Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (seit 1990) - Wikipedia

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (seit 1990)

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Vorbemerkung: Dieser Artikel befasst sich mit den Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland seit dem 3. Oktober 1990. Für die vorhergehende Zeit siehe Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (1945–1990) und Geschichte der DDR, sowie den Hauptartikel Geschichte Deutschlands.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Helmut Kohls Kanzlerschaft im vereinigten Deutschland

[Bearbeiten] Dritte Amtszeit

Am 14. Oktober 1990, elf Tage nach der Wiedervereinigung, erfolgt mit Inkrafttreten des von der Volkskammer der DDR am 22. Juli beschlossenen Ländereinführungsgesetzes (siehe: Föderalismus in Deutschland) die Neugründung der fünf Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In den Neuen Ländern finden an diesem Tag Wahlen zu den jeweiligen Landesparlamenten statt. Dabei wird im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens die CDU stärkste Partei, in den Wahlen zum Brandenburger Landtag die SPD.

Im wiedervereinten Berlin – seit dem 3. Oktober zwar Hauptstadt, aber nicht Regierungssitz – werden Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 2. Dezember parallel zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl abgehalten.

[Bearbeiten] Vierte Amtszeit

Am 2. Dezember 1990 finden die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen statt. Die Union erreicht 43,8%, die SPD nur 33,5%, die FDP 11%, die PDS mit 2,4% kann dank der für West- und Ostdeutschland getrennt ausgewiesenen Fünf-Prozent-Klausel in den Bundestag einziehen. Bündnis 90/Die Grünen scheitert im Westen mit 4,8% an der Fünf-Prozent-Hürde, im Osten erreicht eine Listenvereinigung Bündnis 90/Grüne 6,0% und zog damit in den Bundestag ein.

1991 beschließt der Bundestag nach kontroverser Debatte im Hauptstadtbeschluss den Umzug von Parlament und Teilen der Regierung von Bonn nach Berlin. Bis zu diesem Zeitpunkt war Bonn die vorläufige Bundeshauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, für die sich am 10. Mai 1949 der Parlamentarische Rat entschieden hatte. Mit diesen Entscheidungen war eine Debatte um das neue Selbstverständnis der Nation verbunden, die in der Bezeichnung „Berliner Republik“ ihren Ausdruck fand.

1992 kommt es zu einer Welle rechtsextremer Gewalt. Bei Brandanschlägen in Rostock, Mölln und Solingen sowie anderen Orten kommen insgesamt 17 Menschen ums Leben. Im Dezember protestieren Hunderttausende mit Lichterketten gegen den Fremdenhass.

Herzog (links) mit dem franz. Staatspräsidenten Jacques Chirac
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Herzog (links) mit dem franz. Staatspräsidenten Jacques Chirac

Roman Herzog wird 1994 zum Bundespräsidenten gewählt. Der ehemalige Verfassungsrichter tritt dafür ein, dass ein "Ruck" durch Deutschland gehen müsse, um die verkrusteten Strukturen zu überwinden. Seine Auftritte sind sorgfältig auf ihre Medienwirkung hin inszeniert.

[Bearbeiten] Fünfte Amtszeit

Am 16. Oktober 1994 bestätigen die Bundestagswahlen die Regierung von Helmut Kohl im Amt. Die Grünen schaffen den Sprung über die 5-Prozent-Hürde, die PDS zieht wieder in den Bundestag ein, da sie im Osten drei Direktmandate gewinnen kann. Die Treuhandanstalt, die das Staatsvermögen der DDR privatisieren sollte, wird aufgelöst. 1996 werden erstmals Bundeswehr-Soldaten in Auslandseinsätze geschickt. Im Juni 1997 verwüstet das Hochwasser der Oder ganze Landstriche.

[Bearbeiten] Gerhard Schröders Kanzlerschaft

[Bearbeiten] Erste Amtszeit

Bei den Bundestagswahlen vom 27. September 1998 wird zum ersten Mal in der deutschen Geschichte ein Bundeskanzler vom Volk abgewählt. SPD (40,9%) und Grüne (6,9%) erzielen mehr Sitze als Union (35,1%) und FDP (6,2%). Der Bundestag wählt Gerhard Schröder (SPD) zum Bundeskanzler, Außenminister wird Joschka Fischer (Grüne).

