Astrogeodäsie
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Unter Astrogeodäsie bzw. Geodätische Astronomie versteht man jene Methoden der Geodäsie und Astrometrie, bei denen Messungen zu Gestirnen und anderen extraterrestrischen Zielen vorgenommen und die Koordinatensysteme der Sphärischen Astronomie verwendet werden.
Zentrale Aufgabe ist dabei die Bestimmung von Lotrichtungen (Lotabweichungen) und anderen Richtungen des Erdraums in einem erdfesten Bezugssystem. Die Positionen („Örter“) der Himmelskörper sind in einem zälestischen = Himmelskoordinatensystem festgelegt oder zu bestimmen. Die Beziehung der beiden Systeme hängt mit der Stellung der Erde im Weltraum zusammen, vor allem der Erdrotation.
Die in Frage kommenden Gestirne sind
- Fixsterne, vor allem präzise vermessene Fundamentalsterne, und für die praktische Geodäsie
- insbesondere der Polarstern (Polaris, Pole Star);
- die Sonne (u.a. zur genauen Orientierung von Vermessungsnetzen),
- helle Planeten und der Erdmond.
Ergänzend werden auch Messungen zu künstlichen Erdsatelliten und zu Quasaren verwendet, weil sich Astro- und Satellitengeodäsie bzw. Astrometrie etwas überschneiden.
Dabei werden auch verschiedene Methoden der Entfernungsmessung und präzisester Zeitmessung eingesetzt.
Die Ziele astro-geodätischer Verfahren sind vielfältig:
- Verfeinerung der terrestrischen Bezugssysteme
- Bestimmung des Geoids (Astrogeoid, astr. Nivellement)
- Bestimmung von Strukturen und Dichte in der oberen Erdkruste
- Versteifung und bessere Genauigkeit von Vermessungsnetzen
- Orientierung von Polygonzügen in der Ingenieurgeodäsie
- Überwindung von Sichthindernissen (Bauwerke, Wald, verlorene Festpunkte)
- Beiträge zum raumfesten Koordinatensystem und zur
- laufenden Bestimmung von Parametern der Erdrotation.
Die verwendeten Messinstrumente sind - wie in anderen Teilgebieten der Geodäsie - hauptsächlich Theodolite, Tachymeter und Quarzuhren, früher auch Vakuum-Pendeluhren und präzise Chronometer.
Darüber hinaus auch kleinere bis mittelgroße Spezialinstrumente aus dem Bereich der Astronomie und Astrometrie, die entweder visuell, fotografisch oder elektro-optisch arbeiten:
- Astrolabien (z. B. Zeiss-Astrolab Ni2, Danjon-Astrolab)
- Zenitkameras von 20 bis 100 cm Brennweite und kleinere Zenitteleskope
- Universalinstrumente
- Passageninstrumente (bis etwa 1980) und Meridiankreise
- Neu entwickelte CCD-Instrumente,
- Komparatoren (Auswertung von Fotoplatten) und Photogrammetrie
sowie (überschneidend mit der Satellitengeodäsie und der Geophysik) einige von deren Messverfahren, z.B. mit
- Satellitenkameras (fotografisch oder elektro-optisch)
- spezielle Scanner für Gestirne - siehe z.B. Hipparcos
- Laser-Distanzmessung zu erdnahen Satelliten (SLR)
- teilweise Pseudoranging mit GPS und künftig Galileo
- Radioteleskope für VLBI (Very Long Baseline-Interferometry
- Richtungs- und Mikrowellen-Bahnvermessungen in der Raumfahrt
- Gezeitenpendel für Erdgezeiten und Lotrichtungsschwankungen
- Astrogravimetrische Lotabweichungs-Bestimmung (siehe Schwereanomalie)
Siehe auch:
- Höhere Geodäsie, Geoid, Gravimetrie, Astrophysik
- Astronomische Navigation, Einnorden, Ortung, Sonnenstand,
- Astronomische Refraktion, Zenitdistanz, Stellartriangulation
- Fundamentalpunkt, Landesvermessung, Azimut, Lotlinie,
- Astronomische = Geografische Breite, Geografische Länge,
- Atomzeit, Baryzentrum, Weltzeit (UT), UTC, MEZ,
- Fundamentalsystem (Astronomie), FK4, FK6, Hipparcos-Katalog, ITRF
- Ephemeride, Astronomical Ephemeris, APFS, Berliner Astronomisches Jahrbuch, Nautical Almanac,
- Tycho Brahe, Friedrich Argelander, Friedrich Wilhelm Bessel, James Bradley, Carl Friedrich Gauß, Friedrich Robert Helmert, Johann Palisa, Otto Struve, Max Wolf,
- Wilhelm Embacher, Helmut Moritz, Karl Ramsayer, Albert Schödlbauer, H.H. Schmid