Zeit grundlegend verändert hat. Nach Benjamin hat das Kunstwerk keine transzendentale Funktion mehr, so geht z.B. die den Ikonen eigene Göttlichkeit im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit verloren. Durch die andere Betrachtungsweise, so Benjamin, wird das Kunstwerk aus einem metaphysischen Rahmen in einen sozialen gestellt und wird politisch. Diese Entwicklung trägt ebenso zum Verlust der Aura bei, wie der Verlust seiner Echtheit etc. (s.o.)
- „Die Aura ist [die] Erscheinung einer Ferne, so nah das sein mag, was sie hervorruft [...] was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, das ist seine Aura“ (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit).
- „Die Spur ist [die] Erscheinung einer Nähe, so fern das sein mag, was sie hinterließ“ (Das Passagenwerk: Der Flaneur).
Die Opposition zwischen Spur und Aura bildet den Schlüssel zum Verständnis des Aura-Begriffs (vgl. Mersch 2002: 90 Fn. 66).
Die Aura einer lebendigen Person lässt sich nach Bejamin weder im Film noch in der Fotografie aufzeichnen („Es gibt kein Abbild von ihr.“), da sie „an sein Hier und Jetzt gebunden“ ist (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit).
Der Kerngedanke des Auratischen ist die Rekonstruktion der ästhetischen Wirksamkeit in der Aura.
Ähnliche Konzepte finden sich in den ästhetischen Theorien von Hegel („Scheinen“) und Adorno („das Magische“):
„Was hier Aura heißt, ist der künstlerischen Erfahrung vertraut unter dem Namern der Atmosphäre des Kunstwerkes als dessen, wodurch der Zusammenhang seiner Momente über diese hinausweist, und jedes einzelne Moment über sich hinausweisen läßt“ (Adorno, Ästhetische Theorie, S. 408).
[Bearbeiten] Literatur
- Walter Benjamin: Das Passagenwerk: Der Flaneur
- Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1936
- Dieter Mersch: Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: Fink 2002. ISBN 3-7705-3622-3
- Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie
[Bearbeiten] Siehe auch
- Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
- Simulacrum
- Theorie der Fotografie
- Kultwert und Ausstellungswert
- Ästhetik
- Sein und Schein