Bald nach der Bundestagswahl erklärt zur allgemeinen Überraschung Finanzminister Oskar Lafontaine seinen Rücktritt. Damit verliert die Regierung den innerparteilichen Konkurrenten von Gerhard Schröder und den prominentesten Vertreter der Linken. Lafontaines Nachfolger wird der ehemalige hessische Ministerpräsident Hans Eichel, der im Gegensatz zu Lafontaine nicht auf keynesianische Nachfragepolitik setzt.

Die CDU erlebt 1998/1999 die Demontage ihres Ehrenvorsitzenden, Helmut Kohl, nachdem bekannt wird, dass dieser jahrelang seiner Partei die Spenden anonymer Geldgeber zukommen ließ. Dies verstößt gegen das Parteiengesetz und das Grundgesetz, demzufolge alle Großspenden namentlich gekennzeichnet werden müssen. Kohl weigert sich, seine Geldgeber zu nennen und beruft sich auf das „Ehrenwort“ ihnen gegenüber. Auch Wolfgang Schäuble steht unter Verdacht, Angela Merkel übernimmt den Vorsitz der CDU. (Siehe auch: CDU-Spendenaffäre)

Johannes Rau auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 2001 (damals in Funktion des Bundespräsidenten)
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Johannes Rau auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 2001 (damals in Funktion des Bundespräsidenten)

Johannes Rau von der SPD, langjähriger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, wird im Amt des Bundespräsidenten zum Nachfolger von Roman Herzog gewählt, der für keine zweite Amtszeit kandidiert. Rau, der sich seit Jahren intensiv um das Amt bemüht hatte, muss erst Widerstände in der öffentlichen Meinung überwinden, überrascht dann aber durch eine eminent politische Amtszeit mit bemerkenswerten Reden. Im Mai 2000 wird eine umfassende Steuerreform durchgeführt, die der Ankurbelung der Wirtschaft dienen soll.

Die Unterdrückung der Albaner im Kosovo durch die serbische Regierung unter Slobodan Milošević führt zur kriegerischen Intervention der NATO. Erstmals ist auch die Bundeswehr an Kampfeinsätzen beteiligt.

Nachdem der Euro als parallele Buchwährung schon 1999 eingeführt wurde, löst er am 1. Januar 2002 die D-Mark auch als Bargeld ab. Die Umstellung erfordert größere logistische Anstrengungen, läuft aber in Deutschland wie im übrigen Europa planmäßig ab. Der Umrechnungskurs beträgt 1,95583 DM zu 1,00 Euro.

Im Sommer 2002 treten die Elbe und etliche ihrer Nebenflüsse über die Ufer. Große Städte wie Dresden und Magdeburg leiden unter dem Hochwasser im August 2002 von ungekannten Ausmaßen.

[Bearbeiten] Zweite Amtszeit

Bei der Bundestagswahl am 22. September 2002 stellt seit 1980 zum ersten Mal wieder die CSU den Kandidaten der Union: Edmund Stoiber. Union und SPD kommen fast punktgenau aufs gleiche Ergebnis: 38,5%. Die Grünen erzielen 8,6%, die FDP aber nur 7,4%. Die PDS scheitert an der 5-Prozent-Hürde und entsendet nur die zwei direkt gewählten Abgeordneten in den Bundestag. Damit kann die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder ihre Koalition fortsetzen.

Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, die absehbare Überalterung der Gesellschaft sowie die angespannte Haushaltslage der öffentlichen Kassen beschleunigen die Diskussion um Reformen in Deutschland. Der Arbeitsmarkt soll mit den Konzepten der Hartz-Kommission belebt werden, Renten- und Krankenversicherung werden immer neuen Reformen unterzogen. Die Unionsmehrheit im Bundesrat verringert den Handlungsspielraum der Regierung Schröder.

Bundespräsident  Prof. Dr. Horst Köhler
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Bundespräsident
Prof. Dr. Horst Köhler

Am 23. Mai 2004 wählt die Bundesversammlung mit 604 von 1205 Stimmen Horst Köhler, den Kandidaten von CDU/CSU und FDP, im ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten. Für Rot-Grün tritt Gesine Schwan an, der bisherige Amtsinhaber Rau hatte sich nicht zur Wiederwahl gestellt, da diese aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kaum realistisch erschien. Köhler profiliert sich schnell als ein überparteilicher Unterstützer des Reformprozesses, der aktiv am tagespolitischen Geschehen teilnimmt und sich mit kritischen Kommentaren zu Sachfragen äußert.

Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 19. September 2004 lösen einen bundesweiten Schock aus: Einerseits erhält in Brandenburg die rechtsextreme DVU rund 6,1% der Stimmen und ist dadurch weiterhin im Landtag vertreten, andererseits zieht die ebenfalls rechtsextreme NPD als viertstärkste Partei mit zwölf Abgeordneten erstmals in den Sächsischen Landtag ein. Die Große Koalition unter Matthias Platzeck in Brandenburg kann trotz Stimmenverlusten weiterregieren, während der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt auf die SPD als Juniorpartner angewiesen ist. In den nächsten Monaten kommt es zu mehreren Eklats, die mit Empörung zur Kenntnis genommen werden. Unter anderem verweigert die NPD am 13. Februar 2005 die Teilnahme an einer Schweigeminute im Landtag, die anlässlich der Bombardierung Dresdens vor sechzig Jahren abgehalten wird; der Abgeordnete Jürgen W. Gansel nannte die Luftangriffe gar "Bombenholocaust". Der Bundestag verschärft das Versammlungsrecht und den Straftatbestand der Volksverhetzung, um eine weitere Ausbreitung des Rechtsextremismus zu verhindern. Auch die Diskussionen um einen neuerlichen Anlauf des NPD-Verbotsverfahrens flammen erneut auf.

Eine schwere Belastung für die Regierung stellt die Visa-Affäre Anfang 2005 dar. Durch einen entsprechenden Erlass hatte Staatsminister a.D. Ludger Volmer für eine großzügigere Vergabe von Visa, insbesondere in der ukrainischen Botschaft in Kiew, gesorgt. Vorwürfe werden laut, die Bundesregierung hätte damit den Menschenhandel gefördert. Außenminister Fischer gerät massiv unter Druck und muss vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages aussagen. Erstmals in der Geschichte der BRD wird eine solche Aussage live im Fernsehen übertragen. Die Beweisaufnahme wird von Rot-Grün am 2. Juni beendet, woraufhin Union und FDP vor Bundesverfassungsgerichtes eine Eilentscheidung erwirken, die bestimmt, dass die Beweisaufnahme fortgesetzt werden muss. Am 15. Juli wird auch Innenminister Otto Schily vom Ausschuss vernommen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (2005)
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Bundeskanzler Gerhard Schröder (2005)
SPD-Vorsitzender:Franz Müntefering (2005)
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SPD-Vorsitzender:
Franz Müntefering (2005)

Bei der Ministerpräsidentenwahl in Schleswig-Holstein am 17. März scheitert die SPD-Amtsinhaberin Heide Simonis überraschend, da ihr eine Stimme aus den eigenen Reihen verwehrt wird. Es kommt zur Bildung einer Großen Koalition unter dem CDU-Politiker Peter Harry Carstensen. Bei der nächsten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai fährt die SPD deutliche Verluste ein und verliert nach 39 Jahren die Regierungsverantwortung. Damit endet die letzte Rot-Grüne-Koalition auf Landesebene. Noch am selben Tag geben Gerhard Schröder und Franz Müntefering ihre Absicht bekannt, im Herbst vorgezogene Bundestagswahlen stattfinden zu lassen. Dazu sollte der Bundestag aufgelöst werden, was Gerhard Schröder mit einer gescheiterten Vertrauensfrage herbeiführen wollte.

Der Vertrag über eine Verfassung für Europa wird am 12. Mai mit 569 von 594 Stimmen im Bundestag und mit 66 von 69 Stimmen fünfzehn Tage später im Bundesrat verabschiedet. Zuvor hatte sich die FDP nicht mit ihrer von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützten Forderung durchsetzen können, eine bundesweite Volksabstimmung über das Vertragswerk durchzuführen. Parteiübergreifend wird die historische Bedeutung der Verfassung für das vereinigte Europa gewürdigt, die wenigen Neinstimmen rekrutieren sich aus den Reihen der PDS und der CSU. Der christsoziale Abgeordnete Peter Gauweiler, der bereits mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Abstimmung vom 12. Mai gescheitert war, reicht kurze Zeit nach der Annahme Organklage beim Bundesverfassunsgsgericht ein. Bundespräsident Köhler erklärt am 15. Juni, mit der Ratifikation bis zum Urteil der Verfassungshüter zu warten. Aufgrund der negativen Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden bleibt die Zukunft der Europäischen Verfassung ungewiss.

Die Diskussionen der nächsten Wochen konzentrieren sich insbesondere auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der von Schröder angepeilten Vertrauensfrage, die von zahlreichen Experten bestritten wird. Andere Möglichkeiten für eine vorgezogene Neuwahl, darunter eine Verfassungsänderung, durch die sich der Bundestag ein Selbstauflösungsrecht geben soll, werden diskutiert. Die Abgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hoffmann (SPD) und einige Kleinparteien wie die ödp und Die Republikaner kündigen für den Fall einer Neuwahl Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Ungeachtet dessen beantragt Bundeskanzler Schröder am 27. Juni bei Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, wie geplant am 1. Juli die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Diese verliert er erwartungsgemäß sehr deutlich, nur 151 Abgeordnete sprechen ihm das Vertrauen aus. Bundespräsident Horst Köhler gibt am 21. Juli seine Entscheidung bekannt, den Bundestag aufzulösen. Damit setzt der Wahlkampf für die auf den 18. September 2005 angesetzte Bundestagswahl 2005 ein. Das Bundesverfassungsgericht weist am 25. August die Klagen der beiden Abgeordneten als unbegründet zurück (Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Neuwahlen 2005).

Bereits mit Schröders Neuwahl-Ankündigung setzen bei allen Parteien Wahlkampfvorbereitungen ein. Die Union kürt am 30. Mai ihre Vorsitzende Angela Merkel zur Kanzlerkandidatin, die FDP bekennt sich auf ihrem Parteitag zu einer Koalition mit der CDU und erklärt, sich als Bürgerrechtspartei profilieren zu wollen. Für die SPD, der die Wahlkampfprognosen schlechte Ergebnisse vorhersagen, kandidiert erneut Gerhard Schröder. Die SPD gibt jedoch entgegen 2002 kein klares Bekenntnis zu den Grünen ab, die mit Joschka Fischer als Spitzenkandidaten antreten. PDS und die im Januar 2005 gegründete WASG gehen eine gemeinsame Kandidatur als Die Linkspartei. ein.

[Bearbeiten] Angela Merkels Kanzlerschaft

Bei der Bundestagswahl 2005 erhalten CDU und CSU 35,2% der Stimmen und werden damit stärkste Fraktion vor der SPD mit 34,2%. Von den kleineren Parteien kann die FDP mit 9,8% die meisten Stimmen auf sich vereinigen, die neue Linkspartei zieht mit 8,7% in den Bundestag ein und landet damit noch vor den Grünen, die auf 8,1% kommen.

Weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb erreicht die zur Bildung einer stabilen Regierung notwendige Mehrheit im Bundestag. Da die FDP eine Koalition mit der SPD kategorisch ausschließt und Gespräche zwischen Union, Grünen und FDP (Jamaika-Koalition) scheitern, verbleibt eine Große Koalition unter der CDU-Kandidatin Angela Merkel als letzte praktikable Alternative. Diese wird am 22. November 2005 vom Bundestag zum ersten weiblichen Bundeskanzler gewählt. Am selben Tag wird ihr Kabinett vereidigt, in dem beide Volksparteien mit jeweils acht Ministern vertreten sind.

Zur ersten Bewährungsprobe für die neue Regierung entwickeln sich brisante Enthüllungen, nach denen die CIA Deutschland als Zwischenstopp für Gefangenentransporte in ausländische Geheimgefängnisse genutzt und den deutschen Staatsbürger Khaled al-Masri nach Afghanistan irrtümlich verschleppt und dort gefoltert hat, ohne dass sich die rot-grüne Regierung zu einem adäquaten Eingreifen veranlasst sah.

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